Die Aussicht auf steigende Zinsen setzen den Bitcoin und andere Kryptowährungen zunehmend unter Druck. Der Kurs des Bitcoin nähert sich in raschen Schritten der 30’000-Dollar-Grenze. Das ist der tiefste Stand seit rund einem Jahr, also seit Juni 2021. Noch vor wenigen Tagen betrug der Wert eines Bitcoins 40’000 Dollar. Aber auch andere Kryptoanlagen wie Ether gaben zu Wochenbeginn im Wert weiter nach.

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Als entscheidender Faktor für die schlechte Stimmung sind die Aussichten auf steigende Zinsen. «Die Zinsangst hat Börsianer dies- und jenseits des Atlantiks voll im Griff», kommentierte Bitcoin-Experte Timo Emden von Emden Research. Nicht nur in der weltgrössten Volkswirtschaft USA, auch in vielen anderen Ländern stemmen sich die Notenbanken mit einer strafferen Geldpolitik gegen die hohe Inflation.

Krypto- und Aktienmarkt hängen zusammen

Steigende Zinsen lasten meist auf riskanten Anlagen wie Digitalwährungen. Dazu werfen Bitcoin und andere Kryptowerte keine laufenden Erträge wie Zinsen ab. Die Straffung der Geldpolitik zur Bekämpfung der Inflation und die abnehmende Liquidität führen schliesslich dazu, dass sich die Anleger von spekulativen Anlagen wie Bitcoin und Co. auf den globalen Märkten abwenden.

Steigen die Zinsen, sinkt die Attraktivität zinsloser Anlagen gegenüber zinstragenden Titeln wie festverzinslichen Wertpapieren. «Die Investoren kehren in Anbetracht steigender Zinsen riskanten Anlageklassen den Rücken zu und halten Ausschau nach festverzinslichen Anlagealternativen», sagte Emden. 

Der Negativtrend bei den Kryptowährungen ist mit der Performance der Aktienmärkte verbunden, die sich vor einer Zinswende der amerikanischen Notenbank fürchten. Das tangiert auch die Tech-Titel, die seit Tagen nach unten zeigen. Die Korrelation zwischen dem Krypto- und dem Aktienmarkt sei in diesen Tagen besonders hoch, stellen Beobachter fest. Sie zeigen auf, dass Digitalwährungen sich relativ eng im Gleichklang mit den Aktienmärkten bewegen. Wenn sich die Stimmung dort trübt, dann fallen auch die Kurse von Bitcoin und Co.

Auch bei den sogenannten Stablecoins sieht die Lage nicht besser aus: Der Wert von TerraUSD oder UST, einem algorithmischen Stablecoin, der eine Eins-zu-eins-Anbindung an den Dollar anstrebt, rutschte am Wochenende unter die Marke von 1 Dollar, bevor er sich wieder erholte. Das hat die Anleger zu einer besonderen Vorsicht vor Kryptowährungen gemahnt. 

Anleger wollen kein Risiko eingehen

Die Inflation macht den Anlegern zu schaffen und sie sind zurzeit deshalb besonders skeptisch gegenüber Kryptowährungen: «Angesichts der Angst vor einer steigenden Inflation haben die meisten Anleger einen risikoarmen Ansatz gewählt und sowohl Aktien als auch Kryptowährungen verkauft, um das Risiko zu verringern», sagt Darshan Bathija, Geschäftsführer der in Singapur ansässigen Kryptobörse Vauld, gegenüber der Finanznachrichtenagentur Bloomberg. 

Der Ausverkauf Anfang der Woche betrifft das gesamte Kryptouniversum – wobei Cardano um 8,4 Prozent und Polkadot um 6,7 Prozent fielen, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen.

«Sicherer Hafen» vom Tisch?

Von ihrem vermeintlichen Status als «sicherer Hafen», den Kryptofans digitalen Vermögenswerten bis heute gerne zusprechen, ist in den vergangenen Monaten kaum etwas zu sehen. Im Gegenteil – andere Anlageklassen haben sich besser geschlagen. 

Laut Edul Patel, Chef von Mudrex, einer auf Algorithmen basierenden Krypto-Investmentplattform, geben die steigende Zinssätze privaten und institutionellen Anlegern sogar Anlass dazu, Investitionen in den Kryptomarkt zu überdenken. Der Rückgang von Bitcoin um 29 Prozent im Jahr 2022 steht im Vergleich zu einem Rückgang von mehr als 10 Prozent bei globalen Anleihen und Aktien und einem Anstieg von 2,5 Prozent bei Gold. 

«Der Abwärtstrend wird sich wahrscheinlich in den nächsten Tagen fortsetzen», sagt Patel. Er mutmasst sogar, dass der Bitcoin an der 30’000-Dollar-Marke kratzen könnte. Es kann sein, dass sich nach dem Rekordhoch im November 2021 mit fast 70’000 Dollar nun die ganze Entwicklung umgekehrt. Eine weitere Verschlechterung der Stimmung am Aktienmarkt könnte den Bitcoin damit ebenfalls in den Abgrund ziehen. 

Die 40-Tage-Korrelation mit dem S&P-500-Aktienindex liegt laut Bloomberg bei einem Rekordwert von 0,82. Eine Korrelation von 1 bedeutet, dass sich zwei Vermögenswerte im perfekten Gleichschritt bewegen; ein Wert von minus 1 bedeutet, dass sie sich in entgegengesetzte Richtungen bewegen. 

(tdr/Bloomberg/Reuters)