In der Hedge-Fund-Industrie kann viel Geld verdient werden, sehr viel: Rekordverdächtig ist das Beispiel des Amerikaners John Paulson, der allein im Jahr 2009 rund fünf Milliarden Dollar an seinen Hedge Funds verdient hat und damit die Chefs von Schweizer Grossunternehmen wie Daniel Vasella und Brady Dougan wie Waisenknaben und deren Saläre wie Almosen aussehen lässt.

Viel Geld verdienen zu wollen, ist einer der wichtigsten Antreiber der Branche. Karim Abdel-Motaal, Manager eines Hedge Fund mit verwalteten Vermögen von über zwei Milliarden Franken bei GLG  /  Man Group, einem der grössten Anbieter der Branche, äusserte sich an seinem Geschäftssitz in London kürzlich so: «Ich würde mein Geld nie einem Manager zur Verwaltung überlassen, wenn er nicht reich werden will. Denn um reich zu werden, muss er erst mal sehr viel Geld für seine Kunden verdienen.»

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Das ist der wunde Punkt bei der Sache, wie jeder weiss, der schon selber versucht hat, an der Börse sein Geld zu verdienen. Es ist auch der Grund, warum zwei Drittel der Hedge Funds die ersten drei Jahre nicht überleben. Wer im ersten Jahr mit der Performance abschmiert, kann seinen Hedge Fund im Normalfall gleich wieder schliessen.

Es ist ein hartes Geschäft. Das ist auch einer der Gründe, warum in der Schweiz nur sehr wenige den Sprung zum Hedge-Fund-Manager wagen. Etwa 120 Hedge Funds existieren in der Schweiz, nicht einmal zwei Prozent aller Hedge Funds weltweit. Das ist umso erstaunlicher, als bis zu einem Drittel ihrer Gelder aus der Schweiz stammen.

Die Schweizer Hedge Funds sind höchst unterschiedlich, wie sich an den Top drei des BILANZ-Ratings zeigen lässt (siehe Tabelle unter 'Downloads').

Zunächst der Klassiker, ein Aktienhändler, der sich mit einem Kompagnon selbständig gemacht hat: Gerhard Schreiber ist einer der Gründer der Firma Swiss Hedge Capital, die den Granada Europe Fund führt, den zweitbesten Hedge Fund der Schweiz. Swiss Hedge Capital verwaltet seit vergangenem Jahr zudem einen der ganz wenigen von der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) offiziell zum Vertrieb zugelassenen Hedge Funds, den Swiss Hedge Trading Fund. Die meisten anderen sind Offshore-Vehikel und dürfen darum in der Schweiz nicht aktiv beworben werden.

Geduldig wie die Fischer

«Man kann jeden Tag an den Fluss gehen, aber es gibt nur drei Tage im Jahr, an denen die Lachse da sind», ist ein Bild, das Schreiber verwendet, um einen wichtigen Aspekt seines Geschäfts hervorzuheben. «Man muss es jeden Tag an der Börse probieren, denn niemand weiss, wann die grossen Gewinne zu holen sind», erklärt er. Allerdings sei das Fischen von Gewinnen an der Börse noch schwieriger als der Lachsfang: «Bei den Lachsen weiss man wenigstens, dass sie irgendwann Ende März kommen», sagt der Hobbyfischer und Vollbluthändler, der zwar bisher noch nie auf Lachsfang war. «Irgendwann will ich mir aber Zeit dafür nehmen.» 20 Jahre ist er im Geschäft, sein Kompagnon Andreas Zehnder sogar ein Vierteljahrhundert, seit 16 Jahren arbeiten sie zusammen. «Wir arbeiten viel», sagt Schreiber, «an der Börse handeln ist kein Nine-to-five-Job, wenn es läuft, muss man dabei sein.»

Schreiber redet schnell, mindestens so schnell, wie die Kurse an der Börse manchmal die Richtung wechseln. Er und seine vier Händlerkollegen bei Swiss Hedge Capital handeln Blue Chips in Europa, die Aktien der grössten 100 bis 150 Unternehmen. Sie kaufen und verkaufen meist in rascher Abfolge: Über vierzig Prozent der Positionen halten sie weniger als einen Tag, nur jede hundertste Aktie bleibt länger als 30 Tage im Depot.

«An den meisten Handelstagen eines Jahres konzentrieren wir uns darauf, kein Geld zu verlieren. An ganz wenigen Tagen im Jahr machen wir dann die Gewinne», sagt Schreiber. In der Statistik des Fonds zeigt sich: An 70 Prozent der Handelstage resultieren kleine Verluste für den Fonds. Mehr als wettgemacht wird das durch die hohen Gewinne, die durchschnittlich an jedem zehnten Handelstag eingefahren werden. Seit Bestehen des Fonds wurde noch kein Kalenderjahr im Minus beendet, egal ob die Aktienmärkte in der Hausse waren oder in der Finanzkrise unterzugehen drohten. Vor allem auf der Verlustseite bedingt das absolute Disziplin. «Wenn ein Trade gegen mich läuft, dann gibt es nur eins: raus!», sagt Schreiber.

Mit ihrem Fonds können die Händler von Swiss Hedge Capital auf steigende und auf fallende Kurse setzen – fachsprachlich können sie long und short gehen. Nachrichten, Handelsvolumen, Geldflüsse und Chartanalysen werden unter anderem als Inputfaktoren verwendet. «Wenn etwa die Nachricht kommt, dass eine Firma eine Klage am Hals hat, dann kann es sein, dass wir dort auf fallende Aktienkurse setzen», sagt Schreiber. Bevor allerdings gehandelt wird, muss definiert werden, was es kosten darf, wenn der Trade schiefgeht, wenn also die Aktie entgegen der Einschätzung des Händlers steigt. Diese Limite wird strikt eingehalten.

«Wenn ein Trade gut läuft, dann hat der einzelne Händler dagegen mehr Freiraum, wann er verkauft», sagt Andreas Zehnder, der zweite Gründungspartner bei Swiss Hedge Capital. «Wenn ich eine Novartis-Aktie bei 53 Franken kaufe und sie auf 54 steigt, dann kaufe ich eventuell sogar noch mal doppelt so viel dazu, wie ich schon gehalten habe», ergänzt er. Gleichzeitig würde er aber wahrscheinlich das Verkaufslimit (Stop Loss) nach oben ziehen. «Steigt die Aktie weiter, dann verkaufe ich einen Teil und sichere einen Teil der Gewinne», erklärt Zehnder das mögliche weitere Vorgehen.

Auf einige Jahre Erfahrung können auch Michel und Jean-Evrard Dominicé zurückschauen. Die beiden Cousins aus Genf führen mit dem Fonds Cassiopeia den besten Hedge Fund im 
BILANZ-Rating.

Die Performance ist beeindruckend, und geradezu imposant ist die Konstanz: Seit dem Jahr 2004 hat der Fonds jedes Jahr positive Renditen erwirtschaftet. Selbst im schlechtesten Jahr (2007) erzielte er noch eine Performance von 5,5 Prozent. Im laufenden Jahr ist der Fonds bereits 12,5 Prozent im Plus.

Nervosität der Anleger nutzen

Das Geschäftsmodell der Cousins ist ein ganz anderes als bei Swiss Hedge Capital. Es basiert weniger auf einer disziplinierten Versuch-und-Irrtum-Methode, sondern der Erfolg der Genfer beruht anscheinend vielmehr auf einer einzigartigen Idee, mit der sie aus einer menschlichen Schwäche Rendite für ihren Fonds generieren können. «Wir nutzen aus, dass die Anleger Aktien meist aus einer kurzfristigen Perspektive bewerten», sagt Michel Dominicé. Das funktioniere, weil die Korrelation zwischen Kursniveau der Aktienmärkte und deren Volatilität (Ausmass der Kursschwankungen) negativ ist.

Diese negative Korrelation ist in der Finanzliteratur vielfach beschrieben und wird damit erklärt, dass die Anleger bei einem Kurssturz nervös werden und die Kursschwankungen entsprechend zunehmen. «Wenn die Korrelation minus eins wäre, also perfekt negativ, dann wäre unsere Strategie risikolos», sagt Michel Dominicé. Das ist sie aber nicht. Darum müssen die Cousins aus Genf auch Risiken managen, was sie gemäss ihrer konstanten Performance jedoch im Griff zu haben scheinen. Wie das genau funktioniert, scheint komplex zu sein, und bis ins letzte Detail wollen sich die Dominicés auch nicht in die Karten blicken lassen. «Sonst könnten wir kopiert werden», sagt Michel Dominicé.

Risiken zu managen, davon versteht Michael Stahel eine ganze Menge. Er führt zusammen mit einem sechsköpfigen Team den drittplatzierten Fonds der Bank Clariden Leu. Der Fonds ist dieses Jahr der beste Neuling unter den Top Ten.

Mit seinem Fonds ist Stahel in einem Spezialgebiet tätig. «Eigentlich sind wir ein kleiner Rückversicherer», sagt Stahel, der früher für die Swiss Re gearbeitet hat. Der Fonds übernimmt typische Versicherungsrisiken, wie Flugzeugabstürze und Naturkatastrophen. Dass er in den vergangenen zwölf Monaten eine leicht negative Performance hatte, liegt an den Ereignissen in Japan. «Die Kosten, die wegen Japan anfallen, haben wir inzwischen bereits verbucht, in dem Sinn liegt Japan hinter uns», sagt Stahel. «Auf der Prämieneinnahmeseite werden wir aber wohl noch eine Weile von Japan profitieren», ergänzt er. Wegen Japan seien die Preise für Versicherungsleistungen um 30 bis 40 Prozent gestiegen. «Für das laufende Jahr sind wir deshalb optimistisch in Bezug auf die Rendite – 
natürlich immer in Abhängigkeit von allfälligen weiteren Naturereignissen», sagt der Ökonom Stahel.

In seinem Team bei Clariden Leu befinden sich vor allem Statistiker im Naturgefahrenbereich, etwa Geologen und Physiker. Sie berechnen Eintrittswahrscheinlichkeiten von Ereignissen, wie bei einer richtigen Rückversicherungsgesellschaft. «Nur sind wir kleiner und deutlich agiler als die grossen Rückversicherer», sagt Stahel.

Insgesamt verwaltet das Team von Stahel mit verschiedenen Anlagevehikeln rund zwei Milliarden Franken. Der Fonds von Stahel ist der einzige Hedge Fund im BILANZ-Rating, der keine Performance Fee verlangt, sondern nur eine Verwaltungsgebühr von zwei Prozent. Allein damit steuert Stahels kleines Team aber einen erklecklichen Betrag zu den Einnahmen der Bank bei – geschätzte 30 Millionen Franken pro Jahr.

Lukrativ wird das Geschäft etwa ab einem verwalteten Vermögen von 50 Millionen Franken. Viel Erfahrung, Disziplin, eine einzigartige Idee und die Autorität auf einem Spezialgebiet sind Faktoren, die den Weg dorthin ebnen.Dieser Weg ist aber auch dann noch steinig. Denn 90 Prozent der Neugelder fliessen zu den grossen Fonds, die bereits mehr als fünf Milliarden Franken verwalten. Diese Realität erklärt sich teilweise daraus, dass die Hedge-Fund-
Investoren eigene Karriererisiken managen: Der Grossteil der Gelder, die in Hedge Funds fliessen, kommt von sogenannten Funds of Funds (FoF).

Deren Aufgabe ist es, die besten Hedge-Fund-Manager für ihre Kunden auszuwählen. Investieren sie in einen kleinen, wenig bekannten Hedge Fund, dann ist der Schaden für ihre Karriere gross, falls nicht die gewünschten Ergebnisse resultieren. Bei der Investition in einen Grossen ist der Karriereschaden dagegen begrenzt, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Mitbewerber – andere Funds of Funds – auch investiert haben.

Im Gegensatz zum Hedge-Fund-Geschäft ist die Schweiz bei den FoF eine Weltmacht aus Tradition: Schon vor über 40 Jahren fingen Genfer Privatbanken an, Hedge Funds auszuwählen und in sie zu investieren. Sie erkannten frühzeitig das Potenzial dieser Dienstleistung.

Allerdings sind die Kundengelder schon einfacher aus dem Ausland in die Schweiz geflossen. Etwas mehr Förderung der Hedge Funds in der Schweiz könnte vielleicht nicht gerade für ein neues Standbein, aber mindestens für mehr Innovation in der Schweizer Finanzindustrie sorgen. Bedenklich ist jedenfalls, dass die Hedge Funds in Schweden mehr Vermögen verwalten als die Schweizer.