Trotz – oder gerade wegen – der Annexion der Krim geniesst Russlands Staatspräsident Wladimir Putin in der breiten Bevölkerung grossen Zuspruch. Die Elite des Landes scheint jedoch das Gegenteil zu denken. Viele von ihnen wollen Russland den Rücken kehren – und das am besten so schnell wie möglich.

Vor allem eine Berufsgruppe scheint in diesen Wochen alle Hände voll zu tun zu haben: Reiche Russen beauftragen Ahnenforscher damit, die Familienstammbäume zu durchforsten, um möglicherweise eine andere Staatsbürgerschaft annehmen zu können. Dies berichtet das Wirtschaftsportal «Business Insider». «Das sind Leute, die schon Geld gemacht haben und nun Angst haben, es zu verlieren» wird Ahnenforscher Wladimir Paley aus Moskau zitiert.

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«Warum nicht gehen?»

Immer mehr Menschen in Russland, vor allem Angehörige von Minderheiten, sind nicht einverstanden mit Putins Kurs. «Ich teile nicht die Meinung von 90 Prozent des Landes», sagt dem Bericht zufolge etwa Tatjana Konkova, eine russische Literaturlehrerin und Sängerin. «Ich fühle mich hier inzwischen wie eine Ausländerin, warum also nicht gehen?» Konkova ist dabei, ihr Haus in einem Moskauer Vorort zu verkaufen und will mit ihrem siebenjährigen Sohn nach Georgien ziehen.

Wie so viele vor ihr: Die offiziellen Zahlen des russischen Statistikamts zeigen laut «Business Insider», dass im vergangenen Jahr über 186'000 Menschen Russland verliessen. 2012 waren es noch knapp 123'000, 2011 nur 37'000 und 2010 sogar lediglich weniger als 34'000. Doch Experte glauben offenbar, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. Die offiziellen Migrationszahlen seien sehr niedrig, sagt Mikhail Gorshkow, Direktor von Russlands wissenschaftlichem Institut für Soziologie, ISRAS.

«In der Wirtschaftselite herrscht Panik»

Bereits in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass sich unter Russlands Milliardären zunehmend Panik breit macht. Für viele ist klar, dass Präsident Wladimir Putins Politik in der Ukraine das Land ins globale Abseits und in den wirtschaftlichen Ruin treibt. Aus Angst vor Repressalien getraue sich zwar kaum jemand Putins Politik offen zu kritisieren, sagte Igor Bunin vom russischen Think Tank Center for Political Technology. «Doch in der Wirtschaftselite herrscht Panik.»

Diese dürfte nach weiteren Strafmassnahmen der Europäischen Union (EU) gegen Russland nun noch zusätzlich wachsen. Am morgigen Dienstag wird die EU voraussichtlich erstmals Wirtschaftssanktionen gegen das Land verhängen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy bat die 28 Staats- und Regierungschefs der EU um rasche persönliche Zustimmung zu den neuen Strafmassnahmen.