Klaus Wellershoff: Energiekrise und Inflation sind Folgen unseres Staatsversagens

Auch wenn es wehtut, man sollte seine Fehler akzeptieren. Das gilt für jeden, auch für Politiker. Die aktuelle Inflation ist deutlich zu hoch. Das ist in erster Linie die Folge von Fehlern unserer Politik. Die Inflation vernichtet die Kaufkraft unserer Löhne, führt zu steigenden Zinsen und tieferen Vermögenswerten in unserer Altersvorsorge – und wird uns nach allem, was wir wissen, eine globale Rezession bescheren. Dabei ist die heutige Inflation nicht einfach das Resultat des russischen Überfalls auf die Ukraine, wie uns täglich erklärt wird. Der Inflationsanstieg war weltweit bereits vor Kriegsausbruch manifest und seine Ursachen liegen in der aus dem Ruder gelaufenen Fiskalpolitik während Corona, einer seit Jahren unnötig aggressiven Geldpolitik und einer unzureichenden Energiepolitik. Der Krieg in der Ukraine hat lediglich die Unzulänglichkeit unserer Energiepolitik aufgedeckt. Die Folgen einer fehlgeleiteten Politik Eine Energiepolitik, die angesichts des Ausfalls von nur einem Lieferanten eines Energierohstoffes bereits den Super-GAU eines Stromunterbruchs riskiert, muss falsch gewesen sein. Insbesondere wenn man bedenkt, dass Bundesbern noch im November 2020 eine Strommangellage als grösstes Risiko der Schweiz deklariert hat. Aus Fehlern muss man lernen. Es braucht mehr Redundanz im System, mehr Wettbewerb von Energieträgern und Stromerzeugungstechnologien und mehr Reservekapazität. Unser Plan war zu eng gestrickt. Wir brauchen mehr Pragmatismus und weniger Ideologie. Aus Fehlern lernen? Bisher nicht! Unsere Geldpolitik war seit Jahren zu expansiv und leider nicht mehr glaubwürdig. Man kann den Wechselkurs nicht dauerhaft schwächen, ohne eine höhere Inflation als bei den Nachbarn zu wollen. Und wer will das schon? Als Folge unserer Wechselkurspolitik haben wir unsere Basisgeldmenge stärker wachsen lassen als in Europa oder den USA und mit extrem tiefen Zinsen die Konjunktur angeheizt. Aus Fehlern muss man lernen. Tun wir das? Und unsere Fiskalpolitik? Die war im Gegensatz zur Geldpolitik zurückhaltender als bei unseren Nachbarn. Und dennoch: Auch bei uns sind die Defizite gewachsen und haben die Nach-Corona-Konjunktur über Gebühr angeheizt. Lernen wir daraus? Im Moment sieht es nicht so aus. Schon wieder ruft eine breite Mittelschicht nach staatlicher Unterstützung. Schon wieder riskieren wir, dass den wirklich Bedürftigen nicht wirklich geholfen wird. Dabei müsste doch nach der jüngsten Erfahrung klar sein, dass so etwas das Inflationsproblem nur vergrössert und dass die Kosten der Inflation gewaltig sind und alle treffen. Der Ökonom Klaus Wellershoff ist Gründer und Verwaltungsratspräsident von Wellershoff Partners und Honorarprofessor an der Universität St. Gallen. Bekannt ist er auch als ehemaliger Chefökonom der Grossbank UBS. In der Kolumne «Freie Sicht» schreiben ausserdem Isabel Martínez, Ökonomin an der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich, Reiner Eichenberger, Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg, sowie der «Handelszeitung»-Co-Chefredaktor Markus Diem Meier.

Klaus Wellershoff: Energiekrise und Inflation sind Folgen unseres Staatsversagens

Die Folgen eines Staatsversagens