Immobilienmarkt in der Schweiz: Wann kippen die Preise?

Nach der Zinserhöhung der SNB fragen sich viele: Wie geht es weiter auf dem Immobilienmarkt? Ist nun die vielfach prophezeite Zeitenwende angebrochen? Oder noch schlimmer, kommt es zum Exodus der Preise mit einer Krise wie in den 1990er Jahren? Die «Handelszeitung» hat mit drei profilierten Expertinnen und Experten gesprochen und sie mit den drei wichtigsten Fragen zum Thema konfrontiert. Frage 1: Was bedeutet die Zinserhöhung der SNB für den Immobilienmarkt? Für einmal hat uns die Nationalbank nicht überrascht. Thomas Jordan hat gehalten, was von ihm erwartet wurde. Der Leitzins wurde um satte 75 Basispunkte erhöht. Damit läutete der Nationalbankchef das Ende der siebenjährigen Negativzins-Welt ein. «Dieser Schritt hat viele Hypothekarschuldner auf dem falschen Fuss erwischt», sagt Donato Scognamiglio, CEO beim Immobilienexperten Iazi und Professor an der Uni Bern. «Gerade jene, die sich bislang auf dem Saron-Parkplatz versteckt hielten, in der Hoffnung, die Zinsen würden nie steigen.» Bislang war der Saron bei 0,7 bis 0,8 Prozent. Neu wird er sehr schnell bei 1,3 Prozent liegen. Hypothekarzinsen dürften weiter steigen Und noch schlimmer: Nach dem Saron-Schock könnte es weitere Schockwellen geben. Auch Festmarkthypotheken sind mittlerweile gestiegen. Wer heute eine zehnjährige Festhypothek abschliesst, bezahlt mehr als doppelt so viel wie noch vor einem Jahr. «Und die Hypothekarzinsen dürften noch weiter steigen», prophezeit Donato Scognamiglio. «Der Markt erwartet weitere Zinserhöhungen.» Sollten vermehrt Saron-Hypotheken-Besitzer in Festmarkthypotheken wechseln, da diese irgendwann gleich hoch sein könnten, werden auch Festmarkthypotheken weiter steigen, zumal Banken ihre Risikokosten weitergeben wollen. Schlechte Nachrichten somit für Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, die jetzt oder in Zukunft eine Hypothek abschliessen müssen, denn es wird teurer. Gut schlafen all jene, die vor der Zinswende eine fünf- oder gar zehnjährige Hypothek abgeschlossen haben. Fazit der Experten: Hypothekarschuldner müssen aktuell viel mehr bezahlen, aufgrund der zwei Zinserhöhungen der SNB. Weitere Zinserhöhungen dürften folgen. Frage 2: Wie geht es weiter mit den Immobilienpreisen? Noch sind keine Einbrüche am Immobilienmarkt bemerkbar. «Die Preise für Eigenheime sind im zweiten Quartal noch einmal stark gewachsen, bei Eigentumswohnungen um 7,3 Prozent, bei Einfamilienhäuser um 8,8 Prozent», sagt Fabian Waltert von der Credit Suisse. Doch erste Anzeichen einer Verunsicherung sind bereits erkennbar. So hat die Nachfrage nach Eigenheimen nachgelassen. Die Anzahl der Suchabos auf Immobilienportalen ist in den letzten Monaten merklich zurückgegangen. «Vor Jahresfrist gab es für ein Verkaufsobjekt typischerweise noch 15 bis 20 seriöse Interessenten, heute oft nur noch drei oder vier. Auch wenn üblicherweise ein Interessent reicht, wenn er sich als Käufer herausstellt.» Weiterhin steigende Preise bei Eigenheimen Was nach wie vor für steigende Preise spricht: In den vergangenen Jahren wurde viel zu wenig gebaut. Das Angebot ist zu klein, der Nachfrageüberhang gross. Die Zuwanderung ist ungebrochen hoch, auch aus der Ukraine. Fabian Waltert erwartet deshalb «auch in den kommenden Quartalen steigende Eigenheimpreise. Als Folge der tieferen Nachfrage dürfte die Preisdynamik jedoch deutlich abnehmen.» «Die goldenen Jahre sind vorbei», bringt es Donato Scognamiglio auf den Punkt. «In Zukunft werden keine Spitzenpreise mehr bezahlt werden.» Die Zahlungsbereitschaft heute sei nicht mehr die gleiche wie noch vor einem Jahr. Die Nachfrage nach kleineren Häusern werde vermutlich stärker werden, lieber ein Reihenhaus in der Mitte als alleinstehend. Bei Renditeliegenschaften jedoch könne es gegen Ende Jahr zu Preiskorrekturen kommen, da beispielsweise gewisse Pensionskassen aufgrund der stark gesunkenen Werte bei den Aktien und Obligationen nun prozentual zu viele Anlagen in Immobilien halten. Luxusimmobilien und Ferienwohnungsmärkte unter Druck Auch Katharina Hofer von der UBS geht davon aus, dass «die Zeit der grossen Preisanstiege bei Immobilien vorbei ist». Zumal sich die nominalen Eigenheimpreise in den vergangenen zwanzig Jahren verdoppelt haben. Gerade während der Corona-Zeit haben sich die Preise explosiv erhöht. Und sie ist überzeugt: «Es wird keine grossen Verwerfungen auf dem Eigenheimmarkt geben. Eine spürbare Korrektur von mehr als minus 10 Prozent ist unwahrscheinlich.» Wen es allerdings treffen könnte, sind Luxusimmobilien, Ferienwohnungsmärkte sowie Hochpreisregionen, in denen sich die Preise stark entwickelt haben. Einen starken Preisanstieg etwa sah man in der Stadt Zürich. «In Zürich wird es einen Realitätscheck geben und Übertreibungen werden punktuell korrigiert.» Aber zu einer grossen Korrektur werde es vorerst nicht kommen. Bei Renditeliegenschaften allerdings könnte es zu Preiseinbrüchen kommen. «Dort wären minus 10 Prozent durchaus wahrscheinlich.» Preiseinbrüche bei Renditeliegenschaften Signifikante Preiskorrekturen würde es gemäss den Experten erst im Falle einer starken Rezession geben – deren Wahrscheinlichkeit eher gering sei. «Sollte die Zentralbank SNB die Zinsen deutlich über 1 Prozent heben, also etwa zwischen 2 und 3 Prozent, dann steigt die Gefahr, dass es zu signifikanten, spürbaren Preiskorrekturen kommen könnte», sagt Fabian Waltert, Credit Suisse. Die Korrekturen wären am ehesten im einstelligen oder allenfalls, verteilt auf mehrere Jahre, im tiefen zweistelligen Minusbereich. «Gegen stärkere Korrekturen spricht, dass Wohneigentum in den meisten Fällen für den langfristigen Eigenbedarf erworben wird.» Damit fehle der spekulative Aspekt, der viele Blasen auszeichne. Dass eine Blase platze, brauche es ausserdem einen Angebotsüberhang. Dafür jedoch sei das Angebot auf dem Markt einfach zu klein. Fazit der Experten: Eigenheimpreise werden weiterhin steigen. Aber nicht mehr so stark. Im Falle einer Rezession, von der aktuell niemand ausgeht, oder weiteren Zinserhöhungen, könnte es zu deutlichen Preiskorrekturen kommen. Frage 3: Wie ticken Kreditabteilungen in der Krise? Kreditabteilungen führen laufend Neubewertung von Immobilien durch. Fallen die Immobilienpreise, besteht das Risiko, dass die Kreditabteilung mehr Eigenkapital fordert. Als Beispiel: eine Eigentumswohnung im Wert von 1 Million. Die Hypothek beträgt 800’000, 20 Prozent sind Eigenkapital, also 200’000. Wenn der Wert des Hauses um 10 Prozent sinkt, ist der Hypothekarnehmer überschuldet und muss im schlimmsten Fall rund die Hälfte der Eigenmittel, 100’000 Franken, nachschiessen. In diesem Punkt gehen alle drei Experten konform: Erst bei einer Rezession im grösseren Stil gehen Kreditabteilungen über die Bücher. Oder wenn die Preise stark sinken. Uneinig sind sich die Experten, wie stark die Preise dafür sinken müssten. «Die Indizes müssten nicht nur einmal, sondern drei, vier, ja sogar fünf Quartale in Folge nach unten gehen», sagt Donato Scognamiglio. Sollte dies der Fall sein, könnte es für 20 Prozent der Immobilienbesitzer, die keine Festhypothek haben, eng werden. Bei Zinserhöhungen bis zu 3 Prozent sieht er kein Problem. Nachschusspflicht aktuell keine Gefahr «Selbst wenn die Verschuldungsquote von Haushalten aufgrund einer starken Korrektur auf über 80 Prozent zu liegen kommt», sagt Katharina Hofer, UBS, «dürften Banken, solange der Hypothekarnehmer seiner Amortisationspflicht nachkommen kann, kaum im grösseren Stil zusätzliche Eigenmittel fordern.» Fabian Waltert von der Credit Suisse doppelt nach: «Die Anforderungen an die Kreditvergabe sind in der Vergangenheit mehrmals verschärft worden.» In der Tat rechnet die Bank bei einer Kreditvergabe mit einem kalkulatorischen Zins von 5 Prozent. Da ist viel Reserve eingepreist. «Sollte es wider unsere Erwartung doch grössere Preiskorrekturen von beispielsweise 20 Prozent oder mehr geben, würde es am ehesten für Kunden, die vor kurzem ein maximal belehntes Objekt erworben haben, unbequem werden.» Dann könnte auch eine Nachschusspflicht nicht ausgeschlossen werden. Das Fazit der Experten: Die Immobilienpreise müssten stark nach unten korrigieren, 20 Prozent und mehr, damit Kreditabteilungen zusätzliches Eigenkapital einfordern. Zinserhöhungen der SNB bis 3 Prozent stellen noch wenig Gefahr dar. Mehr zum Thema Die steigenden Zinsen machen das Mieten attraktiver Stress für Immobilienbesitzer: Auch die Saron-Hypotheken werden teurer

Immobilienmarkt in der Schweiz: Wann kippen die Preise?

Wann kippt der Immo-Markt in der Schweiz?

Frage 1: Was bedeutet die Zinserhöhung der SNB für den Immobilienmarkt?