Die Inflation ist hoch, die Regierungspolitik inkohärent, der Bevölkerung gehts schlecht. Trotzdem bleibt Recep Tayyip Erdogan an der Macht – und steuert die Wirtschaft weiter in Richtung Abgrund. Das ist die Situation in der Türkei nach der Stichwahl am vergangenen Wochenende.

Die türkische Lira sank auf ein Rekordtief, innerhalb der letzten fünf Jahre verlor sie mehr als 80 Prozent ihres Werts gegenüber dem Dollar. Es ist die dramatische Folge der Inflation in einem Land, das viele Waren und Rohstoffe auf den Weltmärkten kaufen muss – und dessen Präsident erstens die Zentralbank kontrolliert und zweitens entgegen jeglicher ökonomischer Theorie handelt.

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Die türkische Wirtschaft ist ein bröckelndes Luftgebilde.

Statt die Zinsen zu erhöhen, hat Erdogan die türkischen Währungshüter gezwungen, jede Woche Milliarden der Auslandsreserven zu verkaufen. Die Rekordinflation von 85 Prozent im vergangenen Jahr halbierte sich so laut offiziellen Daten. Damit gelang es dem türkischen Präsidenten, die Illusion einer funktionierenden Wirtschaft während des Wahlkampfs aufrechtzuerhalten.

Doch Erdogans «Upside down economy» stösst zunehmend an ihre Grenzen. Die günstigen Kredite haben den Unternehmen kurzfristig mehr Investitionsfreiheit gegeben, aber die Wirtschaft nicht gerettet. Ökonominnen und Ökonomen rechnen damit, dass sich das Wachstum bald verlangsamt, weil die Regierungsgeschenke wie subventionierte Stromrechnungen ab- und die wirtschaftlichen Probleme zunehmen.

Erdogans wirtschaftliches Luftgebilde bröckelt bereits sichtbar: Am 19. Mai lagen die Devisenreserven mit minus 151,3 Millionen Dollar erstmals seit 2002 im negativen Bereich. Das heisst, die Türkei schuldet externen Stellen mehr Fremdwährung, als sie besitzt. Während sich die Lira weiter abschwächt, geht der türkischen Zentralbank das Geld aus.

Trotzdem behält Erdogan den ökonomischen Risikokurs bei. Denn sonst würde auch sichtbar, wie sehr er den Schuldenberg der Türkei erhöht hat. Nach Daten des Internationalen Währungsfonds hat der türkische Präsident die Staatsverschuldung in den vergangenen fünf Jahren mehr als vervierfacht. Erhöht er die Zinsen, steigen dafür die Finanzierungskosten für die Schulden.

Erdogan wollte um jeden Preis Macht und Wachstum.

Aus Erdogans ökonomischem Teufelskreis gibt es kaum einen Ausweg. Seit zwanzig Jahren verschiebt er die vergleichsweise junge türkische Demokratie systematisch in Richtung Autokratie. Den vielversprechenden Wachstumskurs, auf dem sich einer der zehn grössten Schwellenmärkte in seinen ersten Regierungsjahren befand, wollte er um jeden Preis beibehalten, während er gleichzeitig seine Macht ausgebaut hat. 

Solange Erdogan die Zentralbank kontrolliert, dürfte das Vertrauen in die türkische Währung schwach und die Inflation entsprechend hoch bleiben. Und was passiert, wenn der Staat pleite ist und sich der künstlich eingehegte Abwertungsdruck erstmal entfesselt, ist schwer vorherzusagen.