Bei der Energiefrage geht es nicht ohne Kompromisse

Wer ist schuld am drohenden Stromengpass? Kaum etwas wird derzeit so hitzig diskutiert und in kaum einem Bereich werden so viele Schwarzer-Peter-Karten verteilt. Ist es die Politik des Automausstiegs? Sind es die Umweltschützer? Die naive Annahme, der Stromverbrauch werde weiter zurückgehen? Haben wir uns fahrlässig aufs Ausland verlassen? Oder haben wir dieses zu sehr vernachlässigt? Kurzfristig betrachtet, machen uns gerade zwei Dinge zu schaffen: Putin und Frankreich. Putin, weil er mit der Hand auf dem Gasventil steuern kann, wie schnell uns im Winter das Gas ausgeht. Gas, das im Ausland auch für die Produktion von Strom gebraucht wird. Und Frankreich, weil dort wegen Wartungen und Rostschäden die Hälfte des AKW-Parks stillsteht. Frankreich wurde von einem Exporteur zum Stromimportriesen und treibt damit die Preise in die Höhe. Und das Netz an seine Grenzen. Natürlich steckt auch hinter all den anderen Gründen etwas Wahrheit. Die Schweiz wurde abhängiger vom Ausland, weil der Konsum zuletzt stärker wuchs als die inländische Produktion. Gleichzeitig sind die Beziehungen zur EU im Keller. Kein gutes Zeichen für ein Land, das inmitten des europäischen Stromnetzes liegt. Wie also lässt sich das Problem lösen? Der AKW-Trumpf ist, so sehr sich das viele wünschen, bestenfalls ein passiver. Die heutigen Kraftwerke werden uns wohl länger erhalten bleiben, als man das je geplant – oder gewünscht – hätte. Neue AKW dagegen sind kaum eine Lösung. Schon nur wegen der Jahrzehnte, die es braucht, bis sie gebaut sind. So bleibt, endlich da vorwärtszumachen, wo die Schweiz massiv hinterherhinkt. Bei den erneuerbaren Quellen. Zwar haben wir – unseren Urgrosseltern sei Dank – gute Grosswasserkraftwerke. Doch Ausbau ist kaum noch ein Thema. Windstrom ist hierzulande praktisch inexistent und bei der Photovoltaik wird das Potenzial längst nicht ausgenützt. Nur 4 Prozent des inländisch produzierten Stroms stammten 2021 aus diesen beiden Quellen. In Deutschland kommt allein die Photovoltaik auf 10 Prozent. Schuld daran sind nicht zuletzt Beschwerderechte und administrative Auflagen. Dass jetzt darüber gesprochen wird, diese abzubauen – oder zumindest die Prozesse zu beschleunigen –, ist ein gutes Zeichen. Denn seien wir ehrlich: Ohne Kompromisse wird es nicht gehen. Stören uns Windräder auf Hügelkuppen wirklich mehr als Kühltürme im Siedlungsgebiet oder Hochspannungsleitungen in den Alpen? Sind Solarpanels auf historischen Gebäuden und Freiflächen schlimmer als für Wasserkraft geflutete Alpentäler? Sicher nicht! Konsumverzicht zu fordern, macht sich zwar gut, ist aber keine Lösung, solange alle nur darauf setzen, dass die anderen verzichten. Ohne einen Zubau an grossen und kleinen Kraftwerken wird die Schweiz das Damoklesschwert der Mangellage nie mehr loswerden.