Bundesratskandidatin Eva Herzog: Die Linke für die Wirtschaft

Und plötzlich scheint alles klar. Glaubt man den Politanalysten und Bundeshausreporterinnen, ist Eva Herzog die grosse Favoritin für den SP-Sitz im Bundesrat. Gestern kündigte die Baslerin ihre Kandidatur an. Nicht in Zeitungsinterviews, wie andere, sondern an einer Medienkonferenz. Flankiert von ihrem früheren Regierungsrats-Kollegen Hans-Peter Wessels und Kantonalpräsidentin Lisa Mathys. Hiess es vor ein paar Jahren in Bern noch «Eva wer?» – die Baslerin hatte bereits erfolglos kandidiert, als Simonetta Sommaruga gewählt wurde –, so ist heute plötzlich alles anders. Bern kennt Ständerätin Herzog. Ihre Chancen scheinen mehr als gut. Wir sagen, weshalb. Herzog ist ein Sonderfall. Politisch ist die Historikerin eine Spätzünderin. 1999 – mit 37 Jahren – wird sie für ihr erstes politisches Amt in das Gremium gewählt, das die Basler Kantonsverfassung überarbeiten soll. 2001 kommt sie dann ins Kantonsparlament, den Grossen Rat. Und von da an geht es schnell aufwärts. Bereits 2005 löst sie den bürgerlichen Ueli Vischer (LDP) in der Regierung als Finanzdirektorin ab. Und bleibt dort lange. Der Kanton Basel-Stadt produzierte stets Überschüsse Und zum Ärger der Rechten überzeugte Herzog schnell. Zufall oder nicht: Seit 2005 wies der Stadtkanton ausnahmslos Budget-Überschüsse aus. Zuvor prägten vor allem rote Zahlen das Bild. Ihre Wiederwahl war nie ein grosses Thema. Selbst dann nicht, als die «Basler Zeitung» unter dem damaligen Blocher-Kurs aggressiv gegen sie anschrieb. Natürlich profitierte Herzog von der Konjunktur. In Basel sind es vor allem die zwei grossen Pharmakonzerne Roche und Novartis, die mit ihren Steuergeldern für Überschuss oder Defizit in der Kantonsrechnung sorgen. Und diese florieren seit Jahren, nachdem sich die alte «Basler Chemie» in den neunziger Jahren neu ausgerichtet hat. Die seit langem linksgrün dominierte Basler Regierung hatte den Luxus, einen Teil dieses Geldes wieder ausgeben zu können. Und gleichzeitig die hohen Steuersätze ein wenig zu senken. Doch es wäre zu einfach, Herzog bloss als glückliche Verwalterin der Chemie-Milliarden zu bezeichnen. Denn ein Sonderfall ist Herzog auch auf eine andere Art. Eigentlich ist sie weniger Politikerin als vielmehr Staats-Managerin. Debatten geht sie eher aus dem Weg, Journalistinnen und Journalisten sind ihr ein Ärgernis. Und mit Kritik umzugehen, ist auch nicht gerade ihre grösste Stärke. Aber sie ist eine Magistratin, die gerne regiert. Sie ist eine Arbeiterin, keine Schönwetterpolitikerin Und Herzog ist eine Dossier-Tigerin, sattelfest bis zur Schmerzgrenze. Auch bei technischen und vermeintlich staubtrockenen Themen. Ob das nun die Sanierung der massiv überschuldeten Basler Staats-Pensionskasse war, die zahlreichen – für Basel immens wichtigen – Unternehmenssteuervorlagen oder die OECD-Mindestbesteuerung, stets war Herzog tief im Thema. Und nicht selten eine der national wahrgenommen Stimmen der kantonalen Finanzdirektorinnen und (vor allem) Finanzdirektoren. Herzog ist eine Arbeiterin, keine Schönwetterpolitikerin. Und das ist es, was Herzog bei Bürgerlichen akzeptabel und bei Linken unbeliebt machte: ihr Pragmatismus ohne Rücksicht auf allzu eng interpretierte Parteilinien. Für ihren Einsatz für Steuersenkungen und die auf die Pharmaindustrie ausgerichtete Standortpolitik wurde sie nicht selten von der eigenen Partei kritisiert. Wie viel es ihr ausmachte, weiss wohl nur sie selber. Oder einer der engen Mitarbeiter in ihrer Nähe. Als Herzog nach 15 Jahren vom Regierungsamt abtrat, um in Bern die Basler Ständerätin Anita Fetz – der Stadtkanton hat nur eine Vertretung – abzulösen, traf sie dort auf kulturelles Neuland. Plötzlich waren Parolen wichtiger als Inhalte. Wer Herzog kennt, weiss, wie schwer ihr der Auftritt auf der Bühne des Ständerats zunächst gefallen sein muss (in den Nationalrat wäre sie wohl gar nie erst gegangen). Und das sagte sie auch. Gegenüber Journalisten fragte sie sich mal offen, wo sie denn da gelandet sei. Drei Jahre später hat sich die Technokratin auch in Bern durchgesetzt. Man scheint sie zu kennen, weiss, wie die Baslerin tickt. Was im Parlament eher Nachteil war, nämlich die Dossier-Orientierung und ihr «kei Luscht» auf offen ausgetragene Politspielchen, dürfte mit Blick auf den Bundesrat eine ihrer grössten Stärken sein. Das, und ihre gemässigt linke Positionierung. Sie als «bürgerlich» zu bezeichnen, wäre übertrieben. Aber für bürgerliche Parlamentsmitglieder dürfte sie ganz oben auf der Wunschliste stehen. Und das hat noch immer geholfen.