Ein Regierungsmitglied dürfte sich am Sonntag heimlich gefreut haben. Der Bundesrat erlitt zwar mit der Managed-Care-Vorlage eine bittere Niederlage. Doch nicht Didier Burkhalter musste seinen Kopf hinhalten, sondern Kollege Alain Berset.

Burkhalter hatte bereits im Dezember das Debakel vorausgeahnt und wechselte vom  dornenreichen Innen- ins prestigeträchtige Aussendepartement. Anstatt sich mit Gesundheitspolitikern und Ärzten rumzuprügeln, lässt er sich nun mit den Einflussreichen dieser Welt ablichten wie jüngst in Genf mit Friedens-nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.

Der Aussenminister wird mit Barroso nicht so locker lächeln

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Auf einem der nächsten Repräsentationsbilder wird der Nachfolger von Micheline Calmy-Rey aber nicht so locker und freundlich dreinschauen. Beim Besuch des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso wird Burkhalter die Glätte des aussenpolitischen Parketts hautnah erleben.

Der Aussenminister lädt den Spitzendiplomaten aus Brüssel zu einem Besuch nach Bern, um über «Grundsätze für institutionelle Lösungen mit der EU» zu verhandeln. Die EU ist mit den bilateralen Abkommen nicht mehr glücklich und droht, weitere Abkommen zu blockieren.

Sie will, dass die Schweiz unter anderem das sich weiterentwickelnde europäische Recht automatisch übernimmt und einer unabhängigen Aufsichtsbehörde zustimmt. Burkhalter zauberte kürzlich einen Lösungsansatz aus dem Hut.

Dieser soll eine zentrale Rolle in den Verhandlungen spielen und geht erstmals über den bisherigen Bilateralismus hinaus.

Doch die Idee des nationalen Überwachungsgremiums im Sinne einer Selbstregulierung wurde nicht nur vom EU-Botschafter in Bern zerfetzt, sondern auch in der Schweiz von links bis rechts. Burkhalter wird sich also mit praktisch leeren Händen an den Verhandlungstisch setzen.

Bern laviert zwischen zwei Szenarien für die Euro-Zone

Wenn dies so gewollt ist, dann geht Europa-Minister Burkhalter eine gefährliche Wette ein. Dann rechnen er, seine Bundesratskollegen, die Regierungsparteien und Kantone, die Burkhalter mandatiert haben, damit, dass die EU noch lange in der Euro- und der Schuldenkrise steckt.

Warum sollte Brüssel Kräfte und Ressourcen ausgerechnet an die Schweiz binden, die wirtschaftlich und politisch zu den problemlosesten Ländern Europas zählt?

Vielleicht geht der Bundesrat in seinen Szenarien gar davon aus, dass möglicherweise gar die Grundfesten der EU ins Wanken geraten. In diesem Falle müssten die Verträge ohnehin neu ausgehandelt werden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich die EU im gegenwärtigen Schlamassel zusammenrauft.

Soll der Euro überleben und der finanzielle Super-GAU abgewendet werden, dann muss die EU wirtschafts- und fiskalpolitisch endlich zur Union zusammenwachsen. In diesem Falle wird Brüssels Einfluss massiv gestärkt, und die EU wird ihre Muskeln gegenüber der Schweiz stärker spielen lassen.

Burkhalter muss auch für diesen Fall gerüstet sein, obwohl es ihm die beiden Polparteien SP und SVP alles andere als einfach machen. Da ihre Extremforderungen – EU-Beitritt respekive Verteufelung der EU – keine Mehrheiten finden, wird der Status quo zementiert.

Das ist gefährlich, denn es verhindert jegliche europapolitische Diskussion, geschweige denn eine Standortbestimmung. Burkhalter könnte allerdings mit einem weiteren cleveren Schachzug zur Versachlichung der Diskussion beitragen.

Er könnte seine Bundesratskollegen dazu bewegen, das immer noch hängige Gesuch für den EU-Beitritt zurückzuziehen. Dieser hat in der Schweiz ohnehin nicht den Hauch einer Chance. So würden Burkhalter und die Schweiz wenigstens in dieser Hinsicht der EU gegenüber glaubwürdig auftreten.