Wie hart geht es beim Investmentbanking der grössten Schweizer Bank zu? Einen Einblick in Tagesablauf und Gewohnheiten hat nun der Präsident der Einheit in einem Interview mit der britischen «Financial Times» gegeben. Die Finanzzeitung besuchte Andrea Orcel in seinem weitläufigen Büro in der Londoner City.

Laut Bericht gilt der Italiener als einer, der Mitarbeiter selbst mitten in der Nacht anruft. Einige profilierte Banker verliessen seit Orcels Amtsantritt im Juli 2012 die Bank, andere kamen hinzu, schreibt die Zeitung. «Ja, ich bin nicht einfach, ja, ich bin sehr fordernd», wird Orcel zitiert. Er versuche nichts von seinen Mitarbeitern zu fordern, was er nicht auch selbst tun würde.

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Wochenende und Ferien – Fehlanzeige

Und das ist offenbar sehr viel. Rekruten fragten ihn schon mal, ob die UBS junge Banker anhält, ein Mindestmass an Ferien zu nehmen oder das Wochenende nicht mit Arbeit zu verbringen. «Meine Antwort dazu war nein», so der 51-Jährige laut «FT».

Die Antwort kommt umso überraschender als einige Geldhäuser – auch die UBS selbst – nach dem Tod des 21-jährigen deutschen Praktikanten Moritz Erhardt bei der Bank of America im Sommer 2013 ihre Massstäbe für Jungbanker nach unten geschraubt haben sollen. Dazu gehört unter anderem, dass Juniorbanker früher ihre Position wechseln und gegebenenfalls mehr verdienen können.

Branche nach dem Tod eines Praktikanten alarmiert

Institute wie die Credit Suisse setzen offenbar darauf, ihren jungen Rekruten ein höheres Fixsalär zu bezahlen. Bei der Bank of America sollen junge Mitarbeiter zumindest an vier Wochenendtagen im Monat nicht arbeiten. Auch bei der UBS gibt es vergleichbare Richtlinien.

Die Bank selbst teilt auf Anfrage mit, dass der Bericht in der «FT» das Thema verkürzt darstelle. Man biete attraktive Arbeitsbedingungen und halte sich strikt an die Arbeitsgesetze. Doch die Gesetze des riskanten, oft aber sehr gewinnträchtigen Sektors gehen auch an der Schweizer Bank nicht vorbei: Es gibt im Investmentbanking der UBS keine forcierte Kultur, dass Mitarbeitende nicht am Wochenende arbeiten dürfen.

Investmentbanker verdiente mehr als Konzernchef

Als Präsident des Investmentbanking ist Andrea Orcel der Starbanker bei der UBS. Das zeigte sich im Vergütungsbericht: Mit 11.43 Millionen Franken war Orcel 2013 der bestbezahlte Mitarbeiter – noch vor Konzernchef Sergio Ermotti.

Seine ambitionierten Karriereziele unterstrich der Mann, der am Donnerstag 52 Jahre als wird, im Interview ebenfalls. Ob er einmal selbst eine Bank führen wolle, fragte die «FT» den Italiener. «Natürlich» wolle er das, so Orcel. Und: «Wenn ich der CEO von irgendeiner Bank auf der Welt sein könnte, wäre die UBS ein guter Ort damit zu starten.» Das Unternehmen sei «aussergewöhnlich».

Orcel über seine Führungsambitionen

Muss der Tessiner Geschäftsleiter Ermotti nun um seinen Job bangen? Fürs Protokoll: Die Überlegung sei gänzlich hypothetisch, so Orcel zur «FT». Er liebe seine derzeitige Rolle bei der Investmentbank. Und dies, obgleich seine Sparte seit 2012 drastisch gesunken ist. «Ich fühle mich, als ob ich meine eigene Bank leiten würde.» Dabei galt Orcel bereits als potenzieller CEO der in Schieflage geratenen italienischen Bank Monte dei Paschi.

Offenbar zweifelt laut der britischen Finanzzeitung bei der UBS aber so mancher Beobachter an Orcels Führungsqualitäten – weil er seine Kollegen angeblich schon mal mitten in der Nacht per Telefon aus dem Schlaf reisst.