Im EU-Parlament gehen seit Freitag die Wogen hoch: Die griechische Abgeordnete Eva Kaili wurde festgenommen unter dem dringenden Tatverdacht von «bandenmässiger Korruption und Geldwäsche». Der Fall weitet sich stündlich aus und wird bereits als grösster Korruptionsskandal der Europäischen Union gehandelt.

Neben der Festnahme von Kaili erfolgten am Freitag 16 Durchsuchungen, bei denen Bargeld in Höhe von 600'000 Euro, Computer und Mobiltelefonie beschlagnahmt wurden. Vier weitere italienische Staatsbürger wurden festgenommen – die meisten haben eine Verbindung zur sozialdemokratischen Fraktion des Parlaments, von der Kaili mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen wurde.

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Die vier Herren sind laut Medienberichte der Partner von Kaili Francesco Giorgi, der einflussreiche Mailänder Pier Antonio Panzeri, der Gewerkschafter Luca Visentini und Niccolò Figà-Talamanca,

Ein Golfstaat versuche Entscheidungen beeinflussen

Bei den Ermittlungen gehe es um eine mutmassliche kriminelle Organisation, versuchte Einflussnahme durch einen Golfstaat sowie Vorwürfe von Korruption und Geldwäsche, teilte die Behörde mit. Man habe seit mehreren Monaten den Verdacht, dass ein Golfstaat versuche, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Medienberichten zufolge handelt es sich um Katar. Beträchtliche Geldsummen oder Sachgeschenke seien vermutlich an Personen im Parlament verteilt worden, die eine politische oder strategische Position innehätten.

Die nun festgenommene Kaili hatte noch am 21. November eine Rede im Europaparlament zur derzeit laufenden Fussball-Weltmeisterschaft in Katar gehalten – für die sie auch keinen Applaus erhalten hatte. Denn darin bezeichnete die 44-jährige Politikerin das Sport-Ereignis als Beweis dafür, «dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben». Katar sei etwa bei Arbeitsrechten ein Vorreiter.

Zuvor hatte Kaili den katarischen Arbeitsminister Samikh Al Marri getroffen, wie der katarische EU-Botschafter Christian Tudor auf Twitter schrieb.

Eva Kaili: Ehemalige Journalistin, Nachrichtensprecherin und PR-Beraterin

Kaili ist seit 2014 Europaabgeordnete und seit 2022 Vize-Präsidentin des Parlaments. Von 2004 bis 2007 war sie ihrem Lebenslauf auf der Parlaments-Homepage zufolge Nachrichtensprecherin und Journalistin.

Ihre politische Karriere startete 2007, als sie ins Griechische Parlament gewählt wurde als Mitglied der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok). 2012 schied sie wieder aus und arbeitete kurzzeitig als PR-Beraterin. 2014 gelang der Coup und der Einzug ins Europäische Parlament als Vorsitzende der Delegation für die Beziehungen zur Parlamentarischen Versammlung der NATO sowie Mitglied in der Konferenz der Delegationsvorsitze.

Dann war es lange ruhig um die Politikerin, die mitunter als eine der schönsten ausgezeichnet wurde von der britischen «The Sun». Bis jetzt. Der Korruptionsskandal flog am 9. Dezember 2022 auf, die Folgen sowie der Umfang sind noch nicht komplett geklärt.

Die sozialdemokratische Fraktion fordert Aufklärung

Der Schock ob einem Korruptionsskandal im EU-Parlament ist spürbar. Die sozialdemokratische Fraktion des Parlaments sagt, sie hätte keine Toleranz für Korruption. Zugleich müssten im Parlament die Arbeit an allen Themen, die die Golfstaaten betreffen, sowie die Plenarabstimmungen dazu ausgesetzt werden.

Der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, Daniel Freund, zeigte sich von den Ermittlungen geschockt. «Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden», sagte der Grünen-Politiker. Geld dürfe bei den Entscheidungen in Europas grösstem Parlament keine Rolle spielen. Es drohe eine gewaltiger Vertrauensverlust.

(DPA / fit)