Kampf gegen Wohnungsnot: So erfinderisch gehen europäische Länder das Problem an

Dänemark: «Blackstone»-Gesetz gegen Renditejäger Blackstone ist ein globales US-Immobilienunternehmen. Wie jedes Unternehmen konzentriert sich Blackstone darauf, Renditen für seine Investoren zu erzielen. Dieses Ziel verfolgte man auch in Dänemark, bis die Bewohner in dem kleinen skandinavischen Land entschieden, das Unternehmen sei zu weit gegangen. Wohnung kaufen, renovieren, und das Doppelte an Miete verlangen? Unerhört. Selbst wenn dieses Verhalten legal war, auf einer gesetzlichen Grundlage basierend. Aufgrund eines in den 90er-Jahren eingeführten Gesetzes konnten Vermieter, die einen bestimmten Betrag in die Renovierung alter mietpreisgebundener Wohnungen investierten, die Miete erhöhen, wenn ein neuer Mieter einzieht, sodass neue Mieter für solche Wohnungen am Ende fast den Marktpreis zahlen mussten. Blackstone war nicht der einzige Investor, der Wohnungen in Kopenhagen gekauft und renoviert hat, um die Miete zu erhöhen. Es war auch nicht das grösste Unternehmen, belegte gerade mal Platz 23 auf einer Liste privater Vermieter auf dem Kopenhagener Wohnungsmarkt. Dennoch wurde aufgrund der Amerikaner ein Gesetz verabschiedet, das es in sich hat. Fünf Jahre lang keine Mieterhöhung nach Umbau Es half, dass einige Dänen gut vernetzt waren und wussten, wie man Journalisten und Politiker dazu bringt, zuzuhören: Eine tapfere Sozialdemokratie gegen einen reuelosen amerikanischen Investor. Schliesslich verabschiedete das dänische Parlament im Juli 2020 das, was informell als Blackstone-Gesetz bekannt wurde. Man habe den Atem angehalten, bis das Gesetz verabschiedet worden und die Tinte trocken geworden sei, sagte Anders Svendsen, Anwalt der dänischen nationalen Mietergewerkschaft gegenüber der Presse. Das Gesetz hindert neue Vermieter nicht nur daran, die Miete für fünf Jahre zu erhöhen, sondern verbietet es Vermietern auch, Mietern Geld für den Auszug anzubieten. Sie müssen auch die Energieeffizienz eines Gebäudes verbessern, bevor sie die Miete erhöhen. Zudem fand die Regierung die notwendige Mehrheit, um eine vorübergehende Obergrenze für inflationsbedingte Mieterhöhungen für Privatwohnungen durchzusetzen. Von dieser sind voraussichtlich 160'000 Haushalte in Dänemark betroffen. Mieterhöhungen sind daher für die Jahre 2023 und 2024 auf maximal jeweils 4 Prozent begrenzt. «Einige Leute machen sich derzeit ernsthafte Sorgen um ihre Mieten, und das sollte in Dänemark nicht passieren», hatte Premierministerin Mette Frederiksen begründet. «Eine Mieterhöhung von 8 bis 9 Prozent wäre für viele Menschen zu hoch.» Bislang waren Mieterhöhungen nach Massgabe der Inflation erlaubt. Mieterhöhungen auf 4 Prozent begrenzt Basierend auf dem sogenannten Nettopreisindex hatten Vermieter das Recht, die Mieten zwischen Juli 2021 und Juli 2022 um bis zu 8,8 Prozent zu erhöhen. Die Regierung schlägt nun vor, einen anderen Index einzuführen, um den Nettopreisindex zu ersetzen, der nur noch zur Regulierung der Mieten verwendet wird. «Wir werden prüfen, ob es durchaus sinnvoll ist, steigende Lebensmittelpreise bei der Mietpreisgestaltung zu berücksichtigen. Weil es nichts mit Mieten zu tun hat», sagte Frederiksen. Portugal: Zwangsvermietungen In den letzten Wochen hat die portugiesische Regierung ein riesiges Paket für «Mais Habitação», «mehr Wohnraum» umgesetzt. Die umstrittenste Massnahme ist jene der Zwangsvermietung unbewohnter Wohnungen. Insgesamt stehen in Portugal 723'215 Wohnungen leer, die dem Mietmarkt zugeführt werden sollen. Eigentümer, deren Immobilien seit einem Jahr leer stehen, müssen mit dem staatlichen Institut für Wohnungsbau und Stadtsanierung (IHRU) einen Vermietungsvertrag unterzeichnen. Geschieht dies nicht, wird eine förmliche Frist zur Nutzung der Immobilie gesetzt. Nach Ablauf dieser Frist kann der Staat die Immobilie öffentlich vermieten. Die Einkünfte aus den zwangsvermieteten Wohnungen werden an den Eigentümer abgeführt, abzüglich nötiger Renovierungskosten. Ausgenommen von dieser Regelung sind Zweitwohnungen von Portugiesen, die im Ausland leben und arbeiten, Ferienwohnungen sowie Wohnungen, die zum Verkauf stehen. Vorwurf der Enteignung Viele Immobilienakteure sehen das «Recht auf Privateigentum» gefährdet und betonen, dass «diese Massnahme das Vertrauen von Eigentümern und Investoren in den nationalen Immobilienmarkt zerstört». «Hier geht es nicht um Enteignung», kontert der Vorsitzende der sozialistischen Regierung. Es gehe lediglich darum, zu verhindern, dass notwendige Vermögenswerte dem Marktzugang entzogen würden. «Wir leben in einer Zeit grosser Wohnungsknappheit in unserem Land, in einer Zeit, in der insbesondere die jüngeren Generationen zunehmend Schwierigkeiten haben», fügte er hinzu und weist darauf hin, dass der Staat auch leerstehende öffentliche Grundstücke und Grundstücke verschenken werde, um in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor das Angebot an Wohnraum zu erhöhen. Der Druck auf den Wohnungsmarkt in Portugal hat zwei Ursachen. Gerade in den Grosststädten werden immer mehr Wohnungen zu Ferienwohnungen umfunktioniert. Über 108'000 Ferienwohnungen zählt das Land. Diese Entwicklung soll nun mit dem Stopp der Vergabe neuer Lizenzen gebremst werden. Zudem wurden in der Vergangenheit goldene Visa vergeben. Dieses bekam, wer mindestens 500'000 Euro in Portugal investierte. Vor allem Chinesen, Brasilianer und Russen nutzten dieses Angebot. 92 Prozent investierten in Wohnungen, Arbeitsplätze wurden so gut wie keine geschaffen. Nun wurde das goldene Visum wieder aufgehoben. 200 Euro monatlich an Mietbeihilfe Zudem wurden Mieterhöhungen Anfang des Jahres auf 2 Prozent begrenzt. Bei Objekten, die bereits in den letzten fünf Jahren auf dem Mietmarkt waren, darf die Anfangsmiete in den neuen Verträgen im Vergleich zur vorherigen Miete 2 Prozent nicht überschreiten. Zudem genehmigte der Ministerrat Zuschüsse und Rabatte für diejenigen, die durch die Wohnungssituation unter Druck stehen. Familien sollen hinsichtlich des «Aufwands» unterstützt werden, den sie in Bezug auf die «Aufwandsquote» leisten, sei es durch Miete oder Kredit für den Kauf eines Eigenheims, wenn der aktuelle Zinssatz steigt. Die Einkommenssicherungsmassnahme richtet sich an Mieterinnen und Mieter mit einer Aufwandsquote – Verhältnis zwischen dem monatlichen Nettoeinkommen eines Haushalts und den Ausgaben – von über 35 Prozent. Sie gilt für die nächsten fünf Jahre, in denen die Regierung auf eine Stabilisierung des Mietmarktes hofft. Auf diese Weise sollen Familien mit einem Höchstbetrag von 200 Euro pro Monat unterstützt werden, der von der Sozialversicherung gezahlt wird. Diese Massnahme gilt rückwirkend ab Januar 2023. Schweden: Strafe für Untervermietung Ein Wohnungsmangel in Stockholm und anderen Städten bereitet vielen Schweden Kopfschmerzen. Just in jenem Land, das sich seit dem Zweiten Weltkrieg für Mietpreiskontrollen einsetzt. Durch bundesweite Regelungen und Tarifverhandlungen zwischen staatlich anerkannten Mieter- und Vermieterverbänden werden die Mieten niedrig gehalten. Doch die schöne Welt der Schweden ist prekärer als gedacht. Der Immobilienboom des Landes, bei dem die Preise in den letzten 20 Jahren um fast 250 Prozent gestiegen sind, wurde durch rasend niedrige Kreditkosten und einen Mangel an Mietobjekten angeheizt. Dieser Wohnungsmangel drängte ärmere Familien dazu, Wohnungen überzubelegen. Andere wiederum wurden zum Kauf gedrängt – der Gesamtwert der Hypotheken stieg in den zwei Jahrzehnten bis 2022 um 459 Prozent. Vor der jüngsten Krise war die Verschuldung der privaten Haushalte, einschliesslich Hypotheken und Konsumschulden, auf mehr als 200 Prozent des verfügbaren Einkommens angestiegen, so die neusten Daten der OECD aus dem Jahr 2021. Das ist doppelt so hoch wie in Deutschland. 9 bis 20 Jahre Wartezeit für mietkontrollierte Wohnung Das Grundproblem: Der kontrollierte Mietwohnungsmarkt funktioniert nicht richtig. Die durchschnittliche Wartezeit für eine mietkontrollierte Wohnung in Stockholm beträgt heute 9 Jahre, kann aber in einigen Teilen der Hauptstadt bis zu 20 Jahre betragen, sagt die städtische Wohnungsagentur Bostadsförmedlingen. Diese Situation hat einen florierenden Untervermietungs- oder «Gebrauchtmarkt» angeheizt, auf dem Mieter und Eigentümer Wohnungen zu sehr hohen Preisen anbieten, trotz Vorschriften, die verhindern sollen, dass Menschen abgezockt werden. Eine Frau, die für sich und ihre Tochter eine Wohnung brauchte, zahlte 40'000 Dollar für eine dieser illegalen Mietwohnungen in einem Vorort von Stockholm. Die Regierung hat 2019 versucht, diesen illegalen Handel einzudämmen, indem sie nicht nur die Verkäufer, sondern auch die Käufer von Gebrauchtmietverträgen mit Strafen belegte. Doch der illegale Handel ist weit verbreitet, auch wenn die Datenlage lückenhaft ist. Einem Regierungsbericht aus dem Jahr 2017 zufolge liegt der Anteil der weiterverkauften Mietverträge zwischen 10 und 50 Prozent des öffentlichen Wohnungsangebots. «Es gibt eine laufende Untersuchung, um mehr Ordnung in den Mietmarkt zu bringen, und dies ist ein wichtiger Teil der Arbeit der Regierung zur Bekämpfung der Kriminalität», sagte Andreas Carlson, Schwedens Minister für Wohnungswesen und Infrastruktur. Mietpreiskontrollen lockern Das Problem ist hausgemacht. Die Mietpreiskontrollen, das Schlüsselelement des schwedischen Modells, hat zu einem dysfunktionalen Markt und in eine Wohnbaukrise geführt. Die Regierung hat seit Jahrzehnten nicht genügend Mietwohnungen gebaut, was zu langen Warteschlangen für mietpreisgebundene Wohnungen führte. Die Privatwirtschaft baute ebenso zu wenig. Denn die strikten Mietkontrollen halten Bauträger und Private vom Bauen und Vermieten ab. Die Mitte-links-Regierung hatte sich mit zwei kleinen Mitte-rechts-Parteien, die sie an der Macht halten, grundsätzlich darauf geeinigt, Immobilieneigentümerinnen und -eigentümern die Möglichkeit zu geben, die Miete für neu gebaute Wohnungen direkt mit einzelnen Mietern auszuhandeln, in der Hoffnung, Bauträger zu ermutigen, mehr zu bauen. Ob dies zu einer raschen Entlastung führen wird, sei dahingestellt. Allen Politikern ist klar, dass es selbst bei grossen Investitionen ein Jahrzehnt dauern könnte, um die Wartezeit der Mieter auf weniger als ein oder zwei Jahre zu verkürzen. Österreich: Bau von Genossenschaftswohnungen In Wien ist man stolz auf über Hundert Jahre Gemeindebau. Begonnen hat die Wohnbaupolitik in den 1920er-Jahren. Damals war das Ziel, die ärmlichen Quartiere der Habsburgerzeit zu sanieren, die Hygiene zu verbessern und Wohnraum für die vielen Zuwanderer zu bauen. Heute ist die Stadt die grösste Vermieterin, nicht nur in Wien, sondern in ganz Europa. Rund 220'000 Wohnungen sind im Besitz der Stadt, in denen rund 500'000 Menschen wohnen. Weitere 200'000 gehören gemeinnützigen Wohnbauträgern. 60 bis 65 Prozent der Wienerinnen und Wiener leben in solchen geförderten Wohnungen mit unbefristeten Verträgen und konstanten Mieten. Es klingt wie ein Paradies für Mieter. Sowohl im Gemeindebau als auch in den Genossenschaften gelten staatlich regulierte Mieten, man zahlt deshalb nur bescheidene 6 bis 7 Euro pro Quadratmeter (inkl. Betriebskosten) – oder gut 500 bis 600 Euro für eine Durchschnittswohnung von 80 Quadratmetern. Künftig sollen noch mehr Genossenschaftswohnungen entstehen. Jährlich zusätzlich zwischen 7000 bis 13'000 neue. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig sagt: «Wir wollen Wohnungen, die sich die Wiener leisten können. Ich will nicht, dass Wohnen in der Stadt nur für Reiche möglich ist.» Ein Schurke, wer da poltisches Kalkül wittert. Geförderter Wohnbau ist noch immer eine Machtbastion im «Roten Wien». Kaum etwas erlaubt es der SPÖ besser, sich als Wohltäterin zu präsentieren. Keine soziale Treffsicherheit bei der Vergabe Im Vergleich zu Deutschland werden die Wohnungen nicht nur an sozial Schwächere vergeben. Um sich für eine Wohnung bewerben zu dürfen, darf das Maximaleinkommen einer Person nicht über 53'000 Euro netto liegen. Ein Betrag, der weiter über dem österreichischen Durchschnittslohn liegt. Der Nachteil dieses Regimes: Eine soziale Treffsicherheit bei der Vergabe von Wohnungen gibt es nicht. 90 Prozent der Österreicher fallen unter das Einkommenslimit. Der einkommensschwache Student, der einen Zuschlag für die Gemeindewohnung erhält, bleibt für immer dort. Im Nachhinein wird sein Einkommen nicht mehr kontrolliert, selbst wenn er längst Anwalt ist und sich eine Wohnung am freien Markt leisten könnte. Das Wiener Modell indes basiert nicht nur auf gefördertem Wohnbau, sondern auch auf einem strikten Mieterschutz. So gelten für einen grossen Teil der Altbauhäuser in Wien ebenfalls regulierte, oft sehr günstige Mieten. Generell dürfen die regulierten Mietpreise nur um die Inflationsrate erhöht werden, und Vermieter können Kosten für Renovierungen nur begrenzt überwälzen. Falls ein Mieter stirbt oder auszieht, gibt es weitgehende «Vortrittsrechte» für Kinder, Enkel oder andere Verwandte. Die Folge dieser Regulierungen: Ein Grossteil der Wiener Wohnungen ist dem freien Markt entzogen. Nur eine von acht Mietwohnungen lässt sich zu freien Konditionen vermieten. Dieses enge Segment beschränkt sich im Wesentlichen auf private Neubauten und sehr grosse Altbauwohnungen. Höhere Steuer- und Abgabenlast Die enormen Staatlichen Eingriffe haben ihre Schattenseiten. Die Warteliste derjenigen, die im geförderten Wohnraum leben möchten, wird zunehmend länger. Ende des vergangenen Jahres waren über 21'000 Personen für eine Gemeindewohnung vorgemerkt. Ein Anstieg um 26 Prozent in den letzten drei Jahren. In Wien herrscht heute eine Zweiklassengesellschaft: Zum einen der privilegierte «Mietadel», der seit Jahrzehnten in einer Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung lebt, den günstigen Vertrag von Verwandten übernommen hat. Auf der anderen Seite die jungen Familien und Zuwanderer, die auf dem freien Markt eine Wohnung suchen müssen. Ein Arzt wohnt für 500 Euro in der Altbauwohnung, die er von seiner Grossmutter übernommen hat. Eine junge Familie bezahlt in der Neubauwohnung das Vierfache. Zudem führt das Ausschalten der Marktkräfte dazu, dass sich Renovierungen für die Besitzer häufig nicht lohnen. Sie lassen Altbauten bisweilen verfallen. Gleichzeitig ist der soziale Wohnungsbau nicht gratis. Die Kehrseite der staatlichen Wohnbauförderung ist eine höhere Steuer- und Abgabenlast. Österreichweit gibt die Politik dafür rund 2,5 Mrd. Euro pro Jahr aus, etwa gleich viel wie für die Universitäten. Zudem leisten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Teil der Finanzierung, die ein Prozent ihres Bruttolohnes als «Wohnbauförderungsbeitrag» abliefern müssen.

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