Immer wenn eine Firma in Afrika eine Schule baut, ihren Arbeitern nicht nur den Mindestlohn bezahlt oder in der Schweiz eine Oper finanziert, läuft das heute unter dem neudeutschen Begriff Corporate Social Responsibility (CSR). Durch soziales Engagement können Firmen ihr Image aufpolieren und gleichzeitig den Gewinn steigern, lautet das oft wiederholte Credo in vielen Chefetagen rund um den Globus. Bestärkt werden die Manager von unzähligen Studien, die belegen sollen, dass sich CSR auch für die Firmen selbst finanziell auszahlt.

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Die Mehrheit der Forscher in den Wirtschaftswissenschaften ist überzeugt, dass mit CSR eine klassische «win-win»-Situation geschaffen wird – bei der sowohl das Unternehmen als auch die Gesellschaft profitiert. Diese Vorstellung sei jedoch reines Wunschdenken, sagt nun Katja Rost, Professorin für Soziologie an der Universität Zürich. In einer jetzt veröffentlichten Analyse von 162 Studien zum Thema finden sie und ihr Kollege Thomas Ehrmann «keinen signifikanten Zusammenhang zwischen CSR und finanziellem Unternehmenserfolg».

Geistige Grundhaltung führt zu Manipulation

Weil die Mehrheit der Wissenschaftler aber an einen solchen Zusammenhang glaubt, fielen auch die Studien meistens wie von den Urhebern erwartet aus, so die Zürcher Forscher. Die voreingenommene Grundhaltung führt laut Rost dazu, dass Ergebnisse selektiv veröffentlicht oder solange manipuliert werden, bis das gewünschte Resultat steht.

«CSR bringt nicht nur Gewinn oder verbessert die Reputation, sondern erzeugt auch Kosten für das Unternehmen», so Rost. Unterm Strich habe soziales Engagement keinen Effekt, was auch der Theorie entspreche. Schliesslich könne man bei einem Geschenk im Gegenzug normalerweise nicht ein noch grösseres Gegengeschenk erwarten. Das sei aber die Auffassung, die Firmen hauptsächlich zu ihrem sozialen Engagement veranlasse, so Rost.

Publikationsfehler und schwammige Kriterien

Der positive Zusammenhang von Engagement und finanziellem Erfolg sei einzig auf die «einseitige Veröffentlichung positiver Resultate beziehungsweise auf Publikationsfehler zurückzuführen». Besonders problematisch ist offenbar die Messung der Reputation einer Firma. «Das Problem bei diesen Imagestudien ist der hohe Messfehler, da meist auch noch CSR auf Grundlage von Rankings gemessen wird», so Rost. Dies erzeuge oft eine starken Zusammenhang, «aber deshalb, weil wir Dinge nicht trennscharf wahrnehmen können».

Dass Unternehmen deshalb nicht einfach rücksichtslos oder gar kriminell handeln sollten, ist trotzdem klar. Im grössten Teil der einbezogenen Studien geht es nicht um Norm- oder Regelverstoss sondern um «zusätzliche» Beiträge des Unternehmens zur Gesellschaft, die über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgehen. «Wenn ein Unternehmen gegen Normen und Regeln verstösst, hat das nichts mit CSR zu tun, sondern fällt in die Kernfunktion der Geschäftstätigkeit und wirkt sich natürlich negativ auf den Geschäftserfolg aus», so Rost.

Öffentlichkeitswirksam statt notwendig

Dies sei indes auch schon so gewesen, als CSR noch kein Modebegriff war. Das Grundproblem des ständigen Auslotens von legalen Grenzen und nomadischen Firmen, die je in gesetzlich weniger streng regulierte Länder abwandern, existiert aber auch in den Zeiten von CSR weiter. Dabei müsse man berücksichtigen, dass viele Unternehmen CSR-Scheinfassaden aufbauten. «Sie machen oft, was am öffentlichkeitswirksamsten ist – aber nicht, was am notwendigsten ist.»

Mit der Globalisierung, dem Versagen des Nationalstaats und dem Machtzuwachs der Multinationals, sei es unvermeidlich, dass Firmen immer wieder ethische Grenzen ausloten oder überschreiten, so Rost. Einerseits seien die Firmen, die sich an Standards halten, im Nachteil und andererseits existierten kulturelle Unterschiede zwischen den Ländern weiter – und damit auch das Drohpotenzial von Unternehmen zur Auslandsabwanderung.

Auslöser für falsche Entscheidungen

Von CSR profitieren können Firmen nach der Untersuchung von Katja Rost und Thomas Ehrmann nur dann, wenn sie die ersten in ihrer Branche sind. So haben die sogenannten First-Movers im Bereich der Bioprodukte extrem profitiert, weil sie etwas Neues anbieten konnten, das von gewissen Konsumenten stark nachgefragt wurde. Je mehr mitmachen, desto geringer wird der Effekt und wenn es alle machen, verkehrt er sich sogar leicht ins Negative, so Rost.

«Die selektive Veröffentlichung von Untersuchungsergebnissen verfälscht wissenschaftliche Resultate, führt zur Fehlinformation der Öffentlichkeit und kann etwa Auslöser für falsche Entscheidungen sein», so Rost. Eine fairere und nachhaltigere Wirtschaft wird nach der neuen Studie durch CSR ebensowenig erreicht wie eine messbare Steigerung des Unternehmenserfolgs. Was bleibt, ist eine leere Worthülse.