Peking gewinnt im Krieg um Seltene Erden

Die Meldung ging um die Welt: Im Norden Schwedens hat der staatliche Minenkonzern LKAB das grösste Vorkommen Seltener Erden in Europa entdeckt. Mehr als eine Million Tonnen des Rohstoffs sollen im Boden unterhalb der schwedischen Bergbaustadt Kiruna liegen, wie der Konzern vor einer Woche mitteilte. Der Fund hat wirtschaftliche und geopolitische Bedeutung. Das Städtchen Kiruna, von der Einwohnerzahl her vergleichbar mit Ortschaften wie Gossau SG oder Brig VS, erschien plötzlich auf der globalen Landkarte, zumal mit dem Fund die Hoffnung verbunden ist, dass Europa dadurch seine Rohstoff-Abhängigkeit von Ländern wie China, Russland oder Brasilien reduzieren kann. Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 chemisch ähnlichen Elementen, die in der Erdkruste vorkommen. Dazu gehören Elemente wie Cer, Dysprosium, Erbium, Europium und Yttrium. Diese Elemente werden in einer Vielzahl von industriellen und hochtechnologischen Anwendungen eingesetzt, darunter Elektronik, Verteidigungssysteme und saubere Energietechnologien. Zu den industriellen Grossabnehmern gehören Firmen wie Tesla und Apple. Sie vertrauen auf den Rohstoff, weil er einzigartige physikalische und chemische Eigenschaften hat, etwa eine hohe thermische Stabilität.LKAB: Das Firmenprofil Das Unternehmen ist vollständig im Besitz des Staates und hat im letzten vollen Jahr – das war 2021 – die Kassen mit einer Dividende in Höhe von 12,4 Milliarden Schwedischen Kronen gefüllt. Das sind umgerechnet 1,1 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Bei der Schweizerischen Post waren es im gleichen Zeitraum nur magere 50 Millionen Franken. Über 90 Prozent des Umsatzes erzielt der Bergbaukonzern mit der Förderung von Eisenerz. Die Gesamterlöse liegen bei 49 Milliarden schwedischen Kronen, das sind rund 4,4 Milliarden Franken. Der Return on Equity lag 2021 bei 39 Prozent – staatliche Vorgabe waren 12 Prozent. Knapp 4500 Personen arbeiten für die Firma. Ein wichtiger Geschäftspartner ist ABB. Zusammen mit dem schweizerisch-schwedischen Konzern und anderen Unternehmen entwickelt LKAB einen neuen, digitalen Standard für die Förderung von Mineralien. Dieser soll völlig autonom und frei von Kohlendioxidemissionen sein. Die Gewinnung und Verarbeitung ist schwierig und teuer. Hauptproduzent ist China. Rund 80 bis 85 Prozent der weltweit geförderten Seltenen Erden stammen aus der Region. China verfügt auch über die grössten bekannten Vorkommen: 45 Millionen Tonnen sollen im Boden des Milliardenreichs liegen. Brasilien und Vietnam verfügen gemäss Angaben der US-Regierung über die zweitgrössten Reserven. In ihren Böden sollen jeweils 22 Millionen Tonnen liegen. Die Schätze Australiens werden auf 3,4 Millionen Tonnen beziffert, jene der USA auf 1,4 Millionen Tonnen. Unklar sind die Vorkommen Russlands: Putin sagt, sein Land komme mindestens auf Platz zwei. Konkrete Beweise blieb er bislang schuldig, aber ein gewisses Vorkommen ist angesichts der geologischen Situation sicherlich vorhanden. Der Fund in Schweden katapultiert die Skandinavier auf einen Schlag in die Liga der USA. Es ist in dieser Hinsicht ein Sensationsfund. Gleichzeitig dürfte es Jahrzehnte dauern, bis die Schweden den Rohstoff erschlossen haben. Der Geschäftsführer des staatlichen LKAB-Konzerns sagte an der Medienkonferenz vor Wochenfrist, dass es normalerweise 10 bis 15 Jahre dauere, bis eine Abbauerlaubnis vorliege. Basierend auf früheren Erfahrungen schätzt die Bank Mirabaud die Dauer sogar auf 25 Jahre – ein Vierteljahrhundert. Bevor die Behörden grünes Licht zum Abbau geben, brauche es langwierige Umweltstudien und weitere Vorbereitungsarbeiten, sagen die Experten der Bank in einer Studie vom Donnerstag. Ein Substitut für Seltene Erden ist nicht bekannt. Das gilt im besonderen Mass für die eher schweren Metalle, die ganz spezifische Anwendungen in der Industrie haben. Bei Autoabgaskatalysatoren etwa wird Lanthan verwendet. In Leuchtstoffen für LED- und LCD-Displays sind Dysprosium, Terbium und Europium enthalten. Neodym-Magnete sind in Elektrofahrzeugen, Windturbinen und in der Unterhaltungselektronik verbreitet. Die einzige Alternative, um kurzfristig die Abhängigkeit von China und anderen Förderländern zu reduzieren, ist ein Fortschritt im Recycling. Apple geht diesen Weg und hat angekündigt, dass beim iPhone nur noch wiederverwendete Seltenen Erden verbaut werden sollen. Neun derartige Rohstoffe sind im Kultprodukt, 90 Prozent davon stammen aus China. Sie sind essenziell, unter anderem für Bauteile wie die Kamera oder das druckempfindliche Display. Kirunas Wirtschaft basiert seit mehr als einem Jahrhundert auf dem Bergbau, aber neue Aktivitäten müssen mit anderen Interessen in Einklang gebracht werden. Die Region liegt nördlich des Polarkreises und ist teilweise Naturschutzgebiet. Die indigenen Samen leben hier und züchten seit Jahrhunderten Rentiere. Sogar der Name der Bergbaustadt ist der Sprache der Samen entlehnt und bedeutet so viel wie Schneehuhn, das auch im Stadtwappen zu sehen ist. Der Rekordfund in Schweden verändert unterm Strich vorerst nichts am globalen Ungleichgewicht. Das Monopol von Peking bleibt ungebrochen. Und damit bleibt der Rohstoff auch eine strategische Waffe im globalen Haudrauf, zumal die kommunistische Regierung in der Vergangenheit wiederholt bewiesen hat, dass sie die Förderung und den Export Seltener Erden in erpresserischer Weise zu nutzen weiss. Vor etwas über zehn Jahren etwa hat Peking die Exporte gedeckelt, was den Preis auf dem Weltmarkt prompt in die Höhe schnellen und neue Konkurrenten entstehen liess. Fünf Jahre nach Einführung der Beschränkungen liess China wieder von der Politik ab, was die Preise ins Taumeln brachte und angerissene Projekte in den Abgrund stürzte. Die Experten von Mirabaud erinnern an Molycorp, einst der einzige Produzent von Seltenen Erden in Nordamerika. Das Unternehmen war «einer der bemerkenswerten Misserfolge bei der Kampagne zur Förderung dieser Metalle ausserhalb Chinas und musste 2015 Konkurs anmelden», wie es in der Studie vom Donnerstag heisst.Der Investment-Case Der Markt für Seltene Erden wird auf rund 15 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll in den nächsten Jahren ein durchschnittliches, jährliches Wachstum von fast 11 Prozent sehen, wie Mirabaud schreibt. Angesichts der steigenden Nachfrage, des knappen Angebots und der schwierigen Substituierbarkeit gehen viele Beobachter von steigenden Preisen aus, was unterm Strich eine Gewinnchance für Risikofreudige sein kann. Risikofreudig, weil der Rohstoff wie fast kein anderer Spielball der Geopolitik ist. Risikofreudig aber auch, weil nur wenige börsengehandelte Fonds ein Engagement in den Metallen bieten. Der direkteste Weg ist also ein Investment in ein Bergbau- und Explorationsunternehmen, was nicht nur Volatilität schaffen, sondern auch mit gewissen ESG-Themen kollidieren kann. Wer es trotzdem wagen will, findet hier eine Liste von Firmen, die an der Börse in Toronto oder Südostasien kotiert sind: Lynas Rare Earths Alkane Resources Greenland Minerals and Energy Mkango Resources Peak Resources Search Minerals Ucore Rare Metals