Nach dem Verhandlungsabbruch zum institutionellen Abkommen vor einem Jahr zeigt sich eine gewisse Unsicherheit, wo die Reise mit der EU hingehen soll, heisst es in der Europa-Befragung des Forschungsinstituts gfs, die es im Auftrag der des Verbands Interpharma jährlich durchführt.
Freihandelsabkommen und EWR-Beitritt
Am meisten Unterstützung erhält zurzeit ein Freihandelsabkommen für Güter und Dienstleistungen, welches die bilateralen Verträge ablösen würde. 63 Prozent wären bestimmt oder eher für dieses Szenario. Dieses legte im Vergleich zum Vorjahr als einziges zu, wie es in der Studie heisst, die am Samstag im Internet veröffentlicht wurde und über welche die CH-Media-Zeitungen berichteten.
Diese Zustimmung lässt gemäss Studie aber nicht den Schluss zu, dass die Stimmberechtigten die europäische Integration zurückfahren wollen. Denn auch das Szenario eines EWR-Beitritts findet noch immer eine absolute mehrheitliche Zustimmung (56 Prozent).
Nach wie vor klar abgelehnt werden die Extrempositionen eines Schweizer Alleingangs und eines EU-Beitritts. Nicht mehr so attraktiv wie im Vorjahr ist eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen der bilateralen Verträge, wenn es keine Anpassungsmöglichkeiten gibt oder wenn damit die Übernahme von EU-Recht verbunden wäre.
Lohndumping-Schutz lockern
Für die weiteren Verhandlungen mit der EU halten die Stimmberechtigten nicht an allen Positionen der Schweiz dogmatisch fest. So könnten sich zwei Drittel der Befragten vorstellen, dass der Europäische Gerichtshof bei Streitigkeiten zwischen der Schweiz und der EU entscheidet.
Knappe Mehrheiten könnten sich auch vorstellen, das heutige Schutzniveau gegen Lohndumping etwas aufzuweichen oder bei der Staatsgarantie der Kantonalbanken anzusetzen.
Eine Abschwächung der Schweizer Position kommt aber nur in Frage, wenn im Gegenzug ein für beiden Seiten akzeptabler Kompromiss gefunden werden kann, heisst es in der Studie. Es sei wesentlich, "was die Schweiz im Gegenzug von der EU erhält". Es komme auf die Bewertung des Gesamtpakets an.
Auf keinen Fall in Frage kommt für die Stimmberechtigten, dass EU-Recht unter Aushebelung des bestehenden schweizerischen Referendumsrechts automatisch übernommen wird. 81 Prozent gaben an, dass hier der Bundesrat eher nicht oder auf keinen Fall kompromissbereit sein dürfe. Auch die Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie, damit EU-Bürger in der Schweiz Anrecht auf Sozialhilfe erhalten, kommt nicht in Frage.
Bilaterale werden positiv bewertet
Der Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen hat nichts an der positiven Beurteilung der bilateralen Verträge geändert: Eine knappe Mehrheit von 53 Prozent sieht hauptsächlich Vorteile, die sich aus den Verträgen für die Schweiz ergeben. 15 Prozent glauben, dass sie eher oder nur Nachteile bringen.
Die Umfrage wurde im Januar und Februar 2022 bei 2003 Schweizer Stimmberechtigten durchgeführt.