Ferienwohnungen in den Alpen: Darum sind Preise für Ferien-Immobilien explodiert

Die Nachfrage nach Ferienwohnungen in Schweizer Berggebieten ist explodiert. In einigen Regionen sind nur noch wenige Objekte auf dem Markt. «Bei uns gibt es nichts mehr, was wir verkaufen können», sagt etwa Kathy Berset Solioz. Die Präsidentin des Walliser Verbands für Immobilienagenturen führt Büros in Chandolin und St. Luc im Val d’Anniviers. Insgesamt ist das Angebot in den 125 Tourismusgemeinden der Schweiz so tief wie noch nie seit der Annahme der Zweitwohnungsinitiative im März 2012. Damals waren gemäss der Auswertung von Inseraten des Immobilienberatungsunternehmens Wüest Partner 9899 Ferienwohnungen ausgeschrieben. Danach wurden laut dem Immobilienexperten der UBS, Maciej Skoczek, in touristischen Gemeinden Neubauten bewilligt, die einem Anteil von 1,5 bis 4 Prozent des gesamten lokalen Wohnungsbestands entsprochen hatte: «Das führte zu einem Überangebot.» Verkaufsvolumen über 2 Milliarden Franken für Ferien-Immobilien Auch deswegen verharrte die Zahl der zum Verkauf ausgeschriebenen Zweitwohnungen in etwa auf dem hohen Niveau von 2012. Doch was noch letztes Jahr galt, ist nun Geschichte. Im September belief sich das Angebot auf 7608 Ferienwohnungen (siehe Grafik unten). Das sind 2828 weniger als im Vorjahr. Dieser Rückgang ist gemäss Robert Weinert von Wüest Partner mehrheitlich auf effektive Verkäufe zurückzuführen. Das entspricht einem Verkaufsvolumen von mehr als 2 Milliarden Franken, schätzt die Handelszeitung. Dazu kommen Hunderte von Millionen, die in Ferienhäuser investiert worden sind. Deshalb sei der Markt teilweise ausgetrocknet, sagt Weinert. So sind in den Tourismusorten im Kanton Graubünden lediglich 1,6 Prozent aller Wohnungen auf dem Markt. Das liegt weit unter dem langjährigen Durchschnitt in den Ferienregionen von rund 7 Prozent. Ungleichheit in den Alpen Andernorts ist das Angebot noch hoch. So gibt es allein in der Skistation Grimentz im Val d’Anniviers Dutzende von Objekten, die mehr als 1 Million Franken kosten. Doch dafür fänden sich kaum Käufer, sagt Maklerin Berset Solioz. Ihre aus der Romandie und der Deutschschweiz stammende Kundschaft suche entweder eine Drei- bis Vierzimmerwohnung für 300'000 bis 400'000 oder ein Chalet für höchstens 700'000 Franken: «Könnte ich aktuell so etwas anbieten, wäre es sofort weg. Selbst eine nicht renovierte Wohnung in einem Altbau.» Auch auf der anderen Talseite, in Crans-Montana, lassen sich gemäss Ferenc Till von Altitude Immobilier in erster Linie Objekte an guten Lagen absetzen, die nicht mehr als 2 Millionen Franken kosteten. Wegen der Annahme der Zweitwohnungsinitiative seien nur noch ältere Objekte auf dem Markt, sagt Till. Viele davon wollen Ausländer jetzt verkaufen. Für sehr Reiche sei die Schweiz nach dem Fall des Bankgeheimnisses unattraktiv geworden. Andere trennen sich von ihren Ferienresidenzen, weil die Kosten wegen des hohen Frankens stark angestiegen sind. «Das hat das Angebot aufgebläht», sagt Till. Im Wallis sind noch 8,7, im Waadtland 5,6 Prozent aller Wohnungen zum Kauf ausgeschrieben. In diesen Kantonen seien viele nicht renovierte Altbauten aus den 1970er-Jahren auf dem Markt, sagt UBS-Experte Skoczek: «Ein grosser Teil davon ist in der jetzigen Form unverkäuflich.» Im Kanton Tessin beläuft sich die Angebotsquote gar auf 12,2 Prozent. Dort wurden laut Skoczek in den letzten Jahren viele teure Objekte gebaut: «Das Angebot an Eigenheimen, die mehr als zwei Millionen Franken kosten, übersteigt die Nachfrage bei weitem. Das bringt man nicht einfach weg.» Doch wie überall in den Ferienregionen finden sich im Tessin wieder in allen Preislagen Käufer. «Auch für sehr luxuriöse Objekte, die 5 bis 10 Millionen Franken kosteten», bestätigt Horst Zimmermann von Zimmermann Immobilien Consulting in Ronco sopra Ascona (TI): Selbst die nach dem Fall des Bankgeheimnisses weitgehend weggebrochene deutsche Kundschaft sei wieder da: «Sie macht bei uns aktuell fünf Prozent der Käufer aus. Der Rest sind Schweizer.» Superreiche zahlen «Superpreise» für Ferien-Immobilien In der Region um Lugano suchen zunehmend Italiener, Russen und Personen aus dem arabischen Raum eine luxuriöse Immobilie als Erstwohnsitz. Simon Incir von Engel & Völkers hat mehr als 15 solcher Kunden mit einem Budget von mehr als 10 Millionen Franken: «Sie wollen nicht nur wegen des angenehmen Klimas hierhin zügeln, sondern auch wegen der politischen und finanziellen Stabilität.» Für das, was gefragt ist, liessen sich «Superpreise» erzielen, jubilieren Makler. So würden auf der Lenzerheide (GR) für Top-Immobilien bis 30'000 Franken pro Quadratmeter Wohnfläche bezahlt, was einer Preiserhöhung von 20 bis zu 25 Prozent gegenüber 2019 entspreche, sagt Sascha Ginesta, Geschäftsstellenleiter Graubünden des gleichnamigen Immobilienmaklers: «Wir hätten vor der Corona-Krise nie gedacht, dass solche Preise zu erzielen sind.» Der seit 2010 von Wüest Partner ermittelte Index der Transaktionspreise für Ferienwohnungen ist innert einem Jahr um 14,6 auf ein Allzeithoch von 137,1 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Nach der Annahme der Zweitwohnungsinitiative dauerte es vier Jahre, bis die Preise um 11 Prozent nach oben kletterten. Danach sanken sie bis Ende 2018 um rund 10 Prozent. Zwei Faktoren haben den Markt für Ferienwohnungen gedreht Den Markt gedreht haben zwei Faktoren. Wegen der Annahme der Zweitwohnungsinitiative dürfen kaum neue Zweitwohnsitze gebaut werden. Die Corona-Krise befeuerte die Nachfrage. Daher erhöhte sich die Zahl von Suchabos nach Eigentumswohnungen auf Immobilienportalen in Tourismusgemeinden laut den Beratungsfirmen Realmatch 360 und Wüest Partner innert einem Jahr um knapp 30 Prozent auf 4800. Den zweithöchsten Anstieg von 16,3 Prozent verzeichnen ländliche Gemeinden. Gesunken ist das Interesse an Objekten in Grossstädten und deren umliegenden Agglomerationen. «Leute aus der Stadt suchen vermehrt ein Feriendomizil auf dem Land», bestätigt Makler Marcel Bach, der in Gstaad tätig ist. Diese Zweitwohnsitze würden auch anders genützt: «Statt für zwei mehrwöchige Aufenthalte pro Jahr reisen deren Besitzer nun mehrere Male für ein verlängertes Wochenende an.» Zudem kämen vermehrt jüngere Familien mit Kindern nach Gstaad, die auch im Sommer hier sind, sagt Bach: «Der Ort ist weniger versnobt.» Das belebt die Tourismusorte. Denn die Besitzer nutzen ihre Zweitwohnsitze zunehmend auch als Homeoffice. Die hohen Verkäufe von Zweitwohnsitzen schlagen sich in den Auftragsbüchern von Baufirmen in Tourismusregionen nieder. Viele Käufer renovieren ihre Objekte umgehend. Daher sei die Zahl der Offertanfragen an Baufirmen derart angestiegen, dass alle voll ausgelastet seien, sagt der Präsident des Graubündnerischen Baumeisterverbands, Maurizio Pirola: «Diese Überhitzung der Baukonjunktur wird wohl noch drei bis vier Jahre andauern.» Dennoch lägen die Umsätze im Hochbau rund 10 Prozent unter denjenigen vor 2012. Nach der Annahme der Zweitwohnungsinitiative sei die Bautätigkeit im Hochbau in den Bündner Tourismusorten um 40 bis 60 eingebrochen. Einheimische werden in Tourismusregionen verdrängt Die hohe Nachfrage bei gleichzeitig sinkendem Angebot ist für die Bündner nicht nur positiv. Neuerdings mieteten Unterländer Zweitwohnungen für ein ganzes Jahr, sagt Makler Ginesta. Viele davon seien zuvor an Skilehrer oder Mitarbeiter von Hotels, Restaurants und Skilift-Betreibern abgegeben worden: «Solche Angebote fehlen nun vor Ort.» Zudem werden Mehrfamilienhäuser umgenutzt, in denen Einheimische wohnen. Denn Zweitwohnungen lassen sich teurer verkaufen als Erstwohnungen. Möglich ist dies, wenn die Wohnungen, oder zumindest ein Teil davon, altrechtlich als Ferienwohnungen gälten. Dazu sagt Baumeister Pirola: «Auf diesen Verdrängungseffekt haben wir schon vor der Abstimmung über die Zweitwohnungsinitiative hingewiesen. Nun ist er da.» (Grafiken: Tessy Rupert) Dieser Artikel wurde das erste Mal publiziert am 12.11.2021.

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