Die Steuergerechtigkeits-Initiative ist formell zustande gekommen. Wie die Bundeskanzlei am Dienstag mitteilte, sind 112'218 Unterschriften gültig. Das ergab die Überprüfung. Die Initiative will Frauen und Männer unabhängig von ihrem Zivilstand besteuern.
Ein FDP-Frauen-Komitee hatte die Initiative «für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» lanciert und am 8. September mit 112'637 Unterschriften eingereicht. Die Steuergerechtigkeits-Initiative ist das 350. zustande gekommene Volksbegehren in der Geschichte des Bundesstaats.
Heute werden in der Schweiz verheiratete Paare und gleichgeschlechtliche Paare, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, gemeinsam besteuert. Gehen beide Personen einer Erwerbstätigkeit nach, müssen sie wegen der Progression höhere Steuern bezahlen als Konkubinatspaare mit zwei getrennten Steuerveranlagungen.
Die Volksinitiative verlangt, dass künftig «natürliche Personen unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert werden». Spätestens drei Jahre nach Annahme durch Volk und Stände müsste die so genannte Heiratsstrafe für Doppelverdiener abgeschafft sein.
Bundesrat arbeitet an Vorlage
Ob das Volk dereinst über das Volksbegehren abstimmen wird, war bei der Einreichung der Initiative fraglich. Der Bundesrat arbeitet bereits an der Einführung der Individualbesteuerung. Die FDP-Frauen reichten ihre Initiative dennoch ein, weil sie den Druck aufrechterhalten wollten.
Zur Abschaffung der Heiratsstrafe stehen für den Bundesrat zwei Varianten im Vordergrund: eine Vorlage mit einer Entlastungsmassnahme für Einverdiener-Ehepaare, die durch die Reform steuerlich stärker belastet werden könnten, sowie eine Vorlage ohne eine solche Massnahme. Entlastungsmassnahmen sind gemäss Bundesrat ebenfalls für Steuerpflichtige mit Kindern geplant.
Entlastung für die Mehrheit
Mit der Individualbesteuerung dürfte die Mehrheit der Personen bei der direkten Bundessteuer entlastet werden - insbesondere Ehepaare mit gleichmässiger Einkommensaufteilung sowie zahlreiche Rentner-Ehepaare. Der Bundesrat rechnet derzeit mit Mindereinnahmen von einer Milliarde Franken.
Die Individualbesteuerung ist gemäss den Bundesratsplänen auf allen Staatsebenen vorgesehen. Die Kantone müssten die Reform somit auf Kantons- und Gemeindeebene umsetzen. Noch im Herbst wollte die Landesregierung eine Vernehmlassungsvorlage verabschieden.
Die Individualbesteuerung und die Abschaffung der Heiratsstrafe sind jahrelange politische Anliegen. Neben der zustande gekommenen Initiative der FDP-Frauen gab die Bundeskanzlei am vergangenen Dienstag grünes Licht für ein weiteres Volksbegehren mit gleicher Stossrichtung.
Zwei weitere Initiativen gegen Heiratsstrafe
Damit hat die Mitte-Partei bis zum 27. März 2024 Zeit für das Sammeln der nötigen 100'000 Unterschriften für ihre Initiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen».
Mit einer weiteren Initiative will die Mitte auch die Maximalrente von 150 Prozent für Ehepaare und eingetragene Partnerschaften abschaffen - eine weitere Form von Heiratsstrafe für Doppelverdiener. Konkubinatspaare erhalten nämlich je eine volle AHV-Rente. Auch diese Initiative liess die Bundeskanzlei vor Wochenfrist zu.
Das Bundesgericht hatte bereits 1984 entschieden, dass die steuerliche Diskriminierung verheirateter und eingetragener Paare gegenüber Konkubinatspaaren verfassungswidrig ist. 2016 hatte das Stimmvolk die Volksinitiative der damaligen CVP «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» äusserst knapp abgelehnt. Weil der Bund falsche Zahlen vorgelegt hatte, entschied das Bundesgericht später, dass die Abstimmung aufzuheben sei.
(SDA)