Frankreich hat noch kein Budget für das kommende Jahr. Die Regierung von Premierminister Sébastien Lecornu steht unter erheblichem Druck, Sparmassnahmen durchzusetzen und das Haushaltsdefizit zu reduzieren. Sie sieht sich jedoch mit einer zersplitterten Nationalversammlung ohne klare Mehrheit konfrontiert. Die Beratungen zum Haushalt laufen seit Monaten. Jetzt drängt die Zeit. Eine Verabschiedung des Haushaltsplans vor Jahresende ist ungewiss. Falls kein Haushalt verabschiedet wird, könnte die Regierung gezwungen sein, ein Budget ohne Abstimmung zu verabschieden oder ein Sondergesetz zu erlassen, um bestehende Steuern einzutreiben. Die Regierung plant, das öffentliche Defizit bis 2026 auf 4,7 Prozent des BIP zu senken und bis 2029 auf unter 3 Prozent zu bringen. Die Lage ist dramatisch: Die französische Staatsverschuldung beläuft sich auf 3,4 Billionen Euro, was einer Schuldenquote von etwa 115 Prozent des BIP entspricht. Allein die Ausgaben zur Bedienung der Staatsschulden betragen für 2025 voraussichtlich 67 Milliarden Euro.
Der Gastautor
Schwenk in die Schweiz: «Nach einer mehrwöchigen Vorbereitung durch ihre Subkommission und einer dreitägigen Budgetberatung in Anwesenheit aller Mitglieder des Bundesrates beantragt die Finanzkommission des Nationalrates ihrem Rat einen Voranschlag für 2026, der einen leichten strukturellen Überschuss von 138,7 Millionen Franken aufweist.» So lautet die Medienmitteilung des Sekretariats der Finanzkommission vom 19. November.
Während in Frankreich der Regierungschef um sein politisches Überleben kämpft, möglicherweise sogar Staatspräsident Emmanuel Macron, verströmt die Medienmitteilung des Sekretariats der Finanzkommission pure Routine und eine vollkommene Unaufgeregtheit. Dabei erlaubte sich die vorberatende Kommission durchaus Frivolitäten: 1,4 Millionen Franken mehr zur Unterstützung der inländischen Pflanzkartoffelproduktion. 10 Millionen Franken mehr zur Förderung des Strukturwandels im Weinbau. Oder eine halbe Million Franken mehr für die Aufstockung der Mittel für Familienorganisationen. Und so weiter.
Dies sind nur ein paar willkürlich genannte Bereiche, die mehr erhalten werden als ursprünglich vom Bundesrat beantragt. Die steigenden Ausgaben für Soziales und Sicherheit sind nicht einmal ein Thema.
«Dieses Spiel geht bereits seit Jahren so.»
Für Bundesbern kommt es sogar noch besser: Der Kanton Genf muss provisorische Steuerrechnungen für den Zeitraum von 2019 bis 2024 nachzahlen. Während der Energiekrise haben Energie- und Rohstoffhändler sehr hohe Gewinne erzielt, die von den Genfer Steuerbehörden bundesgesetzwidrig nicht provisorisch veranlagt wurden. In den Jahren 2025 bis 2028 erwartet der Bund deshalb Mehreinnahmen von 600 bis 800 Millionen Franken jährlich. Anstatt sich über den unverhofften Geldsegen für die Bundeskasse zu freuen, sorgte dies im Finanzdepartement für eine gewisse Verstimmung gegenüber den Genfer Behörden. Denn seit mehreren Jahren warnt die oberste Finanzchefin der Schweiz, Bundesrätin Karin Keller-Sutter, dass die Eidgenossenschaft ohne Sparmassnahmen bald strukturelle Defizite einfahren werde, die mit der Schuldenbremse nicht mehr vereinbar seien. Solche dürften nun frühestens nach 2027 eintreten – beim Sparen besteht offenbar keinerlei Eile.
Dieses Spiel geht bereits seit Jahren so. Die Rechnungsabschlüsse des Bundes stellen sich immer wieder als besser heraus, als das Budget erwarten liess. Die Verstimmung im Finanzdepartement ist daher verständlich. Denn diese ungeplanten Mehreinnahmen erlauben ein «Weiter so» ohne klare Priorisierung, und sie untergraben letztlich das finanzpolitische Vertrauen. Alles scheint finanzierbar, kleine und natürlich grössere Frivolitäten, rundum Sorglosigkeit. Der Kontrast zu Frankreich könnte nicht grösser sein.
