Zehn Kandidaten kämpfen offiziell um die Nachfolge der britischen Premierministerin Theresa May als Parteichefin der konservativen Tories. Mehrere Kandidaten versuchten sich vom früheren Aussenminister Boris Johnson abzugrenzen, der als Favorit gilt und das Gesicht der Brexit-Kampagne ist.

Johnson sorgte mit der Aussage für Furore, er würde die Austrittsrechnung Grossbritanniens nicht begleichen, bis die EU besseren Austrittskonditionen zustimme. Der Abgeordnete Sam Gyimah zog sich zum Ende der Bewerbungsfrist am Montagabend zurück, wie die Partei mitteilte.

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Hohe Kosten für den EU-Austritt

«Unsere Freunde und Partner müssen verstehen, dass das Geld zurückgehalten wird, bis wir mehr Klarheit über das weitere Vorgehen haben», sagte Brexit-Hardliner Johnson der «Sunday Times». Um einen «guten Deal» zu bekommen, sei «Geld ein grossartig Mittel». Dem aktuellen Brexit-Abkommen zufolge müsste Grossbritannien eine Austrittsrechnung begleichen, die auf rund 45 Milliarden Euro geschätzt wird.

Johnson gilt als Favorit für den Posten des Chefs der Regierungspartei, der nach den britischen Gepflogenheiten automatisch auch Premierminister wird. Sein Vorstoss stiess umgehend auf Kritik.

Naserümpfen in Paris

Der Zahlungsverpflichtungen nicht nachzukommen, käme einer Nichtbegleichung von Staatsschulden gleich, «mit den bekannten Konsequenzen», hiess es aus dem Umfeld des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

May war am Freitag als Parteichefin zurückgetreten, nachdem sie in ihrer eigenen Partei seit Monaten keinen ausreichenden Rückhalt für ihren Brexit-Kurs erhalten hatte. Bis voraussichtlich Ende Juni küren die Tory-Abgeordneten aus dem Kreis der zehn Bewerber die zwei Kandidaten für die Stichwahl um den Parteivorsitz. Hier entscheiden dann die mehr als 160'000 Parteimitglieder.

Hunt: «Seriös» im Gegensatz zu Johnson

Um sich von Johnson abzugrenzen, der für polternde Auftritte bekannt ist, bezeichnete Aussenminister Jeremy Hunt seine Bewerbung um den Parteivorsitz als «seriös». Er wäre ein «ernsthafter Parteichef» in «ernsthaften Zeiten», betonte Hunt. Der Brexit lasse sich nicht mit «Bluffs und Getöse» vollziehen, betonte der ebenfalls kandidierende Ex-Brexit-Minister Dominic Raab in Anspielung auf Johnson.

Ein weiterer Top-Kandidat für den Parteivorsitz, Umweltminister Michael Gove, verbrachte derweil das Wochenende damit, sich für seinen Drogenkonsum vor 20 Jahren zu entschuldigen. Der 51-Jährige gab zu, als junger Journalist Kokain genommen zu haben und bedauerte dies «zutiefst», wie er der «Daily Mail» sagte.

Brexit-Wortführer Gove musste am Montag einen weiteren Rückschlag hinnehmen: Arbeitsministerin Amber Rudd stellte sich im Rennen um den Parteivorsitz hinter Aussenminister Jeremy Hunt, der eigentlich für einen Verbleib Grossbritanniens in der EU war.

Versprechungen von Merkel?

Hunt behauptete am Wochenende, von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ermutigende Signale für eine Nachverhandlung des Brexit-Abkommens bekommen zu haben.

Ebenfalls kandidieren für die Nachfolge von May an der Spitze der Tories Innenminister Sajid Javid und die frühere Arbeitsministerin Esther McVey sowie die ehemalige Beauftragte für Parlamentsangelegenheiten, Andrea Leadsom.

Nach den derzeitigen Planungen scheidet Grossbritannien spätestens am 31. Oktober aus der EU aus. Auf Mays Nachfolger kommt die schwierige Aufgabe zu, bis dahin einen mehrheitsfähigen Plan für den Brexit zu finden.

(sda/mbü)