taliens Vize-Regierungschef Matteo Salvini sprengt die rechtspopulistische Koalition mit den 5 Sternen und will durch eine rasche Neuwahl selbst Ministerpräsident werden. Seine weit rechts stehende Lega beantragte am Freitag ein Misstrauensvotum im Senat gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte - nur 14 Monate nach Amtsantritt der Regierungskoalition. Salvini forderte die Senatoren auf, die gerade in die parlamentarische Sommerpause gegangen sind, am Freitag auf, nach Rom zurückzukehren: «Die Volksvertreter sollten ihre Hintern bewegen und arbeiten.» 

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Am Montag wollen die Fraktionen im Senat über einen Abstimmungstermin beraten. Als Termin waren einem Insider zufolge der 19. und 20. August im Gespräch. An den Märkten sorgte der Regierungsbruch in der drittgrössten Volkswirtschaft der Euro-Zone für Unsicherheit. Anleger stiessen italienische Aktien ab und stiegen aus Staatsanleihen aus.

«Zu viele Neins schaden Italien», begründete die Lega ihren Misstrauensantrag gegen den parteilosen Conte. Das Land brauche Wirtschaftswachstum und müsse daher rasch neu wählen, hiess es in der Erklärung der Partei. «Diejenigen, die Zeit verschwenden, schaden dem Land und denken nur daran, ihre Posten zu behalten.» Salvini sagte, es gebe keinen Grund, dass das Parlament nicht mitten im August zusammenkommen könne.

Salvinis Flüchtlingspolitik kommt bei den Wählern an

Bis vor einigen Wochen hatte Salvini zwar gegen seinen Co-Vize-Regierungschef Luigi Di Maio und dessen 5 Sterne gestichelt, aber zugleich versichert, die Regierung werde die fünfjährige Amtszeit halten. Doch spätestens seit der Europa-Wahl Ende Mai, die das Kräfteverhältnis der beiden Parteien umkehrte, verstärkte Salvini seine Nadelstiche. Mit seiner restriktiven Flüchtlingspolitik präsentiert er sich als starker Mann, und das kommt auch im Süden des Landes an, wo die meisten Migranten stranden und die 5 Sterne bislang stark waren.

Das Fass zum Überlaufen brachte am Mittwoch, am letzten Sitzungstag vor der Sommerpause, eine Abstimmung im Abgeordnetenhaus über eine geplante Bahnverbindung zwischen dem norditalienischen Turin und dem französischen Lyon. Die Lega, die im Norden Italiens ihre Hausmacht hat, votierte dafür. Die 5 Sterne halten die rund 300 Kilometer lange Zugverbindung durch die Alpen für Geldverschwendung und lehnten sie ab. Salvini warf dem Koalitionspartner daraufhin Blockadehaltung vor. Am Donnerstag forderte er eine Neuwahl und erklärte, das Regierungsbündnis sei nicht arbeitsfähig. Di Maio hielt seinem Koalitionspartner vor, das Land verschaukeln zu wollen. Er scheue keine Neuwahl, sagte der Chef der 5-Sterne-Bewegung.

Zweithöchste Verschuldung in der Euro-Zone

Nun hat Staatspräsident Sergio Mattarella das Heft in der Hand, denn er allein entscheidet über eine Auflösung des Parlamentes und eine Neuwahl. Mattarella hatte aber bereits klar gemacht, dass er eine Regierung will, die bis Oktober der EU-Kommission ihren Haushalt 2020 vorlegt, der im September noch vom Parlament verabschiedet werden müsste. Die Kommission, die gerade auf Sanktionen gegen Italien wegen seines Defizits verzichtet hat, will Zusagen, dass das Budget nicht gegen die EU-Regeln verstösst.

Die Verschuldung Italiens ist die zweithöchste in der Euro-Zone, was auch die Investoren an den Finanzmärkten alarmiert. Doch Salvini hat wiederholt erhebliche Steuersenkungen versprochen. Ausserdem muss die italienische Regierung entscheiden, wen sie in die neue EU-Kommission entsenden will, die bereits im November ihre Arbeit aufnimmt.

Kommt es erneut zu einer Expertenregierung?

Die Zeit drängt. Rein rechnerisch wäre im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit zwischen 5 Sternen und dem sozialdemokratischen Partito Democratico möglich. Doch in beiden Parteien ist eine solche Koalition umstritten. Statt einer raschen Neuwahl könnte Mattarella auch für eine Übergangszeit eine Technokraten-Regierung einsetzen. Solche Regierungen haben in der Vergangenheit gut funktioniert. Salvini jedoch lehnt dieses Szenario strikt ab. Er rate dazu, dass niemand auch nur daran denke, sich über die Italiener lustig zu machen und eine Regierung zu bilden, die für die Demokratie nicht akzeptabel sei, sagte er in Termoli. «Nach dieser Regierung gibt es nur Wahlen. Und die Lega ist dazu bereit - je früher, desto besser.»

Anfang März 2018 hatten die Italiener bei der Parlamentswahl die 5-Sterne-Bewegung mit knapp 33 Prozent zur stärksten Partei gemacht. Die Lega erhielt damals 17 Prozent. Umfragen zufolge kann Salvinis Partei derzeit mit 34 bis 39 Prozent der Stimmen rechnen. Damit wäre sie stärkste Partei. Sollte die Lega die absolute Mehrheit verfehlen, dann hätte Salvini gute Chancen, unter seiner Führung mit der konservativen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi und den rechtsextremen Fratelli d'Italia ein Rechts-Bündnis zu schmieden.

(reuters/gku)