Gericht blockiert alle Villen und Konti von Pierin Vincenz

Es gibt keine Villen, die in Schweizer Medien so oft verkauft wurden, wie jene von Pierin Vincenz. «Vincenz verkauft Häuser», schrieb die «Aargauer Zeitung» diesen Sommer. «Vincenz will eine seiner Villen verkaufen», notierte «20 Minuten». Und «Watson» verbreitete: «Gemäss zuverlässigen Informationen wird auch sein Ferienhaus in Morcote (Tessin) veräussert.» Nur: Vincenz hat gar kein Haus verkauft – und er dürfte auch gar nicht. Sämtliche seiner Liegenschaften sind seit der Beschlagnahmung durch die Zürcher Staatsanwaltschaft im Jahr 2018 mit einer Grundbuchsperre belegt, wie einem Entscheid des Bezirksgericht zu entnehmen ist. Die richterliche Sperre gilt gemäss Nachtragsurteil vom 22. August 2022 für sein Wohnhaus in Niederteufen AR, seine Ferienhäuser in Barbengo TI und Morcote TI sowie für die Ferienwohnung plus Baulandparzelle in Andiast GR, Vincenz’ Heimatdorf. So steht es im Urteil des Bezirksgericht Zürich, das die Besitzverhältnisse privater Vermögenswerte bestimmt und über deren Weiterverwendung entscheidet. Mit Sperren im Grundbuch ist auch Wohneigentum des Vincenz-Geschäftspartners Beat Stocker und von weiteren Beschuldigten belegt, die im Frühling erstinstanzlich verurteilt wurden. Betroffen ist davon Immobilienbesitz in Bolligen BE, Illanz GR, Laax GR, San Nazzaro TI, Rapperswil SG und Locarno TI. Sperren fallen erst mit rechtsgültigem Urteil Insgesamt hat die Justiz Vermögenswerte in der Höhe von 61 Millionen Franken gesperrt. Und sie dürften noch lange blockiert bleiben. Die Sperren, heisst es im Urteil, würden nämlich erst «nach Eintritt der Rechtskraft» des Urteils von diesem Frühling aufgehoben werden. Das Urteil vom April 2022, das Vincenz und Stocker Haftstrafen und bedingte Geldstrafen einbrachte, ist noch lange nicht rechtskräftig. Alle Beschuldigten fechten das Urteil am Obergericht an, und bis schliesslich ein abschliessendes Urteil in dieser Causa steht – wohl dann vom Bundesgericht verfasst –, könnte es locker noch fünf, sechs Jahre dauern, wie Experten sagen. Das Bezirksgericht Zürich bestätigt das Urteil vom 22. August. Vincenz’ Anwalt, Lorenz Erni, wollte sich auf Anfrage nicht äussern. Beat Stocker teilt mit, dass er das Urteil anficht. Auch die Staatsanwaltschaft geht in die Berufung. Vincenz und Stocker werden von diesem Urteil kaum begeistert sein, weil es sie in ihrer finanziellen Handlungsfähigkeit einschränkt und horrende Zusatzkosten verursacht. Denn das Urteil regelt nicht nur den Immobilienbesitz, sondern auch blockiertes Bargeld über 80 000 Franken, Firmenkonti, Privatkonti und Vorsorgekonti von Vincenz, seiner Ex-Frau, von Stocker und weiteren Beschuldigten. Bei allen sind Privatkonti blockiert – von einigen will der Staat Geld einziehen, um die angefallenen Gerichtskosten zu decken. Dieses wird, heisst es im Urteil, «nach Eintritt der Rechtskraft zur Deckung der auferlegten Verfahrenskosten» verwendet. Dabei geht es um stattliche Summen; die Rede ist von mehreren hunderttausend Franken. Bei Vincenz wird es richtig kompliziert Allerdings werden nicht alle Vermögenswerte auf den gesperrten Konten nach rechtskräftigem Urteil eingezogen; es gibt Konten der Beschuldigten, die danach freigegeben werden. Dazu gehören Vorsorgekonti, auf denen Millionen schlummern. Bei Vincenz wirds da richtig kompliziert, weil seine Ex-Frau aus der gemeinsamen Errungenschaft eigene finanzielle Ansprüche ableiten kann. Bis diese geregelt sind, dürfte es nochmals einige Zeit dauern. Vincenz und die anderen Beschuldigten könnten theoretisch Käufer oder Käuferinnen für ihre Immobilien suchen und beim Gericht einen Antrag auf Aufhebung der Grundbuchsperre beantragen. Bereits in der Vergangenheit hat Vincenz so versucht, sein Wohnhaus im Appenzellerland – im Volksmund «Betonpalast» – und sein Ferienhaus am Lago di Lugano zu verkaufen. Offenbar sind Gesuche um Aufhebung der Grundstücksperre ans Gericht gestellt worden. Und dort abgelehnt worden. Der Markt spielt jedenfalls nicht für Vincenz und Co., denn die unbewohnten Häuser verlieren laufend an Wert, gleichzeitig steigt die Zinsbelastung. Und Hypotheken laufen aus, worauf die Banken - bei fehlender Liquidität - Strafzinsen verrechnen. Es ist eine verzwickte Lage: Da sind einerseits Vermögenswerte blockiert, es fallen Zinsen und Strafzinsen an. Zudem gibts noch Schadenersatzzahlungen an die Klägerin Aduno, die das Bezirksgericht auf 2,66 Millionen Franken festgelegt hat. Diese Millionensumme wird seit 2018 mit einem Zins von 5 Prozent belastet. Die Forderung dürfte mittlerweile über 4 Millionen betragen. Die einzige Hoffnung von Vincenz und seiner Mitbeschuldigten bleibt, dass sie das Urteil des Zürcher Bezirksgericht vom Frühling kippen können. Bis zu einem Endurteil gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.