Wer IT-Produkte, etwa eine Software, über eine chinesische App bestellt, erhält sie deutlich billiger als hierzulande. Ein Beispiel: Auf der Plattform Aliexpress findet man das Office-Paket «Professional Plus» von Microsoft für 7.10 Franken. In der Schweiz sind es etwa beim Online-Shop Manor 34.95 Franken für eine lebenslange Nutzung.

Ähnliche Verhältnisse findet man bei Waren. Einen Akku-Bohrer der Marke Makita findet man beim chinesischen Anbieter für 11 Franken einschliesslich Versandkosten in die Schweiz, während das gleiche Modell hierzulande mindestens 80 Franken kostet.

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Neben den grundsätzlich grossen Preisunterschieden sticht ein weiterer wichtiger Unterschied ins Auge: Der Anbieter auf Aliexpress verrechnet keine Mehrwertsteuer, aber Manor tut dies. Und dies, obwohl alle Online-Shops seit 2018 dazu verpflichtet sind, Mehrwertsteuer auf Verkäufe an Schweizer Konsumenten zu entrichten.

Ueli Maurer sagte, hier habe die Schweiz «noch eine Lücke». Sie betreffe kleinere Anbieter, die Waren in die Schweiz über Plattformen – wie Amazon, Ebay oder Alibaba – liefern, aber keine Mehrwertsteuer zahlen. Maurer sagt, es es ein Ding der Unmöglichkeit, all diese kleinen Lieferanten zu finden. «Das heisst, dass wir die Plattformen besteuern möchten, über die die entsprechenden Unternehmen liefern. Damit sollte es möglich sein, die heute bestehende Lücke auch noch zu schliessen.»

Im Klartext: Etliche ausländische Betreiber foutieren sich um die Steuerpflicht für Versandhändler, die seit 2018 gilt. «Sie hinterziehen die Mehrwertsteuer», sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Dies führe zu Wettbewerbsverzerrungen, sei zum Nachteil von Schweizer Konkurrenten und führe zum Verlust an Steuersubstrat beim Bund. Laut Steuerverwaltung fehlen dem Bund jährlich deshalb rund 100 Millionen Franken Mehrwertsteuer.

Ebay-Werbung auf chinesischem Bus

Auch Occasions-Plattformen wie Ebay fallen unter die Steuerpflicht.

Quelle: Keystone

Diesen Missstand will das Parlament nun beheben. Kommende Woche will es die Bestimmungen im Mehrwertsteuergesetz verschärfen. Demnach soll nicht der einzelne Drittanbieter, sondern die Vermittlerplattform die Mehrwertsteuer eintreiben. Hauptbetroffene wären, neben den von Maurer erwähnten Plattformen, auch Zalando und Wish. Sie alle sehen sich heute als «Vermittler» und fordern keine Mehrwertsteuer für Verkäufe von Drittanbietern auf ihren Plattformen ein.

Die EU und Grossbritannien haben bereits gehandelt, die Schweiz noch nicht. Im genannten Beispiel würde Aliexpress verpflichtet werden, die schweizerische Mehrwertsteuer bei seinen Unterlieferanten einzutreiben. Unter Androhung von Sanktionen per Importverbot und einer Prangerwirkung durch Publikation.

Auch IT-App über Plattformen besteuern?

Doch über das Wer und Wie dieser Sicherstellung der Steuerpflicht gehen die Meinungen auseinander. Sollen nur Waren oder auch importierte IT-Dienstleistungen in die obligatorische Plattformbesteuerung einbezogen werden? Um die Sachlage am genannten Beispiel Aliexpress zu verdeutlichen: Gemäss dem Vorschlag des Bundesrates wäre der chinesische Vermittler künftig dazu verpflichtet, die Mehrwertsteuer für den Verkauf des Makita-Bohrers einzuziehen, weil es sich um eine Ware handelt. Dagegen hätte er für den Verkauf des Office-Pakets aber keine Steuer an die Schweiz sicherzustellen.

Deshalb will SVP-Fraktionschef Aeschi eine Verschärfung beantragen: Auch für den Verkauf von Dienstleistungen, Software und IT-Produkten ausländischer Anbieter in die Schweiz sollen die Plattformen die schweizerische Mehrwertsteuer eintreiben.

In der vorbereitenden Wirtschaftskommission des Parlaments waren die Verhältnisse äussert knapp: 10 Mitglieder stimmten für und 11 gegen eine neue Mehrwertsteuerpflicht der Plattformen für den Verkauf von Dienstleistungen Dritter.

Aeschi hat allerdings gute Chancen, sich im Nationalrat durchzusetzen. Neben der SVP und der FDP steht auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse auf seiner Seite. Seine Haltung dürfe auch weitere Bürgerliche der Parlamentsmitte überzeugen. Und so sind die Chancen intakt, dass die Plattformbesteuerung auf einen Schlag auch auf Dienstleistungen ausgeweitet wird – und dann debattiert werden muss, welche Dienstleistungen darunter fallen.

Plattformen wie Airbnb und Booking.com wären dem Vernehmen nach von der Regelung nicht betroffen, obwohl auch sie Dienstleistungen Dritter in der Schweiz anbieten.

Google Play und Apple-Store betroffen

Diese neue Regel zur Besteuerung von importierten IT-Dienstleistungen brächte laut Aeschi vor allem Google und Apple mit ihren App-Angeboten in Zugzwang. Heute sind Google Play und Apple Store Plattformen, die keine Mehrwertsteuer einziehen, sondern rechtlich gesehen nur vermitteln. Ergo schulden sie keine Mehrwertsteuer.

Schweizer App-Anbieter entrichten die Mehrwertsteuer, wenn sie an Endkunden verkaufen und über 100’000 Franken damit einnehmen. Das Gleiche gilt für ausländische App-Anbieter, sofern Endkunden in der Schweiz ihre App nutzen. Zahlen sie keine Mehrwertsteuer, so machen sie sich der Steuerhinterziehung schuldig. Dies bestätigt die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV): «Dann liegt möglicherweise ein nach den Bestimmungen des Mehrwertsteuergesetzes strafrechtlich relevantes Handeln (Steuerhinterziehung; Steuergefährdung) vor.» Mit der neuen «Aeschi»-Regel für Dienstleistungen wären Google oder Apple dazu verpflichtet, die Mehrwertsteuer sicherstellen.

Steuerrabatt auf Binden und Tampons?

Mit der gleichen Mehrwertsteuerrevision werden noch andere Steuerthemen mitbehandelt. Am meisten politischen Lärm verursachte die Debatte um die Frage, ob Monatshygieneartikel künftig nur 2,5 Prozent Mehrwertsteuer kosten sollen. Heute sind es 7,7 Prozent Mehrwertsteuer. Die Ratslinke verlangt dies, die Ratsrechte bekämpft den Vorschlag. Das Anliegen hat wohl viel mit Symbolpolitik zu tun und wenig mit effektiver Hilfe, denn die Einsparungen für Konsumenten wären minimal.

Beispiel OB-Tampons Super Plus, 32 Stück bei Otto's: Heute kosten sie 4.95 Franken. Neu käme die Binde auf 4.70 Franken. Die Käuferin würde 25 Rappen sparen. Auffälligerweise kein Thema war, dass beispielsweise Männer einen Steuerrabatt auf Rasierschaum oder Barttrimmer verlangen könnten.

Karussellbetrug verhindern

Mit der Reform soll auch der Steuerbetrug mit europäischen CO2-Emmissionsrechten besser unterbunden werden. In den letzten Jahren haben findige Leute einen Weg gefunden, wie sie im Dreieck mehrerer Länder die Mehrwertsteuer rückfordern können, ohne sie je bezahlt zu haben. Die Methode wurde unter dem Begriff «Karussellbetrug mit CO2-Emissionsrechten» bekannt.

Die Digitalkonzerne haben bisher nicht darauf reagiert. Dies dürfte sich wohl ändern, sobald Aeschis Vorschlag im Nationalrat als Erstrat der Vorlage angenommen würde.

Occasions-Artikel auf Ebay auch besteuern?

Ausgenommen bleiben die Verkäufe von Kleinanbietern, etwa Private an Private. Damit würde man meinen, dass etwa Occasionsverkäufe von Privaten über Ebay oder Ricardo ausgenommen sind, denn die Untergrenze der Steuerpflicht beginnt bei 100’000 Franken pro Jahr. Doch für Ebay und Ricardo gälten andere Regeln: Die gesamten Verkäufe aller Kleinkunden über diese Plattformen übersteigen locker diese Umsatzgrenze. Sie müssten dann die Mehrwertsteuer zahlen und die 7,7 Prozent auf ihre Kleinkunden überwälzen. De facto käme dies einer Steuererhöhung in der Schweiz gleich.

Dagegen regt sich ebenfalls Opposition. Die SVP und die Grünen wollen den Verkauf von Occasionsartikeln von der Steuerpflicht ausnehmen. Sie sind mit diesem Vorschlag noch in der Minderheit. Doch dies könnte sich ändern, weil die Meinungen nicht überall gemacht sind. Doch falls Ebay und Ricardo nicht genug stark lobbyieren, dann werden sie schon bald einmal kräftig mehr Steuern nach Bern abliefern als bisher.

Die Schweiz nimmt damit fast schon einen Teil der OECD-Digitalsteuerreform vorweg, über die international noch gestritten wird. Dieser Länderverein versprach, die grossen Plattformen wie Google und Co. in jedem Land einzeln zu besteuern. Gescheitert ist das Vorhaben bisher am Widerstand der USA mit ihrem Silicon Valley. Dass Bern jetzt Google, Apple, Aliexpress dennoch anpackt, ist beachtlich.

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BERN, 14.8.2019. Andreas Valda, Redaktor Handelszeigung. Foto: Daniel Rihs / 13 Photo
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