Das Weltall ist zum Sehnsuchtsort von reichen Männern geworden. Im Sommer 2021 wetteiferte Richard Branson mit Jeff Bezos um den ersten touristischen Weltraumflug von amerikanischem Boden aus. Der britische Milliardär und Gründer des Mischkonzerns Virgin Group besiegte den Amazon-Chef um einige Tage. Und mit SpaceX arbeitet auch Elon Musk daran, kommerzielle Weltraumflüge salonfähig zu machen.
Im grossen Business der Expansion auf andere Planeten mischt auch eine Schweizer Firma mit: die Earth Space Technical Ecosystem Enterprises SA, kurz: ESTEE, mit Sitz in Bussigny VD. Die grosse Vision: «Der Menschheit die Besiedlung anderer Planeten erleichtern», heisst es auf der Website des Unternehmens.
Schon als Kind im Blitzlichtgewitter der Medien
Die treibende Kraft hinter ESTEE ist Omar Fayed, ein wenig so etwas wie die britische Antwort auf Elon Musk – schliesslich teilen sich die beiden nicht bloss das Engagement für die Forschung zur Besiedlung des Weltalls, der 35-Jährige bereitet auch den Start von EarthX vor, einer neuen Social-Media-Plattform. Sein Hintergrund ist aber sehr verschieden zu jenem des jüngst zum Twitter-Chef aufgestiegenen Selfmade-Millionärs. Fayeds Vater ist der schwerreiche Mohamed Al-Fayed, Besitzer der Hotelkette Ritz.
Omar Fayed ist also im Reichtum aufgewachsen – und im Blitzlichtgewitter der Boulevardpresse. Sein Halbbruder ist Dodi Al-Fayed, der 1997 beim von Verschwörungsmythen umrankten Autounfall in Paris zusammen mit Prinzessin Diana ums Leben kam. Fayed war erst zehn Jahre alt, als damals ein Medien-Tsunami über seine Familie hereinbrach. Und noch heute zieht diese tragische Geschichte. So sind die Al-Fayeds gerade prominent vertreten in der laufenden fünften Staffel der Netflix-Serie «The Crown» über das Leben der britischen Königin Elisabeth II.
Ein umtriebiger Mann mit Öko-Ader
Omar Fayed wurde von seinem schwerreichen Vater Mohamed Al-Fayed schon früh in dessen Geschäfte miteinbezogen. Noch nicht zwanzig Jahre alt, übernahm er die Vorstandsposten in mehreren Unternehmen seines Vaters, darunter im Londoner Kaufhaus Harrods, dem Ritz-Hotel in Paris und dem Londoner Fussballverein Fulham. 2009 gab er diese Ämter ab, seither widmet er sich lieber dem ökologischen Unternehmertum.
Fayed ist Vorsitzender von Biotecture, einem Anbieter von modularen grünen Wandsystemen, der etwa die grossflächigen lebenden Wände für den Walkie-Talkie-Wolkenkratzer in der Londoner City gebaut hat. 2014 gründete er Living City, eine Initiative zur Vernetzung und Beratung grüner Unternehmen und staatlicher Projekte.
Der heute 35-jährige Brite war 2015 ausführender Produzent des Dokumentarfilms «The Sunshine Makers» über die Herstellung von LSD in den 1960er Jahren. Zudem ist Fayed seit letztem Jahr Trustee der Beckley Foundation, einer Denkfabrik, die sich der psychedelischen Forschung in Grossbritannien widmet.
Mit 19 stieg er ins Board der Kaufhaus-Institution Harrods in London ein, die damals seinem Vater gehörte. 2009 schied Fayed aus dem Unternehmen wieder aus, um sich fortan dem ökologischen Unternehmertum zu widmen. «Die Konsumkultur bewirkt nichts Positives für die Zukunft der Menschheit», sagte er einst der britischen Zeitung «The Telegraph».
Sein Bestreben mit der Schweizer Firma ESTEE ist darum auch nicht, das Reisen ins Weltall zum Businessmodell zu machen. «Ich bin kein Freund des Weltraumtourismus. Ich würde gerne ins All fliegen, aber ich bin auf der Erde glücklich», sagte er jüngst dem britischen Magazin «Tatler». Die Ressourcen, die für den Weltraumtourismus verwendet würden, hätten anderswo eine bessere Verwendung.
Laut Eintrag im Handelsregister bezweckt Earth Space Technical Ecosystem Enterprises, «nachhaltige und selbstregenerierende Lebenssysteme» zu entwickeln und zu bauen. Diese sollen «die Ansiedlung von Menschen in lebensfeindlichen Umgebungen wie Wüsten, Meeresböden, Polargebieten und im Weltraum» ermöglichen, wie es weiter heisst.
Die Firma greift dafür eine Idee aus den frühen 1990er Jahren auf, die damals noch scheiterte: das Biosphäre-2-Experiment. In einem Gebäudekomplex sollte im US-Bundesstaat Arizona ein von der Aussenwelt unabhängiges, sich selbst erhaltendes Ökosystem geschaffen werden. Aber nach zwei erfolglosen Versuchen wurde das Vorhaben abgebrochen. ESTEE erhofft sich nun mehr Erfolg, erste Prototypen für in sich geschlossene Habitate hat das Unternehmen gemäss Angaben auf der eigenen Website bereits entwickelt.
Earth Space Technical Ecosystem Enterprises entstand 2013. Das Unternehmen verfügt über ein Kapital von 4,4 Millionen Franken, aufgeteilt in 4400 Namenaktien zu je 1000 Franken. Demnächst soll eine Finanzierungsrunde starten. Rund 20 Millionen Dollar soll Fayed bereits in die Schweizer Firma investiert haben, wie er der staatlichen Tageszeitung «The National» aus Abu Dhabi mitteilte.
Gemäss dem Medium plant der ESTEE-Gründer, sein Weltraum- und Öko-Geschäft auszubauen. Er will dafür eine Forschungs- und Produktionsstätte in den Vereinigten Arabischen Emiraten gründen, um damit wieder «in Kontakt mit seinen arabischen Wurzeln zu kommen», wie er «The National» sagte.
Engagement für Schweizer CBD-Händler
Auch hierzulande ist der vielseitig engagierte Unternehmer über die Geschäfte mit Earth Space Technical Ecosystem Enterprises hinaus noch tätig. Er führt in der Schweiz nämlich noch ein zweites Unternehmen. Gemeinsam mit einigen aus seiner ESTEE-Kollegenschaft hat er 2019 ebenfalls in Bussigny VD die Firma BotaniQual gegründet, die CBD-Produkte verkauft. Getreu seiner ökologischen Ader wird das Unternehmen mit Abfallstoffen betrieben.
Als Aktivist sieht sich Fayed indes nicht, wie er gegenüber «Tatler» sagte: «Ich bin kein kompletter Öko-Krieger.» Dafür träumt er dereinst vom nachhaltigen Leben auf anderen Planeten. Schweizer Ingenieurskunst soll ihm dabei helfen, diese Vision zu verwirklichen.