Es war im November 2016, als ein bis dahin unbekannter Wikipedia-Autor den Eintrag von Johann Rupert änderte. Der Präsident des Luxusgüterkonzerns Richemont soll die südafrikanische Wirtschaft in Zeiten der Apartheid gemelkt haben, hiess es. Sein Reichtum basiere auf Ausbeutung von Schwarzen.

Fünf Tage lang waren die Vorwürfe online, dann wurden sie gelöscht. Richemont-Präsident Rupert intervenierte persönlich bei Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, der zum Freundeskreis des Schmuckmagnaten gehört, um die haltlosen Anschuldigungen entfernen zu lassen. Rupert erklärte ihm, dass er das Ziel einer perfiden Schmierkampagne sei, orchestriert von der britischen Public-Relations-Agentur Bell Pottinger.

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Schlammschlacht um Macht und Einfluss

Rupert war mitten in eine monatelangen Schlammschlacht um Macht und Einfluss in Südafrika geraten - mit dem besseren Ende für Rupert. Involviert waren auch Angehörige der südafrikanischen Präsidentenfamilie. Die britische Firma, die die Aktion angezettelt hat, war einst eine Ikone der PR-Industrie. Nun steht sie wegen der Fake-News-Sache vor dem Konkurs.

Zu den Glanzzeiten arbeiteten 300 Personen bei Bell Pottinger. Der Umsatz der Firma, die früher auch für Richemont arbeitete, belief sich auf über 50 Millionen Franken. Das entspricht in etwa dem Doppelten des Umsatzes von Farner Consulting, der grössten Schweizer PR-Agentur. Bell Pottinger hatte Niederlassungen überall auf der Welt - auch ein Office an der Genfer Rue du Général-Dufour.

Roche, die UBS und der Milliardär Ernesto Bertarelli sowie sein Team Alinghi gehörten zum Kundenstamm. Nun nehmen die Kunden Reissaus. Richemont hat Bell Pottinger wegen der Schmierkampagne gegen Rupert sämtliche Aufträge entzogen. Die Grossbank HSBC und das südafrikanische Geldhaus Investec ebenso. Die UBS arbeite nicht mehr mit dem Unternehmen zusammen, sagt eine Banksprecherin.

Ablenkungsmanöver für Gupta-Familie

Gleicher Wortlaut am Rheinknie: «Roche arbeitet in Basel und im Vereinigten Königreich nicht mit Bell Pottinger zusammen. In der Vergangenheit gab es eine projektbezogene Zusammenarbeit», so eine Sprecherin. Und Ernesto Bertarelli hat schon länger keine Geschäftsbeziehung mehr mit den Briten, wie sein Sprecher Jörg Neef mitteilt.

Die Schmierkampagne gegen Rupert nahm ihren Anfang im Januar 2016. Von der nach Südafrika emigrierten Gupta-Familie erhielt Bell Pottinger den Auftrag, ein Ablenkungsmanöver auszuhecken, um von den eigenen krummen Geschäften mit dem südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma abzulenken. Bell Pottinger wählte daraufhin Rupert als Zielscheibe einer Hasskampagne, die rassistische Ressentiments bediente und Rupert als weissen Kapitalisten darstellte.

Die Briten kreierten eine gigantische Fake-News-Maschinerie, wie eine Auswertung der südafrikanischen Zeitung «Sunday Times» zeigt. Sie schrieben 5000 Tweets, mehr als 3500 Facebook-Posts, kauften Werbung bei Google, Facebook und Twitter. Ihre Fake-Nachrichten wurden in den sozialen Medien mehrere hundertausendmal geteilt. Journalisten wurden mit falschen Storys gefüttert, Websites mit falschen Nachrichten gefüllt, Wikipedia-Einträge gefälscht. Für ihre Leistung zahlten die Guptas 100'000 britische Pfund pro Monat an Bell Pottinger.

Ruperts politische Eklats

Rupert war das ideale Ziel der Hexenjagd. Er ist weiss und schwerreich - die «Bilanz» schätzt sein Vermögen auf knapp 5 Milliarden Franken. Die von ihm kontrollierte Richemont-Gruppe hat ihren Sitz in Genf statt in Südafrika, wo der Konzern lediglich zweitkotiert ist. Und Rupert sorgt regelmässig für politische Eklats.

Wie sein Vater Anton Rupert, der Gründer der Richemont-Gruppe, der sich immer wieder gegen das Apartheid-Regime ausgesprochen hatte, wetterte Rupert wiederholt gegen führende Politiker in Südafrika. Dem Präsidenten Zuma legte er bereits nahe, sein Amt niederzulegen. Über den Rest der politischen Elite Südafrikas schimpfte er: «Die Leute, die das Sagen haben, haben keine anständige Ausbildung genossen. Überall sehen wir deshalb Stagnation und Korruption

Bell Pottinger am Ende

Die britischen PR-Leute schlachteten Ruperts politische Aussagen aus. Sie warfen ihm vor, heimlicher Strippenzieher zu sein, wenn Ministerposten besetzt wurden. Die Kampagne lief bis zum Frühsommer 2017. Dann flog sie auf. Die Briten entschuldigten sich öffentlich. Die für die Kampagne Verantwortlichen wurden entlassen, vor wenigen Tagen nahm der Chef von Bell Pottinger den Hut. Die Agentur sucht einen Käufer.

Im Gegenwind sind auch die Auftraggeber. Hunderttausende E-Mails aus dem Imperium der Gupta-Familie sind an die Öffentlichkeit gelangt. Sie zeugen davon, wie die indische Einwandererfamilie in Zusammenarbeit mit dem Sohn des Präsidenten Jacob Zuma die Hasskampagne gegen den Richemont-Präsidenten aufgleiste. Sie sind auch Beweis dafür, wie gross der Einfluss der Familie auf den Staat war. Längst ist am Kap die Rede von «state capture» - der Geiselnahme des Staates.

Undurchsichtige Geschäfte von Glencore und Liebherr

Eine investigative Journalistengruppe wertet die E-Mails aus. Ihre Recherchen zeigen auch, dass Schweizer Firmen undurchsichtige Geschäfte in Südafrika gemacht haben sollen. So wurde der Zuger Rohstoffkonzern Glencore unter Androhung einer staatlichen Millionenstrafe dazu gezwungen, eine Kohlemine zu verkaufen. Die Baufirma Liebherr wiederum soll Schmiergeld bezahlt haben, um an staatliche Aufträge zu kommen.

Konkret geht es um eine Summe von umgerechnet über 4 Millionen Franken, die als Gegenleistung für die Lieferung von Containerkränen geflossen sein sollen. Liebherr hat eine interne Untersuchung eröffnet, sagt ein Sprecher. Die Abklärungen seien aber noch nicht beendet. «Derzeit werden die letzten Prüfschritte auch mithilfe externer Unterstützung durchgeführt», so der Liebherr-Sprecher.

Guptas ziehen sich nach Lausanne zurück

Die Enthüllungen im Nachgang zur Anti-Rupert-Kampagne haben die Auftraggeber in ein derart schiefes Licht gerückt, dass zahlreiche Banken die Geschäftsbeziehungen beendet haben. Die Mitglieder des Gupta-Clans werden zusehends zu personae non gratae. Sie haben damit begonnen, einzelne Assets aus Südafrika abzuziehen. Fluchtburg ist ausgerechnet Lausanne - knapp 60 Kilometer entfernt vom Richemont-Sitz in Genf.

Hier residiert das Unternehmen Charles King, das vor einigen Tagen die von Glencore unter Druck verkaufte Kohlemine erworben hat. Charles King gilt als Strohfirma, der im Handelsregister eingetragene Gesellschafter lässt Fragen unbeantwortet. Pretoria hat angekündigt, die Vorgänge des Verkaufs genauer untersuchen zu wollen. Beim Bundesamt für Justiz ging bisher aber noch kein Rechtshilfeersuchen ein.