Ungerührt von den hitzigen Debatten über getürkte Matches macht der Maestro seit dieser Woche wieder das, was er am besten kann: Er spielt Tennis und verdient Geld, viel Geld. In seinem ersten Grand-Slam-Spiel in diesem Jahr bodigte Roger Federer am Montag am Australian Open in Melbourne den unterklassigen Georgier Nikoloz Basilashvili diskussionslos in drei Sätzen und liess dem Gegner nur gerade fünf Games. Gegen den Ukrainer Alexandr Dolgopolov, immerhin die Nummer 35 der Weltrangliste, sah es am Mittwoch ähnlich aus: Federers Gegner hatte nicht den Hauch einer Chance. Auch in der 19. Saison als Profi bleibt der Maestro das Mass aller Dinge – auf und neben dem Court, als Sportler und als Geschäftsmann. 

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Roger Federer, der im Tennis praktisch jeden Rekord gebrochen hat, wird dieses Jahr wohl einen weiteren Rekord realisieren. Er wird als erster Spieler die Marke von 100 Millionen Dollar an erspielten Preisgeldern übertreffen. Bis Ende 2015 hat er exakt 97'303’556 Dollar eingenommen, dieses Jahr sind bis Mitte dieser Woche 37’900 Dollar hinzugekommen. Die Summe entspricht dem Doppelten dessen, was Andre Agassi und Pete Sampras während ihrer Karriere verdient haben – und es ist viermal mehr, als Boris Becker erspielt hat. Federer, der in der letzten Saison seinen tausendsten Sieg als Profi gefeiert und seinen zehnten Wimbledon-Final absolviert hat, ist auch finanziell eine Legende – er ist der Meister im Sportbusiness.

Mehr als 50 Millionen Dollar pro Jahr

Im Laufe seiner Karriere ist der heute 34-Jährige zu einer Geldmaschine geworden. Seit mehreren Jahren übersteigt sein Jahreseinkommen 50 Millionen Dollar. Im vergangenen Herbst schätzte das US-Magazin «Forbes» die Einkünfte des Schweizers für den Zeitraum von September 2014 bis September 2015 auf 67 Millionen Dollar. Damit rangiert Federer unter den zehn bestbezahlten Sportlern der Welt – und kassiert mehr als alle anderen in den Top 10 gelisteten Schweizer Profisportler zusammen (siehe Bildstrecke oben).

Roger Federer agiert auf Augenhöhe mit Fussball-Weltstars wie Christiano Ronaldo oder Lionel Messi und übertrifft selbst US-Basketball-Grössen wie LeBron James oder Kobe Bryant. Einmalig auf einem anderen Einkommensplaneten bewegten sich 2015 nur die Boxer Floyd Mayweather und Manny Pacquiao, die dank einer Gewinnbeteiligung an der Pay-TV-Übertragung ihres Kampfes zusammen 250 Millionen Dollar erhielten. 

Roger Federer als Marke

Federer, der als Sportler nichts verdient, wenn er nicht spielt, taucht allerdings nicht deswegen auf der Liste der reichsten Sportler auf, weil die Preisgelder im Profitennis mit den Löhnen für Spitzenfussballer mithalten könnten. Auch die sogenannten Antrittsgagen – Prämien für die Teilnahme an bestimmten Turnieren – lassen Federers Einnahmen nicht explodieren, die Davis-Cup-Tantiemen schon gar nicht. Es ist vielmehr sein Status als globale Marke, der Federer in eine andere finanzielle Sphäre katapultiert. Die Geldmaschine des vierfachen Familienvaters läuft vor allem neben dem Tennisplatz zu Höchstleistung auf.

Die Sponsoren machen rund zwei Drittel seiner Einkünfte aus – und garantieren Federer ein ziemlich konstantes Spitzeneinkommen. Momentan hat Federer zehn Sponsoren: Der US-Sportartikelgigant Nike berappt rund 10 Millionen Dollar pro Jahr, um mit Federer werben zu können. Der Schlägerhersteller Wilson zahlt dem Schweizer 2 Millionen Dollar und der Champagnerproduzent Moët & Chandon knapp 7 Millionen Dollar. Die Uhrenmarke Rolex entlohnt Federer als Markenbotschafter mit geschätzten 1,5 Millionen Dollar und der Kaffeemaschinenbauer Jura mit gut 2 Millionen. Der Credit Suisse wiederum ist die Zusammenarbeit mit dem globalen Sympathieträger Federer rund 2 Millionen Dollar wert. Hinzu kommen Verträge, über deren finanzielle Details nicht einmal spekuliert wird: Mercedes, Lindt, der Privatjet-Vermittler Netjets und der Telekomanbieter Sunrise schmücken sich ebenfalls mit Federers gutem Namen. Der bis Ende 2016 laufende Vertrag mit der Versicherung Nationale Suisse, der aufgelöst und für den Rest des Jahres an die Helvetia übertragen wurde, ist pendent. 

 

Hohe Antrittsgage

Während Sponsoren mit Federer klotzen, können die Turnierdirektoren von B-Veranstaltungen bestenfalls kleckern. Die Antrittsgagen, welche die besten Spieler für die Teilnahme an zweitklassigen Turnieren erhalten, machen 15 bis 20 Prozent der Einkünfte von Roger Federer aus. Je nach Jahr übertreffen diese bisweilen das leistungsabhängige Preisgeld. Doch auch hier gibt es Federer – und den Rest. Lange kursierte in der Tenniswelt das Gerücht, Federers Name auf dem Turnierplakat koste 1 Million Euro. «Organisatoren geben zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Euro aus – nur damit er kommt», schätzt Sportökonom Lionel Maltese, Dozent an der Universität Aix-Marseille und Professor an der Kedge Business School.  

 

Maltese weiss, wovon er spricht. Der ehemalige Top-Spieler unterstützt seit 15 Jahren die Organisation des Open 13 von Marseille, des Open de Nice Côte d’Azur und des WTA Brussels Open. Zusammen mit Turnierdirektor Jean-François Caujolle war Maltese 1999 einer der ersten, der Federer – damals 18-jährig – eine Gage für das Turnier in Marseille anbot. «Wir zogen ihn Sébastien Grosjean vor, notabene einem Einheimischen aus Marseille», erzählt Maltese. «Es handelte sich um 200 000 Euro über mehrere Jahre hinweg. Im Jahr 2001 erreichte er das Finale und gewann das Turnier 2003. 2004 kam er wegen einer Verletzung nicht und gab seine Antrittsgage zurück. Ich kann Ihnen versichern: Das ist sehr selten. Vor kurzem haben wir versucht, Federer wieder am Turnier zu haben. Er hat uns einen Preis von 850’000 Euro vorgeschlagen, aber das hätte unser finanzielles Gleichgewicht gefährdet. Schliesslich spielte er das Turnier von Rotterdam.» Zum Vergleich: Stan Wawrinka, der seit einigen Jahren spielerisch mit Federer mithalten kann, wird im Februar in Marseille antreten – für 400’000 Euro.

Wie es um Federers Einnahmen nach dem Ende seiner Karriere steht, ob die Credit Suisse dann weiterhin zu ihrem Aushängeschild stehen wird und warum das Tennis-Ass bald die Rolex-Strategie mitdefinieren kann, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Handelszeitung. Da steht auch, warum «King Roger» bis vor wenigen Monaten nie vergass, sich auf dem Court glatt rasiert zu zeigen.

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