Die SNB senkte die Leitzinsen vor drei Wochen auf null Prozent. Einige Kommentatoren erweckten den Eindruck, damit sei die «Geldpolitik am Nullpunkt angelangt» (NZZ). Und Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann sagt das «leise Ende der Konjunkturpolitik» voraus. So weit sind wir zum Glück nicht. Die SNB verfügt noch immer über genügend Instrumente, um ihren Auftrag zu erfüllen. Sie ist weiterhin in der Lage, für stabile Preise zu sorgen und zur stabilen Konjunkturentwicklung beizutragen.

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Der Gastautor

Serge Gaillard ist Ökonom und ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung.

Die Wirtschaftslage ist ungemütlich. Die Prognostiker sagen eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums und eine Zunahme der Arbeitslosigkeit voraus. Die Inflation dürfte bis ins nächste Jahr deutlich unter 1 Prozent liegen. Die Risiken für die Konjunktur sind erheblich. Zollbedingte Verwerfungen der Weltwirtschaft würden unsere Exportwirtschaft doppelt treffen: weniger Nachfrage und die Gefahr eines noch stärkeren Frankens. Das Seco hat durchgerechnet, was ein solches Szenario bedeuten kann: eine stärker steigende Arbeitslosigkeit und Nullinflation.

Weitere Lockerung nicht unwahrscheinlich

Vor diesem Hintergrund ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Geldpolitik weiter gelockert werden muss. Zur Beurteilung ihrer Wirkung sind zwei Grössen relevant: die Zinsen und der Wechselkurs. Für die stark aussenhandelsverflochtene Schweizer Volkswirtschaft ist der Wechselkurs zentral, weil er sowohl die Konjunktur als auch die Inflation massgebend beeinflusst. Korrigiert um die unterschiedlichen Inflationsraten ist der Franken im Vergleich zum Vorjahr um 4 Prozent teurer geworden. Das behindert die Entwicklung der schweizerischen Wirtschaft und lässt die Inflation unerwünscht tief absinken.

Hauptursache für die jüngste Aufwertung ist der Fall des Dollars. Wie Klaus Wellershoff an dieser Stelle erläuterte, stellt dessen Abschwächung eine Normalisierung dar: Der Dollar war Anfang Jahr, gemessen an den Handelspartnern, um rund 20 Prozent überbewertet, was sich bislang erst teilweise korrigiert hat. Die Talfahrt des Dollars könnte sich also noch fortsetzen.

Die Nationalbank orientiert sich seit 2015 vor allem am handelsgewichteten realen Wechselkurs. Verliert der Dollar an Wert, müsste auch der Franken gegenüber dem Euro schwächer werden, damit handelsgewichtet und real der Frankenkurs konstant bleibt. Dies ist bislang allerdings nicht eingetreten, der Franken blieb zum Euro seit Anfang dieses Jahres praktisch stabil. Er hat sich immerhin aber nicht weiter aufgewertet. In den letzten 15 Jahren ist die Schweiz im Vergleich zur Euro-Zone wegen der wiederholten Aufwertungsschübe um rund 20 Prozent teurer geworden, nach Korrektur für die unterschiedliche Inflation. Im Vergleich zu 2014, dem Jahr vor der Aufhebung der Untergrenze, beträgt die reale Aufwertung gegenüber unseren europäischen Handelspartnern rund 8 Prozent. Eine leichte Abschwächung des Frankens zum Euro wäre deshalb durchaus erwünscht. Zumindest aber sollte der Franken in den nächsten Monaten gegenüber der europäischen Währung nicht noch stärker werden.

Instrumente bereit – um sie nicht einsetzen zu müssen

Auch wenn sie es nicht gerne tut, hat die SNB ihre Bereitschaft erklärt, bei Bedarf wieder Negativzinsen einzuführen, um die Inflation im positiven Bereich zu halten. Damit würden Anlagen in den Schweizer Franken weniger attraktiv. Und die SNB bewies auch mehrmals, dass sie mit Devisenkäufen die Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro verhindern kann. Steigt die Nachfrage nach Franken, stellt sie diese im Tausch gegen Devisen zur Verfügung. Käme es zu grossen Verwerfungen auf den Devisenmärkten, könnte sie schlimmstenfalls auch wieder auf das bewährte Instrument eines Mindestkurses gegenüber dem Euro zurückgreifen.

Im Moment ist die Situation noch nicht dramatisch. Die Instrumente stehen aber bereit, um in einer verschlechterten Wirtschaftslage eingesetzt zu werden. Und möglicherweise verhindert schon die Bereitschaft dazu bereits den Krisenfall.