Nun ist es passiert. Der Wirtschaftsminister himself, Guy Parmelin, will das Schweizer Strommarktregime auf den Kopf stellen und eine der Kernregeln ausser Kraft setzen. Unternehmen, die einst – auf der Suche nach billigerem Strom – von der Grundversorgung in die Marktbeschaffung gewechselt haben, sollen wieder in die regulierte Planwirtschaft zurückkehren können. Jetzt, da der Strom dort erstmals billiger ist. Geboren wurde diese Idee im Schweizerischen Gewerbeverband (SGV).

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Der Vorschlag hat auf verschiedenen Seiten für Kopfschütteln gesorgt. Und das ganz zu Recht. Denn was zunächst wie eine pragmatische Hilfe für KMU in Not tönt, verursacht grosse Probleme und belastet am Ende jene, die schon in der Vergangenheit mehr für den Strom bezahlt haben als andere.

Aber der Reihe nach: Warum überhaupt wurde die Regel ins Gesetz geschrieben, wonach jemand, der die Grundversorgung einmal verlassen hat, nie mehr zurückkehren kann? Ganz einfach. Weil sonst eine Regulierungs-Arbitrage möglich wäre. Oder anders gesagt: Weil Unternehmen sonst den Batzen und das Weggli kaufen könnten: In Zeiten mit hohen Marktpreisen könnten sie den Strom in der Grundversorgung zu Produktionskosten beschaffen, in Zeiten mit tiefen Marktpreisen zu – für die Stromwirtschaft – defizitären Preisen am Markt. Dieser Slalom ist zu Recht verboten.

Liesse man die Marktbeschaffer zurück in die Grundversorgung, hätte das zunächst mal schwere Folgen für die jeweiligen Versorger. Man stelle sich ein kleines Regionalwerk vor, das von heute auf morgen 10 Prozent mehr Strom beschaffen muss, um den neuen Kunden zu beliefern. Es hat dafür weder Verträge abgeschlossen noch die Kosten in seine Tarife für 2023 einberechnet. Ersteres bedeutet, dass es den Strom kurzfristig am Markt beschaffen müsste. Zweiteres, dass es die hohen Marktpreise vorerst nicht an die Kundinnen und Kunden abwälzen könnte – und damit ein grosses Defizit einfahren würde. Im schlimmsten Fall geht dem Stromversorger das Geld aus.

In einem zweiten Schritt müsste der Regionalversorger im Jahr darauf die Preise für seine Kundschaft anheben, um die Mehrkosten nachträglich wieder hereinzuholen. Ausgerechnet jene, die den Strom während Jahren – unter anderem unfreiwillig – zu den damals teureren Vollkosten beziehen mussten, müssten dann einen Mehrpreis bezahlen, der jenen zugutekommt, die zuvor von billigen Marktpreisen profitierten. Das ist nicht nur hochgradig unfair, sondern auch unlogisch. Mit der stets propagierten Marktwirtschaft hat so etwas wenig zu tun.

Sollten stromintensive Unternehmen wirklich in Notlagen kommen und aus volkswirtschaftlich legitimen Gründen gestützt werden, muss es dafür andere Methoden geben. Parmelins Idee gehört zurück an den Absender.

Michael Heim Handelszeitung
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