«Wahnsinn der Woche» heisst eine Rubrik im wöchentlichen «Handelszeitungs»-Morning-Call von Markus Diem Meier und mir. Jede Woche einen neuen Wahnsinn zu finden, ist aktuell viel leichter als erwartet. 
Ein Ex-Chef von Novartis, der wohl genug zum Leben hat und doch noch meint, bei den Steuern tricksen zu müssen. Klimakleberinnen und Klimakleber, die sich von dem durch Klimakleben verdienten Salär einen Urlaubsflug nach Thailand gönnen. Eine deutsche Regierung, die Hunderte Milliarden neue Schulden macht und diese dann als Sondervermögen bezeichnet. Unsere Zentralbanken, die so tun, als ob es ein nachhaltiges Wirtschaften geben könnte, wenn die Zinsen unter der Inflationsrate liegen. Die Welt ist verrückt geworden.

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Oder anders ausgedrückt: Der Albtraum eines jeden anständigen Ökonomen oder einer jeden anständigen Ökonomin ist dabei, wahr zu werden. Die Annahme, dass sich die Menschen eigennützig verhalten, scheint zu funktionieren! Wenn ultrareiche Topmanager, links-grüne Aktivisten und sozialdemokratische Regierungschefs sich so verhalten, wie der «homo oeconomicus», der gerade von der ideologisch linken Seite der Gesellschaft immer wieder kritisiert wird, dann kann die Annahme nicht so falsch sein.

Die Annahme des Egoismus erklärt gesellschaftliche Entwicklungen leider gut

Sie haben richtig gelesen: Albtraum. Die Vorstellung, dass die Modellannahme des ausschliesslich eigeninteressierten Individuums Realität sein könnte, ist für die allermeisten Ökonomen und Ökonominnen bedrückend. Ich kenne kaum jemanden in meiner Zunft, der oder die meint, dass dieses Individuum ein normatives Ideal sei.

Aber leider taugt die Annahme des Egoismus erstaunlich gut, um gesellschaftliche Entwicklungen zu erklären. Beispiele gefällig? Wir wissen, dass, wenn wir Dinge künstlich verbilligen, die Nachfrage schneller wächst als das Angebot. Ein Blick auf den Wohnungsmangel in unseren Städten reicht, um zu verstehen, warum wir da sind, wo wir sind, und warum noch mehr Wohnraumverbilligung oder ein Mietpreisdeckel nicht die erhofften Resultate bringen werden. Oder schauen Sie auf das CO2-Problem: Die Ökonomie sagt uns voraus, dass wir, solange der CO2-Ausstoss den Konsumenten und die Konsumentin kaum etwas kostet, nicht erwarten können, CO2 wirklich ausreichend zu vermeiden.

Niemand will, dass wir uns alle ausschliesslich egoistisch verhalten, oder glaubt, dass dies der Fall ist. Trotzdem lässt sich aber der alltägliche Wahnsinn mit Ökonomie recht gut erklären – und wer das ignoriert, will offensichtlich etwas anderes als unsere Probleme wirklich lösen.

Die Kolumne «Freie Sicht»

In der Kolumne «Freie Sicht» schreiben neben dem Ökonomen Klaus Wellershoff von Wellershoff & Partners auch Reiner Eichenberger, Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg, sowie der «Handelszeitung»-Chefredaktor Markus Diem Meier. Die in den Kolumnen vertretenen Ansichten können von jenen der Redaktion abweichen.