Bonuskarten boomen in der Schweiz. Summiert man die Anzahl an Kundenkarten, die Schweizer Einzelhändler nach eigenen Angaben ausgegeben haben, besitzt jeder mindestens eine solche Karte. 2,8 Millionen Schweizer Haushalte nutzen allein die Cumulus-Karte des Unternehmens Migros. Konkurrent Coop zählt sogar 3,1 Millionen Mitgliedshaushalte seines Bonusprogramms Supercard. In Zukunft dürften immer mehr Firmen nachziehen. Denn Bonussysteme versprechen, einen langgehegten Traum der Handelskonzerne zu erfüllen: Das Kaufverhalten eines Kunden sowohl im Laden als auch im Internet beobachten zu können. Das könnte Wirklichkeit werden, wenn sich die Teilnehmer von Bonusprogrammen digital registrieren, etwa über eine Smartphone-App. «Alle Unternehmen, die ernsthaft Kundenbindungsprogramme betreiben, arbeiten an einer Treuekarte für das Handy», beurteilt Ralf Wölfle, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Nordwestschweiz, den Markt. Das Geschäft mit Prämien gegen Daten wird digital.

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Wie sehr sich Einzelhändler diesen Schritt wünschen, zeigt der E-Commerce-Report für die Schweiz, den Wölfle einmal im Jahr publiziert. Die Forscher befragten 34 Geschäftsführer und E-Commerce-Verantwortliche aus Schweizer Unternehmen. Laut der Studie glaubt die Mehrheit der Befragten, dass ein stationärer Händler mit dem Zusammenspiel aus Online- und Offline-Geschäft, einer sogenannten Cross-Channel-Strategie, seinen Umsatz steigern könne. Allerdings sieht über die Hälfte der Befragten dabei das Problem, dass sich das Kundenverhalten nicht kanalübergreifend beobachten, der Erfolg sich also nicht kontrollieren lässt. Digitale Bonusprogramme könnten die Wissenslücke zwischen Online- und Offline-Einkäufen schliessen – und Händlern so die nötigen Einblicke in das Konsumverhalten ihrer Kunden gewähren.

Target in der Kritik

Dass diese neuen Möglichkeiten immer wieder auf Irritation stossen, zeigen Beispiele aus den Vereinigten Staaten von Amerika: Der amerikanische Einkaufszentrumsbetreiber Target geriet 2012 stark in die Kritik, weil seine Datenanalyseverfahren von Prämienprogrammen viel zu genau waren. Sie ermöglichten es, anhand der Einkäufe zu bestimmen, ob eine Kundin schwanger war – teilweise bevor die Kundin es wusste. Die Target-Analysten fanden nämlich heraus, dass Kundinnen, die schwanger sind, grössere Mengen Hautcreme ohne Duftstoffe und in den ersten 20 Wochen der Schwangerschaft mehr Nahrungsergänzungsmittel kaufen. Solche Kundinnen erhielten darauf Werbung für Babyprodukte, viele klagten dagegen. In der Schweiz wird dies so nicht möglich sein. Zum einen wegen des strengeren Datenschutzes. Zum anderen, weil sich über keine Karte der einzelne Nutzer identifizieren lässt. Aber das Beispiel zeigt, was Grosskonzerne theoretisch mit Kundendaten anfangen können.

Ob sich Kunden für kanalübergreifende Treueprogramme im grossen Stil begeistern lassen, hält E-Commerce-Experte Wölfle bislang jedoch für fraglich. Wenn Unternehmen verfolgen wollen, wann und wie oft Kunden ins Geschäft kommen und was sie in der Zwischenzeit online gekauft haben – was technisch über die GPS- und WLAN-Peilung vieler Handys möglich ist – dann müssen Kunden aktiv einwilligen, resümiert Wölfle. «Auf die richtigen Anreize und eine geschickte Kommunikation kommt es an.»

Nur Punkte und Prämien zu verteilen, reicht da laut Wölfle nicht mehr. Das zeigt auch eine Untersuchung der Global Hotel Alliance (GHA), eines Zusammenschlusses internationaler Hotelketten. Die GHA fragte weltweit Hotelgäste, was diese sich von Bonusprogrammen wünschten. Das Ergebnis: Die Gäste hatten die Punkte satt, sie wollten endlich als Individuen wahrgenommen werden. GHA entwickelte daraufhin ein neues Treueprogramm. Der Hotel-Verbund ersetzte Prämien und Rabatte durch besondere Events, Gäste konnten zum Beispiel einen Tag mit Pandabären in Hongkong verbringen. Binnen kurzer Zeit wuchs die Teilnehmerzahl stark an. Auch Schweizer GHA-Hotels bieten solche Events. Exklusive Angebote, sagt Experte Wölfle, könnten ein Anreiz sein, etwa Produkte, die es im Standardsortiment nicht gibt. «Spiele und spezielle Events können persönliche Anreize schaffen», sagt Wölfle. «Auch das Club-Konzept lebt in lockerer Form neu auf.» Nach diesem Prinzip hat etwa das Unternehmen Coop jüngst die «Mondovino»-Weinwelt geschaffen. Dort bietet das Unternehmen Ratgeber, Veranstaltungen und Magazine, bei denen sich Weintrinker exklusiv mit ihrem Hobby beschäftigen können. Dafür müssen sie nur ihre Daten preisgeben.

 

Kampf um Treue: Trends bei Bonusprogrammen

Neue Player
Neben etablierten Handelsunternehmen drängen auch neue Player auf den Bonusprogramm-Markt in der Schweiz. Seit Ende vergangenen Jahres ist etwa der Internetdienstleister Poinz in der Schweiz vertreten, der sich auf digitale Treuekarten von Kleinstunternehmen wie Bäckereien und Dönerbuden spezialisiert hat. Anstatt eine Rabattkarte stempeln zu lassen, werden Treuepunkte auf dem Smartphone gutgeschrieben. Das soll praktischer sein, als Dutzende Treuekarten mit sich herumzuschleppen.

Digitales Zahlen
Auch die Aduno-Gruppe, ein Unternehmen, das sich auf bargeldloses Bezahlen per Kreditkarte spezialisiert hat, bietet seit Frühjahr dieses Jahres ein neues Treuepunkte-System namens Surprize an. Laut Unternehmensangaben haben sich schon rund 1 Million Kreditkartenhalter für das Bonussystem angemeldet. Aduno ist dabei nur Vermittler: Der Anbieter setzt auf Partnerunternehmen wie Tankstellenbetreiber, Kekshersteller und Unterwäscheläden. Für sie verwaltet Aduno die Kundendaten und wertet sie aus. Punktesammler lockt das Unternehmen mit personalisierten Sonderangeboten. Auch digitale Portemonnaies, sogenannte Smart Wallets, könnten bei der kanalübergreifenden Analyse von Kunden- und Einkaufsdaten zukünftig helfen. Das bargeldlose Bezahlen, etwa über den von mittlerweile mehreren Smartphones unterstützten Datenstandard NFC, ist allerdings noch nicht weit verbreitet.