Auf der obersten Geschäftsleitungsebene gibt es keine Mitarbeitenden, die Teilzeit arbeiten. Auf dem Management-Level sind es rund 6%. Gemessen an der Gesamt-Mitarbeiterzahl sind es 17,5%. Weitere Details kommunizieren wir nicht», teilt der Kommunikationsriese Swisscom lapidar mit. Als ob es sich um etwas Verwerfliches handeln würde, wenn jemand seine Arbeit reduziert.

Auch bei der UBS Schweiz heisst es trocken: «In der obersten Geschäftsleitung sitzt niemand, der teilzeitangestellt ist.» Hingegen arbeiten im oberen Kader 4% Teilzeit, das sind 98 stellvertretende Direktoren oder Direktoren. Im mittleren und unteren Kader der UBS Schweiz, also bei den Vizedirektoren und Prokuristen, sind es 12%. Davon sind 430 Männer und 797 Frauen. «Ab Stufe Vizedirektor sind Teilzeitpensen unter 80% selten, kommen aber im Job-Sharing vor», weiss die UBS-Sprecherin Eveline Müller-Eichenberger.

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Ein ähnliches Bild bei der ABB Schweiz: Auch hier gibt es auf der obersten Geschäftsleitungsebene keine Kaderangestellten, die Teilzeit arbeiten. Rund 10% aller Mitarbeitenden bei ABB Schweiz, das sind 6200 Personen, arbeiten Teilzeit - davon rund 25% aus dem unteren und mittleren Kader. Da ist die AXA Winterthur in bester Gesellschaft: «Von den zehn Geschäftsleitungsmitgliedern der AXA Winterthur sind null Frauen, und niemand arbeitet Teilzeit», weiss Christoph Müller, Leiter Human Resources. Die Liste ist nicht abschliessend.

«Auf Stufe Geschäftsleitung ist mir in den letzten zwölf Jahren kein einziger Teilzeit-Top-Kader begegnet», bestätigt Philippe Hertig, CEO des Kadervermittlers Egon Zehnder International in der Schweiz, ein Mann, der in den letzten zwölf Jahren viele Geschäftsleiter gesehen hat. «Der Anteil Teilzeiter im Top-Kader ist verschwindend klein und in Geschäftsleitungen von international tätigen, mittelgrossen und grösseren Unternehmen praktisch null. Das Angebot an Top-Kader-Teilzeitstellen ist bei externen Rekrutierungen inexistent.»

Nicht können und nicht wollen

Und wieso ist das so? Philippe Hertig: «Die Anforderungen ans Top-Kader sind in den letzten zehn Jahren massiv gestiegen. Getrieben von der weltweiten Informationsverfügbarkeit und -transparenz gehören hierzu die geforderte Schnelligkeit der Entscheidungsfindung, die quasi permanente Erreichbarkeit sowie die zunehmende Komplexität. Diese Ansprüche können in einem Teilzeitpensum kaum bewältigt werden.»

Sicher richtig - nur haben vor zehn Jahren, als es all diese neuen Anforderungen noch nicht gegeben hat, auch nicht mehr Top-Kader Teilzeit gearbeitet.

Gudela Grote, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH Zürich, sieht die Gründe für die Teilzeit-Abstinenz der männlichen Top-Kader denn auch anderswo: «Weil Führungskräfte oft so sehr in ihrer Arbeit verhangen sind, dass sie selbst gar nicht wirklich weniger arbeiten wollen. Und weil diejenigen, die es wollen würden, behindert werden von anderen, die sich selbst das Wollen nicht getraut haben.»

Da in diesen Sphären sowieso keine Wochenstunden und keine Blockzeiten vorgeschrieben sind, ist ein CEO per Definition ein 7x24-Stunden-Job. Was nebenbei gesagt für die meisten Jungunternehmer, Selbstständigen und Hausfrauen auch gilt.

Lukas Scherer, der Leiter des Instituts für Qualitätsmanagement und angewandte Betriebswirtschaft IQB-FHS der Fachhochschule St. Gallen, wollte es genauer wissen und hat seine jährliche Untersuchung bei den 1500 umsatzstärksten Firmen der Schweiz zur Weiterbildung im Kader (Bimax-Studie) ergänzt mit einer Erhebung zum Thema Teilzeit auf der Chefetage.

Demnach arbeiten bei den männlichen Führungskräften der Geschäftsleitungsebene 11,6% in einem Teilzeitmodell, bei den weiblichen Führungskräften sind es 22,4%.

Diese in Anbetracht der obigen Aussagen nun doch erstaunlichen Zahlen kommen deshalb zustande, weil in einer Geschäftsleitung nicht nur CEO sitzen, sondern auch Finanzchefs, Personalchefs, COO, CIO und wie sie alle heissen.

Obwohl auch bei diesen Teilzeit selten weniger als 70% heisst: 7,0% der männlichen Befragten waren zu 70-80% beschäftigt. «Mitglieder der Geschäftsleitung mit Teilzeitpensum begrenzen ihre Arbeitszeitreduktion in den meisten Fällen auf maximal 30%», hat Scherer erhoben. Bloss 2-3% arbeiten offiziell weniger als 50%.

Dabei ist ein normaler Top-Kader die meiste Zeit sowieso nicht verfügbar für sein direktes Umfeld, sondern macht das, was er am besten mag: Netzwerken, Reisen, Kontakten. Nicht nur zu Nutz und Frommen des Arbeitgebers, sondern ebenso, um an seiner eigenen Karriere zu schmieden, zu hobeln und zu feilen. Zwar ist er plusminus immer erreichbar, womit er gegen aussen seinen 100%-Status legitimiert, aber eigentlich ist er oft genug schlicht ein CEO auf Pikett.Der Outplacementberater Toni Nadig sieht aber auch die andere Seite: «In unserer Arbeit erleben wir Führungskräfte, die sich völlig fremdgesteuert wahrnehmen und scheinbar keine Zeit haben, sich auszuruhen, in Ruhe nachzudenken und die Zukunft aktiv an die Hand zu nehmen. Sie ersticken buchstäblich an der Herausforderung des Alltages, die sie nicht mehr im Griff haben. Kann so ein Mensch eine Firma erfolgreich durch einen Sturm führen?»

Frommer Wunsch bei Einsteigern

Und wünscht sich wirklich jemand so eine Karriere? Universum befragte 7740 Studierende in der Schweiz zu ihren Karrierezielen und Arbeitgeberpräferenzen. Unter neun Karrierezielen haben 55% der Schweizer Studierenden die Work-Life-Balance als den wichtigsten Faktor zur Wahl des ersten Arbeitgebers genannt. Europaweit zeigt sich dasselbe Bild. «Die Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Freizeit soll vom Unternehmen gewährleistet sein. Auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten möchten die Studierenden auf Lebensqualität nicht verzichten müssen.»

Ein frommer Wunsch; doch das Arbeitsleben erweist sich für die wenigsten als Wunschzettel, auf dem sie ihre Präferenzen ankreuzen dürfen. Viele Firmen bieten zwar offiziell die Möglichkeit zu Teilzeitpensen an - um als Arbeitgeber gerade auf Berufseinsteiger attraktiv zu wirken. Doch wer erst mal drin ist im Getriebe, kommt aus der Anspruchsspirale nicht mehr raus. Und je weiter oben, desto weniger. Gudela Grote umschreibt es so: «Teilzeitarbeit wird mit Teilcommitment gleichgesetzt - was es bis zu einem gewissen Grad ja auch ist. Umgekehrt wird für beruflichen Aufstieg ein 150%-Commitment erwartet, da passt Teilzeit-Commitment nicht ins Bild. Solange diese Erwartungshaltung der Firmen weiterbesteht, bleiben Angebote für Teilzeitarbeit halbherzig und werden entsprechend wenig genutzt.»

Und dies ist nicht nur Theorie, wie der EZI-Praktiker Hertig bestätigt: «Teilzeitarbeit und Top-Kader-Positionen sind de facto nicht kompatibel. Dies zeigt die heutige Realität. Den Teilzeit-CEO gibt es nicht und er wird in absehbarer Zukunft auch nicht geboren.»

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Aus der Bimax-Studie geht hervor: 28,2% der Befragten sind der Meinung, dass sich die Nachfrage nach Teilzeitmöglichkeiten bei den männlichen Kadern erhöhen wird, bei den weiblichen Kadern sind es 35%. Fragt sich nur, ob aus diesen je Top-Kader werden - bei diesem Commitment.