Bundesrätin Karin Keller-Sutter will im Bundesrat beantragen, den Schutzstatus S zu aktivieren, gleichgültig ob die EU ihre Richtlinie zum temporären Schutz in Kraft setzt oder nicht. Das sagte sie nach dem Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in Brüssel.

Widerstand gegen die EU-Richtlinie kommt dem Vernehmen nach vor allem von den osteuropäischen Staaten, jenen Ländern also, die zurzeit am meisten Geflohene aus der Ukraine aufnehmen. Streitpunkt ist scheinbar, ob aus der Ukraine geflüchtete Drittstaatenangehörige ebenfalls von der EU-Richtlinie profitieren sollen oder nicht.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Denn Menschen aus Drittstaaten dürfen nicht visumsfrei in den Schengen-Raum und damit auch nicht in die Schweiz einreisen. Ukrainerinnen und Ukrainern hingegen ist der visafreie Aufenthalt im Schengen-Raum für 90 Tage erlaubt, sofern sie einen biometrischen Pass besitzen.

Nach 90 Tagen soll dann in der Schweiz der S-Status greifen. Dank diesem können die Schutzbedürftigen aus der Ukraine aus humanitären Gründen befristet bis maximal fünf Jahre im Land bleiben. Aufgenommene dürfen dann beispielsweise arbeiten und Sozialleistungen beziehen.

Plädiert für Pragmatismus

Gemäss Keller-Sutter sind die EU-Richtlinie und der Schweizer S-Status ähnlich. Die SP und Amnesty International Schweiz hatten kritisiert, dass der S-Status den Geflüchteten weniger Rechte gebe als die Richtlinie. Angesprochen auf diese Unterschiede - etwa einem drei-monatigen Arbeitsverbot oder einer Bewilligungspflicht für Reisen ins EU-Ausland - machte sich die Bundesrätin dafür stark, hier pragmatisch zu entscheiden.

Die Vorsteherin des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) wies zudem darauf hin, dass auch die einzelnen Länder in der EU die Richtlinie unterschiedlich umsetzten. «Ich meine, dass der Schutzstatus S flexibler ist», sagte Keller-Sutter.

Schweiz will sich beteiligen

Ausserdem machte Keller-Sutter deutlich, dass sich die Schweiz am EU-Solidaritätsmechanismus beteiligen will, wenn dieser dereinst aktiviert wird. Der EU-Solidaritätsmechanismus dient der Verteilung geretteter Menschen unter den EU-Staaten.

Noch ist nicht klar, mit wie vielen Geflüchteten die Schweiz rechnen muss. Aktuell leben laut Staatsekretärin Christine Schraner Burgener, die die Bundesrätin nach Brüssel begleitete, 11'000 Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz - mit eingerechnet schweizerisch-ukrainische Doppelbürger. Wenn man von dieser Zahl ausgehe, könne man sich in etwa ausrechnen, wie viele Ukrainerinnen und Ukraine in die Schweiz flüchten könnten.

Trotzdem wurde laut der Bundesrätin bereits ein Krisenstab «Asy» aktiviert, der die Aufnahme koordinieren soll. Habe der Bundesrat sich entschieden, den S-Status anzuwenden, sollte unter anderem auch die Unterbringung bei Privaten möglich sein.

Keller-Sutter lobt Frontex

In diesem Zusammenhang betonte die Bundesrätin die wichtige Rolle der EU-Grenzschutzagentur Frontex, vor allem bei der Registrierung von flüchtenden Menschen aus der Ukraine. Die Schweiz, die sich als Schengen-Mitglied daran beteiligt, ist laut der EJPD-Vorsteherin bereit, Frontex personell zu unterstützen.

Die Schweiz profitiere aktuell stark von Frontex, zum Beispiel beim Informationsaustausch. Wenn man da ausgeschlossen würde, "wäre das für mich ein Scherbenhaufen", sagte sie mit Blick auf die Mitte Mai bevorstehende Volksabstimmung.

(sda/tdr)