100 Wohnorte, die wir uns nie leisten können

Was genau wurde untersucht? Das Zürcher Beratungsunternehmen Iazi untersuchte die Preise von mittelgrossen Häusern und Eigentumswohnungen in der gesamten Schweiz. Die Parameter basieren auf Objekten, die zurzeit am meisten gesucht werden: Einfamilienhaus: 5,5 Zimmer, 2 Badezimmer, gute Lage, freistehend, 400 Quadratmeter Grundstücksfläche, 10 Jahre alt, Nettowohnfläche 140 Quadratmeter, Parkplatz in separater Garage Eigentumswohnung: 4,5 Zimmer, 2 Badezimmer, 8 Wohnungen im Gebäude, gute Lage, 10 Jahre alt, 115 Quadratmeter Nettowohnfläche, 20 Quadratmeter Balkon, Parkplatz in Tiefgarage Welches sind also die teuersten Gemeinden? Kilchberg, schlappe 5 Kilometer von Zürich entfernt, Heimat von Lindt & Sprüngli, auf der vermeintlich billigen Seeseite gelegen, ist mittlerweile die teuerste Gemeinde der Schweiz. In Kilchberg muss man für ein 5,5-Zimmer-Einfamilienhaus rund 3 Millionen Franken hinblättern. Auch eine 4,5-Zimmer-Eigentumswohnung ist abstrus teuer. Diese kostet mittlerweile rund 2 Millionen. Dabei wurde die Silberküste, auch Pfnüselküste genannt, vor noch nicht allzu langer Zeit belächelt, zogen doch die wirklich Reichen und Coolen dieser Welt an die gegenüberliegende Goldküste. Die billigere Silberküste blieb für diejenigen übrig, die sich die Goldküste nicht leisten konnten. Heute ist klar: Die Silberküste hat die Goldküste von links überholt. Mit Rüschlikon auf Platz 5, Oberrieden auf Platz 16 und Thalwil auf Platz 19 liegen drei weitere Gemeinden des linken Seeufers ganz vorne. Neben Zürcher Gemeinden zählen auch Zuger und Schwyzer Gemeinden zu den teuersten der Schweiz. Mit Zug (6), Wollerau (22) und Cham (25) platzierten sich bekannte Steueroasen ganz vorn. Was zeigt, dass gerade steuergünstige Gemeinden gesucht sind. Unabhängig davon, wie überrissen die Preise dort mittlerweile sind. «Wer über ein hohes Vermögen oder Einkommen verfügt, zahlt oft lieber mehr für Immobilie, und spart dafür an Steuern», sagt Donato Scognamiglio, CEO von Iazi und Leiter der Studie. Auch aufgrund des Vermögenserhalts. «Wer eine Villa in einer steuergünstigen Gemeinde verkauft, nicht sein Geld inklusive der gesparten Steuern mit.» Diese Überlegungen allerdings müssen sich nur Schwerreiche machen. Normalsterbliche vermögen sich ein Plätzchen dort nicht zu leisten. Mit Genf (2) und Zürich (10) liegen auch zwei Grossstädte auf den vorderen Rängen der Liste. Dies zeigt, dass die Attraktivität von Städten ungebrochen ist. Trotz Corona-Pandemie, Homeoffice und Abwanderungen in die Peripherie, wie man es beobachten konnte. Den vielen Interessenten für Stadtwohnungen steht ein Markt gegenüber, der völlig ausgetrocknet ist. Etwas abgeschlagen auf der Liste liegen weitere Zentren: Lausanne (48), Basel (67) und Luzern (95). Doch auch deren Preisentwicklung zeigte in den vergangenen drei Jahren nur eine Richtung: nach oben. Was haben die, was andere nicht haben? «Zentrumsnah, steuergünstig oder ein See. Das sind die Kriterien, die heute gesucht werden», sagt Donato Scognamiglio. «Gemeinden, die eine dieser Charakteristika vorweisen können, werden von zahlungskräftigen Nachfragern überrannt.» Kilchberg, Genf, Zollikon, Cologny, Rüschlikon – all diese Gemeinden haben zwei Dinge gemeinsam: Sie liegen an einem See, ganz in der Nähe eines Grosszentrums (wenn sie nicht selbst das Zentrum sind, wie die Stadt Genf). Stand der See früher in erster Linie für Sumpf, Nebel und Hochwassergefahr, steht er heute für Prestige und Lebensqualität. Und wer zwischen mehreren Seegemeinden aussuchen kann? Der zieht jene Gemeinde vor, die näher am Zentrum liegt. So kann man von der städtischen Kultur und deren Infrastruktur profitieren. Ab welchem Einkommen bin ich dabei? Die Schweiz ist ein Volk von Mietern. 60 Prozent wohnen in Mietwohnungen, obwohl rund 80 Prozent der Erwachsenen von Wohneigentum träumen, wie Umfragen bestätigen. Die tiefe Zahl an Eigenheimbesitzern hat ihren Grund: Wer nicht zu den Superreichen gehört oder gut geerbt hat, kann es sich einfach nicht leisten, Immobilien zu erwerben. Die Preise in gefragten Regionen steigen seit Jahren konstant und sind heute auf einem Spitzenniveau angelangt. Die Anforderungen der Banken sind knallhart. 20 Prozent des Kaufpreises müssen mit Eigenkapital gedeckt sein. Selbst wer diese Hürde schafft, scheitert spätestens an der Tragbarkeitsrechnung. Tragbarkeit ist der Prozentsatz am Bruttoeinkommen, den Hauskäufer maximal für den Kredit aufwenden sollten. Die Kreditkosten sollen nicht mehr als 30 Prozent vom Bruttoeinkommen ausmachen. Für die Ermittlung der laufenden Hypothekenkosten werden nicht die aktuellen Zinsen angesetzt, es wird vielmehr mit einem kalkulatorischen Zins gerechnet. Meist liegt der Zinssatz um die 4 bis 5 Prozent. Ein Beispiel: Eine Wohnung in Thalwil mit einem Kaufpreis von 1,5 Millionen Franken benötigt 300'000 Eigenkapital. Die kalkulatorischen Zinskosten betragen in diesem Fall 5 Prozent von 1,2 Millionen, was 60'000 Franken entspricht. Diese Zinskosten wären dann tragbar, wenn das Einkommen des Hypothekarnehmers mindestens dreimal so hoch ist, also 180'000 Franken aufwärts. Welche Kantone schafften es in die Top 100? Zürich Genf Zug Waad Schwyz Luzern Basel-Landschaft Basel Graubünden Nidwalden Welcher Kanton hat am meisten Gemeinden in den Top 100? 30 Gemeinden: Zürich 29 Gemeinden: Genf 10 Gemeinden: Zug 17 Gemeinden: Waadt, 6 Gemeinden: Schwyz 2 Gemeinden: Luzern 2 Gemeinden: Basellandschaft 2 Gemeinden: Basel 1 Gemeinde: Graubünden 1 Gemeinde: Nidwalden. Zahlreiche Kantone sind nicht in der Liste vertreten. Heisst das, dass es dort nicht schön ist? Wenn ein Kanton nicht in den Top 100 vertreten ist, heisst das nicht, dass er nicht attraktiv ist. Es bedeutet einzig, dass die Zahlungsbereitschaft in diesen Kantonen nicht so hoch ist wie in anderen. Der grosse Vorteil daran: In den Kantonen Aargau, Bern, St. Gallen oder Tessin ist es noch möglich, Eigentum zu erwerben, während man im Kanton Zürich nur noch davon träumen kann. Ein mittelgrosses Haus in Kilchberg kostet rund 3 Millionen. Ein vergleichbares kann in Aarau AG für 1,2 Millionen, in Schaffhausen für 980'000, in Delémont JU für 659'000 Franken erstanden werden. Welche Gemeinden haben die höchsten Preissteigerungen in den vergangenen drei Jahren, und warum? 52,2 % - Cham ZG 41,3 % - Baar ZG 38,4 % - Neuheim ZG 34,7 % - Winkel ZH 34,3 % - Unterägeri ZG 34% - Opfikon ZH 33,9 % - Unterengstringen ZH 33,1 % - Wallisellen ZH 33 % - Thalwil ZH 31,3 % - Zug ZG 31,2 % - Dietlikon ZH 29 % - Basel BS Die Nachfrage in diesen Gemeinden ist in den vergangenen Jahren konstant gestiegen. Und ist die Nachfrage grösser als das Angebot (siehe Leerwohnungsbestand), steigen die Preise. Gerade bei einem Gut wie Grund und Boden, das per se limitiert ist. Doch angesichts Preissteigerungen zwischen 40 und 50 Prozent, wie sie im Kanton Zug in den vergangenen drei Jahren verzeichnet wurden, staunen selbst ausgebuffte Immobilienprofis. Auch im Kanton Zürich und in der Stadt Basel zogen die Preise mit rund 30 Prozent mächtig an. Einzig im Kanton Genf gab es in zahlreichen Gemeinden eine Seitwärtsbewegung. «Die Preise im Kanton Genf haben nach einer Verschnaufpause im letzten Jahr wieder kräftig. angezogen», sagt Donato Scognamiglio. Eine Entwicklung, die er im Kanton Zug oder Zürich nicht sieht. «Dort übersteigt die Nachfrage seit Jahren das Angebot.» Wird dieser Wahnsinn irgendwann ein Ende haben? «Aus momentaner Sicht zeichnet sich keine Entspannung ab», sagt Donato Scognamiglio. «Ausser der Zinssatz würde in die Höhe gehen, wovon die meisten Marktbeobachter nicht ausgehen. Dann würde es eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Eigentümern geben, die sich ihre Immobilie nicht mehr leisten könnten.» Weshalb ist St. Moritz so weit hinten auf der Liste? Immer wieder wird berichtet, im Alpen-Beverly-Hills sei eine Villa für 20, 30, letztens sogar für 70 Millionen Franken verkauft worden. Diese Preise beziehen sich auf einen Hotspot, und dieser heisst Suvretta-Hang. Ähnliches passiert auch in anderen Jet-Set-Tourismusorten. In diesen gibt es massive Unterschiede zwischen den Preisen, die Einheimische für Immobilien bezahlen, und Objekten, die als Zweit- oder Ferienwohnung verkauft werden. Gibt es noch Wohnraum in den Top-100-Gemeinden? Die Nachfrage übersteigt das Angebot in den Top-100-Gemeinden bei weitem. Die Leerwohnungsziffern sind vergleichsweise tief. In manchen Gemeinden sind sie mittlerweile gar bei null (Puplinge GE, Mies VD). Zum Vergleich: Im Jahr 2021 stand schweizweit 1,54 Prozent des Gesamtwohnungsbestands leer. Die höchsten Leerwohnungsziffern gibt es in den Gemeinden Saint-Imier BE mit 11,9 Prozent, Zuchwil SO mit 9,6 Prozent oder Chiasso mit 7,5 Prozent.