Die Leistungsfähigkeit der nördlichen Zulaufstrecken zur Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (Neat) sollte eigentlich rasch gesteigert werden. Sie entpuppt sich indes zunehmend als Nadelöhr. Wichtige Ausbauten erfolgen mit viel Verspätung.

Es brauche dringend eine Alternative, weil Baustellen, technische Störungen und unzureichende Umleiterstrecken den Betrieb in einem derartigen Ausmass belasten, "dass ein regulärer Güterverkehrsbetrieb kaum mehr möglich ist", erklärten Vertreter von vier Schweizer Branchenverbänden am Freitag an einer Medienkonferenz in Bern.

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Schon heute überforderten Baustellen das System. Dieses sei derart komplex, dass es nicht mehr beherrschbar sei. Ausweichrouten gebe es derzeit aber keine. So könne man das prognostizierte Wachstum für den Schienengüterverkehr vergessen. Die Folgen für die Güterbahnen, die Kunden und die Klimaziele seien dramatisch.

Es braucht dringend Stabilität

Bereits heute zeigt sich gemäss den Vertretern des Verbandes der verladenden Wirtschaft (VAP), von BLS Cargo, der Hupac AG sowie des Netzwerkes Europäischer Eisenbahnen (NEE) deshalb bei den Verladern die Tendenz zu einer Rückverlagerung auf die Strasse, insbesondere, wenn die Güter zeitnah geliefert werden müssten. Stabilität auf dem Nord-Süd-Korridor sei aber eine Voraussetzung für eine effiziente Verkehrsverlagerung.

Die Pünktlichkeit der transalpinen Hupac-Züge habe sich von 2016 bis 2022 von 75 auf 51 Prozent verschlechtert. Die durchschnittliche Ankunftsverspätung sei von fünf auf neun Stunden gestiegen. Die Zahl der Zugausfälle habe sich von 7 auf 19 Prozent erhöht, wie Hupac-Verwaltungsratsmitglied Bernhard Kunz vorrechnete.

Die Branche fordert deshalb als erste Massnahme die "rasche Ertüchtigung" der linksrheinischen Strecke Wörth-Lauterbourg-Stassburg. Diese Parallelführung werde dem Baustellenchaos ein Ende bereiten und den Transit-, Import- und Exportverkehr sicherstellen.

Zweite Forderung ist jene nach einem erleichterten Zugang zur Umleiterstrecke via Frankreich. So sollten etwa temporäre Lösungen gefunden werden, damit deutschsprachige Lokführer via Frankreich fahren können.

Zuerst Ersatz, dann Sanierung

Drittens müssten zuerst Umleitungsstrecken betrieblich und bezüglich Infrastruktur so bereitgestellt sein, bevor man auf einem Hauptstreckenabschnitt eine umfassende Sanierung beginne. Und schliesslich gehörten alle Betreiber von Infrastrukturen des Rhein-Alpen-Korridors endlich an einen Tisch. Es brauche zur Absprache und Koordination ein internationales Arbeitsgremium unter Einbezug der Verkehrsministerien der Länder.

Der vertraglich vereinbarte Ausbau der Rheintalbahn sieht ein Upgrade auf vier Spuren vor. 740 Meter lange Züge mit einem Gewicht von 2000 Tonnen sollen die Kapazität der Strecke für den unbegleiteten kombinierten Verkehr (UKV) massgeblich erhöhen.

Das auf 14,2 Milliarden Euro veranschlagte Projekt ist 200 Kilometer lang. Etwas über 60 Kilometer sind fertiggestellt. Bis 2035 ist der viergleisige Ausbau geplant. Bis 2041 sollen die Personenzüge überall auf 250 Stundenkilometer beschleunigen können.

"Rückgrat der Logistik"

Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga räumte bei ihrem Auftritt vor den Vertreterinnen und Vertretern der Bahnbranche ein, dass die internationale Zusammenarbeit nach dem Scheitern der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU nicht immer einfach sei.

Der Krieg in der Ukraine biete jedoch Gelegenheit für ein Nachdenken darüber, wer die Verbündeten der Schweiz seien, gab die Bundesrätin zu bedenken. Sie betonte, wie wichtig die Bahn auch in sicherheitspolitischer Hinsicht sei. Dies hätten die Ereignisse in der Ukraine gezeigt, wo die Bahn sehr wichtig dabei gewesen sei, Zivilpersonen in Sicherheit zu bringen.

In der Schweiz sei die Bahn für viele Branchen bis heute das Rückgrat der Logistik, betonte Sommaruga weiter. Die Verlagerung der Güter auf die Schiene habe breiten Rückhalt. Der Bundesrat wolle das diesbezügliche Potential der Bahn weiter stärken.

Einige Angebote des Gütertransports auf der Schiene rentierten heute nicht mehr, räumte Sommaruga ein. Für sie sei daher klar, dass es Veränderungen brauche. Sommaruga kündigte an, ihr Departement werde im Herbst eine Vorlage zum Thema in die Vernehmlassung schicken.