Weil es ohnehin wenig zu melden hat, wird die Besetzung des russischen Parlaments immer bunter. Raumfahrtlegenden, Olympiasieger und auch die Schlüsselfigur eines internationalen Giftmords tummeln sich in der neu gewählten Staatsduma. Weibliche Abgeordnete posierten schon nackt für Männermagazine.

«Der Ruf der Duma ist seit Jahren schlecht. Die Stars sollen das Image verbessern», meint die Soziologin Olga Kryschtanowskaja. Wenn Präsident Wladimir Putin an diesem Mittwoch (5. Oktober) die erste Sitzung eröffnet, sind die Vorwürfe weit weg, die Wahl sei gefälscht worden. Viele Russen blicken nur auf die Stars.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Marat Safin und Nikolai Walujew

Einer von ihnen ist der frühere Tennisstar Marat Safin. Er sei der «wohl am besten aussehende Mann in der Duma» sagt der zweifache Grand-Slam-Sieger gerne über sich - fügt aber einschränkend hinzu: «Das liegt auch daran, dass alle im Parlament schon über 60 sind.»

Der 36-jährige Safin schaffte ebenso den Wiedereinzug in die Duma wie Nikolai Walujew. Der frühere Box-Weltmeister nimmt in Sibirien immer wieder einmal an einer Suche nach dem Yeti teil, der sagenumwobene Schneemensch liess sich aber nicht blicken. Zumindest bislang.

Politkarriere aus Langeweile

«Die meisten Athleten haben eine Politikkarriere nach ihrer Profizeit eigentlich nicht nötig, aber viele langweilen sich schlicht», sagt der Sportjournalist Gennadi Orlow. Er könnte damit Olympiasieger wie Wjatscheslaw Fetissow und Wladislaw Tretjak (beide Eishockey), Irina Rodnina (Eiskunstlauf) und Alexander Karelin (Ringen) meinen. Fetissow brachte es einst gar zum Sportminister. Auch die sowjetische Schachlegende Anatoli Karpow sitzt seit Jahren in der Staatsduma.

Mit den erfolgreichen Athleten wolle die Putin-Partei Geeintes Russland auch davon ablenken, dass das Parlament mit 450 Sitzen keinen wirklichen Einfluss auf die Politik der Grossmacht habe, meint die kremlkritische Zeitung «Nowaja Gaseta». Die Sportler sollen der grauen Fraktion ein paar Farbtupfer verleihen. Bereits im Wahlkampf ging Geeintes Russland mit der Popularität der Stars auf Stimmenfang.

Sportler in der Politik sind durchaus nichts Ungewöhnliches. George Weah, Weltfussballer von 1995, scheiterte zwar 2005 bei der Präsidentenwahl in seiner afrikanischen Heimat Liberia. Besser ergeht es aber Vitali Klitschko: Der Ex-Boxer arbeitet als Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

«Fachwissen und Scharfsinn werden nicht verlangt»

Doch welche Abgeordnete kann schon wie Valentina Tereschkowa von sich behaupten, dass sie seit mehr als einem halben Jahrhundert Autogrammwünsche aus der ganzen Welt erhält? Die Russin Tereschkowa flog 1963 als erste Frau in den Kosmos und landete später weich auf einem Parlamentssitz: zunächst im Obersten Sowjet der UdSSR, dann in der Duma-Fraktion der Kremlpartei.

Ihr Nachbar dort ist Maxim Surajew, der 2014 mit dem Deutschen Alexander Gerst auf der Internationalen Raumstation ISS arbeitete. Auch die Ex-Kosmonautin Jelena Serowa schaffte es von der Schwerelosigkeit ins Parlament. «Fachwissen und politischer Scharfsinn werden nicht verlangt», sagt der Soziologe Alexej Lewinson. Vielmehr sollen die Polit-Promis der weithin ungeliebtem Bürokratenpartei Geeintes Russland zu mehr Akzeptanz verhelfen.

Hauptverdächtiger im Mord an Alexander Litwinenko

Dass die Kremlkraft im künftigen Parlament eine Zweidrittelmehrheit besitze, sei eher Ausdruck fehlender politischer Alternativen, meint er. «Es wäre aber falsch, zu denken, da sässen Idioten in der Duma», meint der Regierungskritiker Dmitri Gudkow. «Manche Abgeordnete sind weniger gebildet, aber dumm ist keiner. Viele sind richtig clever», sagt der langjährige Abgeordnete.

Damit könnte Andrej Lugowoi gemeint sein. Der ehemalige Geheimagent gilt bei der britischen Justiz als Hauptverdächtiger im Mord an Alexander Litwinenko. Der scharfe Putin-Kritiker war 2006 mit dem Gift Polonium-210 in London getötet worden - für Scotland Yard führt die Spur zu Lugowoi. Die Ermittlungen waren in vollem Gange, da liess sich Lugowoi 2008 demonstrativ in die Duma wählen. Die Arbeit im Parlament, versichert der 50-Jährige, sei wirklich spannend.

(sda/gku)