Es hätte genauso gut die Geschichte eines Scheiterns werden können. «Ich war nie ein guter Schüler», erinnert sich Yarom Ophir. Zudem beendete er das College in Boston just in jenen Jahren, als geniale Köpfe wie David Filo oder Jerry Yang Yahoo und andere die Goldgruben des 21. Jahrhunderts kreierten und Exzellenz sich über Figuren wie das Junior-Banking-Genie David Solo definierte. Keine gute Zeit für das Gros der intellektuell Unauffälligen.

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Doch führen viele Wege zum Erfolg: Beim Schweizer Jungunternehmer Yarom Ophir war es die unbändige und fast kindische Liebe zu Lastwagen. «Wenn ich auf der Autobahn fahre und vor oder neben mir einen grossen Lastwagen sehe, bin ich noch immer jedes Mal begeistert», sagt Ophir und seine Augen glänzen, als wären die Strassenelefanten Maseratis.

So wurde schliesslich aus dem subalternen Buchhalter bei der Unternehmensberatung PricwaterhouseCoopers in New York einer der bedeutendsten Müllmänner der Schweiz. Ophirs 2003 gegründetes Genfer Unternehmen, die Aktenvernichterin Katana, wird dieses Jahr 2500 t Papier schreddern und hat vier Lastwagen im Fahrzeugpark. Letztere machen Katana (japanisch: scharfes Schwert) in der Schweiz einzigartig: Mit den Spezialfahrzeugen geht die Firma, anders als die Konkurrenten, direkt zu den Kunden und zerstört Akten vor Ort unter ihrer Aufsicht. Die Praxis der mobilen Aktenvernichtung ist erst in den USA oder in Kanada verbreitet. «Mir war klar, dass ich ohne Abschluss mit Auszeichnung selbst etwas unternehmen musste, da mir die glorreiche Karriere in einem renommierten Unternehmen wohl für immer verwehrt bleiben würde», sagt Ophir. Den letzten Ruck habe ihm sein Corporate-Finance-Lehrer an der Boston University School of Management gegeben. «Er hat uns eingetrichtert: ‹Wenn Ihr Unternehmer werden wollt, dann müsst Ihr es tun, statt bloss darüber nachzudenken. Und Ihr müsst es machen, bevor Ihr eine Familie habt. Denn danach werdet Ihr keine Risiken mehr eingehen wollen›.»

Also ging Ophir, knapp 27-jährig, hin und versuchte sich - wieder zurück in seiner Schweizer Heimat - im Mineralwassergeschäft, wie sein Vater. Aber abgesehen von der Tatsache, dass die Lastwagen ihm zu klein waren, kam der Jungunternehmer auch einige Jahre zu spät für das grosse Geld. Zu Beginn des neuen Jahrtausends war das Wasserbusiness bereits ein hart umkämpfter Verdrängungsmarkt.

So suchte der Camionphile ein Geschäft mit weniger Konkurrenz - und mit grösseren Lastwagen. «Damals tummelten sich alle in smarten Geschäftsfeldern. Müll gehörte nicht dazu», so Ophir. Auf die Idee mit dem Schreddern war er bei PricewaterhouseCoopers gekommen, als er sich mit den nachrichtenlosen Vermögen bei Schweizer Banken beschäftigte und monatelang Papier durch den Aktenvernichter jagen musste.

Es brauchte nur noch einen Auslöser. Dieser kam einige Jahre später. «Auf einer Party erzählte jemand von einem Kollegen, der in Belgien eine Schredder-Firma habe und damit ein Riesengeschäft mache», erinnert sich Ophir. Tatsächlich wächst der Papierkonsum paradoxerweise wegen der zunehmenden Digitalisierung jährlich um rund 15% - die E-Mail-Flut führt dazu, dass immer mehr Personen Texte ausdrucken. Der Aktenvernichtungsmarkt ist demgegenüber noch unterentwickelt und verzeichnet bloss Wachstumsraten von knapp 1%.

Schönes, selbst im Schrecklichen

Nach einer Marktstudie war klar: Ophir würde starten. Wie schon beim Mineralwasserversand Blue Stream, der später von Danone gekauft wurde, tat er sich mit seinem Halbbruder Siddik Apaydin zusammen. «Ich hätte nie allein ein Geschäft gründen können. Doch Vertrauen ist essentiell, wenn man einen Geschäftspartner hat. Wir teilen uns unsere Mutter. Es gibt nichts, was noch stärker das Vertrauen fördert», erklärt er.

Diese Mutter - Irith - war es auch, die den beiden Männern von klein auf die Grundwerte ihres unternehmerischen Handelns einimpfte. «Schaut bewusst auf die schönen Seiten des Lebens. Sie existieren selbst in den schrecklichsten Momenten», pflegte sie zu sagen. Denn das Schreckliche war stets allgegenwärtig bei der israelischen Familie, die 1952 in die Schweiz emigrierte.

Ins Blut übergegangen ist dem Spross deshalb auch die Lebensweisheit seiner Grossmutter Ruth: «Dinge können einem so rasch genommen werden, wie man sie bekommen hat.» Bestand haben nur innere Werte, die Ausbildung und die Erlebnisse. Erlebnisse wie die Patrouille des Glaciers, das mörderischste Skitouren-Rennen der Welt. Es führt über 4000 Höhenmeter von Zermatt nach Verbier: «Daran teilzunehmen war der schönste Moment meines Lebens», sagt der Schredder-Experte.

Hier - wie auch bei den 42 km langen Marathons, die er regelmässig rennt - holt sich der Startup-Gründer die Kraft, um Unternehmer zu sein. «Zu Beginn ist es immer lustig. Man hat Spass. Dann beginnt man zu leiden und sich zu fragen, was man hier überhaupt tut. Und zuletzt kommt der Erfolg des Finishens», erklärt er.

Der Glaube ans Peter-Prinzip

Vielleicht ist Katana jetzt bei Kilometer 25 angekommen. In den vergangenen Jahren ist das Unternehmen auf 1600 Kunden angewachsen und an den beiden Standorten Zürich und Genf vertreten. Anfang 2009 ist Katana in Portugal gestartet. «Wir hatten bereits Geschäftsbeziehungen im Land. Das nutzten wir, um Fuss zu fassen. Denn ohne Klienten und Mund-zu-Mund-Propaganda läuft in diesem Geschäft gar nichts», so Ophir.

Für ihn ist deshalb auch klar, dass Portugal nicht der normale Weg für Auslandsaktivitäten sein wird. Sollte Katana weiter wachsen, kämen zusätzliche Expansionen nur über Akquisitionen in Frage - also den Einkauf von bestehenden funktionierenden Strukturen. Denn blindes Risiko ist nicht die Welt des jungen Unternehmers. «Man muss kalkulierte Risiken eingehen, um etwas zu erreichen», meint er. Dazu gehört es auch, trotz Erfolg am Boden zu bleiben und die Grenzen des eigenen Tuns zu erfahren. Das Shredder-Unternehmen funktioniere nur, weil sein Halbbruder und Geschäftspartner über die nötigen technischen Kenntnisse verfüge.

«Man braucht Expertise bei dem, was man tut. Wenn die Menschen nicht mehr genau wissen, womit sie sich beschäftigen, dann endet es wie aktuell in der Wirtschaft», ist er überzeugt. Um nicht abzuheben, hilft dem Genfer Aktenvernichter die Natur. In den Bergen zu klettern, lehre einen, bescheiden zu bleiben. «In dieser Umgebung muss man stets einen kühlen Kopf bewahren. Denn die Natur ist immer mächtiger als der Mensch», so seine Erfahrung.

Vertrauen schaffen

Bescheidenheit lebt Ophir auch bei seinem Geschäft: «Small ist wieder beautiful», sagt er. Er wolle deshalb auf grössenwahnsinnige Expansionsaktionen verzichten. Im Zentrum der Bemühungen steht hingegen in den nächsten fünf Jahren, die Position von Katana als nationalem Player in der Schweiz zu festigen. Tatsächlich ist Katana heute neben den beiden grossen Konkurrenten Datarec oder Reisswolf noch ein Zwerg. Letztere schreddern in einem Monat so viel wie Katana in einem Jahr. In der Schweiz werden jährlich rund 25000 t Papier vernichtet.

Wachsen kann in diesem Business nur, wer es schafft, Vertrauen zu schaffen. «Ein Empfehlungsbrief ist viel mehr wert als eine Werbeanzeige», sagt Ophir. Ein altmodischer Wert, der jetzt auch im Finanzwesen wieder an Bedeutung gewinnt, ist deshalb für ihn zentral: Integrität. Deshalb prüft der Shredder-Unternehmer nicht nur den Strafregisterauszug seiner Angestellten, sondern auch ihre familiären Verhältnisse und den Drogenkonsum.