Strom für neues PJZ zu spät bestellt: Last-Minute-Strombeschaffung kostet Zürich Millionen

Das Amt spricht von einem «Versäumnis», der externe Strommarkt-Berater kritisiert das Vorgehen, und unter dem Strich bleiben Mehrkosten im Millionen-Bereich. Das erst vor einem Monat offiziell eröffnete, riesige kantonale Polizei- und Justizzentrum Zürich startet gleich mit einer Beschaffungspanne in den Betrieb, wie Recherchen der «Handelszeitung» zeigen. Wie viele private Grosskunden kämpft der Kanton Zürich mit der Strombeschaffung. Beinahe wäre er nun selbst in einen Nottarif gerutscht. Was ist passiert? Erst jetzt – Ende November – ist es dem Zürcher Immobilienamt gelungen, einen Stromliefervertrag für 2023 abzuschliessen. Dies, nachdem der Markt noch bis vor kurzem so illiquide war, dass gar keine Verträge mehr abgeschlossen werden konnten. Die Submission sei jetzt abgeschlossen, die Strombeschaffung gesichert, sagt Amtsleiterin Katrin Leuenberger. Grundsätzlich gute Nachrichten. Allerdings auch sehr teure für die Steuerzahlenden. Denn diese Last-Minute-Beschaffung führt zu sehr hohen Strompreisen für die rund 10 Millionen Kilowattstunden, die der Bau pro Jahr verbrauchen wird. Ohne Beschaffungspannen hätte der Strom einen Bruchteil davon gekostet. Zwar will das Amt nicht offenlegen, zu welchen Kosten es den Strom bezieht. Doch ein Blick auf die aktuellen Preise hilft weiter. Derzeit müsse man rund 39 Rappen pro Kilowattstunde bezahlen, wenn man Strom für 2023 ordern wolle, sagt Andreas Tresch vom Beratungsunternehmen Enerprice. «Somit dürfte das Jahr 2023 rund 3,9 Millionen Franken kosten.» Hätte das Amt – wie sonst offenbar üblich – den Strom bereits vor einem Jahr eingekauft, hätte er noch einen Viertel gekostet. «Damals lagen die Kosten für denselben Einkauf bei 1 Million», rechnet Tresch vor. Die Preisdifferenz also: rund 2,9 Millionen Franken pro Jahr. Das Amt hat die Grundversorgung verlassen, ohne zu wissen, was der Strom kosten wird Noch höher ist der Aufpreis verglichen zu dem, was das PJZ im Moment bezahlt. Noch befinde sich dieses nämlich in der staatlich regulierten Grundversorgung, wo der Strom zu Gestehungskosten geliefert wird, sagt Leuenberger. Die Grundversorgung ende jedoch mit dem laufenden Jahr. Ab dann muss das PJZ am Markt einkaufen. Dass das so ist, verursacht ebenfalls Stirnrunzeln. Warum wechselt das PJZ überhaupt in die Marktbeschaffung, wenn der Strom über die Grundversorgung aktuell viel billiger ist? Der Kanton habe bereits im Sommer 2021 entschieden, das PJZ für die Strombeschaffung am Markt anzumelden, sagt Leuenberger. Damit habe man keine Möglichkeit mehr gehabt, über das Jahr 2022 hinaus zum Grundversorgungstarif Strom zu beschaffen. «Einmal frei, immer frei», zitiert Leuenberger einen zentralen Grundsatz des Stromversorgungsgeschäfts. Wieso aber meldete der Kanton den Betrieb für die Marktbeschaffung an, ohne gleichzeitig die Stromlieferung abzusichern? Das erstaunt auch den Profi. «Man geht nicht in den Markt, ohne die Strombeschaffung geklärt zu haben», sagt Berater Andreas Tresch dazu. «Weil man sonst ja nicht weiss, was man bezahlt.» Die meisten Kunden schauten sich die Preise in der Grundversorgung an und gehen erst in den Markt, wenn es sich im Vergleich lohnt, so der Energieexperte. Schon im Sommer 2021 zeigte der Trend bei den Marktpreisen deutlich nach oben, wenn auch noch auf einem tieferen Niveau. Im Sommer 2021 sei das PJZ noch im Bau gewesen, verteidigt sich die Amtschefin. «Ein Vertragsabschluss war zu dem Zeitpunkt gar nicht möglich, da die Höhe des Verbrauchs noch nicht abgeschätzt werden konnte.» Weshalb der Kanton das PJZ dennoch zur Marktbeschaffung anmeldete, erklärt Leuenberger nicht. Ebenfalls nicht erklären kann Leuenberger, weshalb bis ins Jahr 2022 mit der Beschaffung zugewartet wurde. Leuenberger räumt Fehler ein. «Dass wir jetzt mit dem Stromliefervertrag so spät dran sind, ist ein Versäumnis.» Und nach dem Motto «Lieber spät als nie»: «Wenn wir jetzt nicht beschaffen, würde es noch teurer werden.» Der Kanton Zürich hat Glück, dass sich die Strommärkte in den letzten Wochen wieder deutlich entspannten. Noch vor wenigen Wochen sah es nämlich danach aus, dass das PJZ gar keinen Lieferanten für 2023 finden würde. Das wäre wohl noch teurer geworden. Einige grosse Stromkunden befinden sich bereits in der – teuren – Strom-Nothilfe Leuenberger bestätigt, dass die Marktlage noch vor kurzem danach aussah, dass ein Vertragsabschluss unter Umständen gar nicht möglich wäre. Die Folge: Das PJZ wäre in eine Art «Strom-Nothilfe» gerutscht und hätte den Strom zum sogenannten Ersatztarif beziehen müssen (siehe Box unten). Entsprechende Gerüchte machten in Behördenkreisen bereits die Runde. Unter dem Ersatztarif wäre das kantonale Amt gezwungen gewesen, den Strom der städtischen Netzbetreiberin EWZ auf Basis des kurzfristigen Börsenpreises abzukaufen. Zahlreiche Grosskunden stecken derzeit in so einem Nottarif. Derzeit gilt beim EZW für die sogenannte «Ersatzenergie» ein Preis von 1.40 bis 1.82 Franken pro Kilowattstunde. Noch mehr als das, was das PJZ nun zahlen wird. Und noch viel mehr als das, was es gezahlt hätte, wenn das kantonale Immobilienamt den Strom rechtzeitig beschafft hätte. Die Lichter im neuen PJZ wären mit der Ersatzenergie auch über die Weihnachtszeit hinaus angeblieben. Die Bescherung wäre allerdings teuer geworden. Ab in die Nothilfe: Das passiert mit Stromkunden ohne Liefervertrag Beinahe wäre der Kanton Zürich mit seinem neuen Polizei- und Justizzentrum in die Strom-Sozialhilfe gerutscht. Marktkunden, die es verpassen, einen Stromliefervertrag abzuschliessen, werden nämlich von ihrem jeweiligen Netzbetreiber über einen sogenannten Ersatztarif versorgt. Recherchen zufolge gibt es derzeit einige Betriebe in einer solchen Ersatzversorgung. Beim Stadtzürcher EWZ gibt es einen Kunden mit Ersatzenergie, die Bündner Repower nennt «einige wenigen» Kunden. Das Zürcher Kantonswerk EKZ spricht von acht Kunden im Ersatztarif. Zwischenzeitlich seien es mal 16 gewesen, doch ein Teil davon konnte wieder einen Energielieferanten finden, so ein Sprecher. Strompreise wie am Spotmarkt Anders als Kunden in der Grundversorgung, die Strom zu Produktionskosten beziehen können, sehen sich Kunden im Ersatztarif mit sehr hohen Strompreisen konfrontiert. Sie erhalten den Strom nämlich zu kurzfristigen Marktpreisen geliefert. Und dies, weil die Netzbetreiber diesen Strom ja auch kurzfristig beschaffen müssen, um die vertragslosen Stromabnehmer beliefern zu können. Diese Ersatztarife sind denn auch gesalzen. Zwischenzeitlich kostete der Strom – je nach Netzgebiet – 1.50 bis 2.00 Franken pro Kilowattstunde. Und dies noch ohne die Kosten für Netz und Abgaben. Einige Versorger legen diese Preise regelmässig im Voraus fest. So gilt in der Stadt Zürich derzeit ein Hochtarif von 1.82 Franken pro Kilowattstunde zuzüglich Mehrwertsteuern. Andere Netzbetreiber wie die Basler IWB verrechnen rückwirkend die effektiven Beschaffungskosten am Markt – zuzüglich einer happigen Bearbeitungsgebühr. Spannend wird es Mitte Dezember Die grosse Überraschung für die Netzbetreiber dürfte Mitte Dezember kommen. Die meisten Stromlieferverträge laufen bis Ende des Kalenderjahrs. Spätestens zehn Arbeitstage vor Auslaufen werden die Netzbetreiber darüber informiert, wenn ein Vertrag ausläuft. Dann wissen sie auch, wie viel Strom sie zusätzlich aufs neue Jahr hin für die vertragslosen Kunden beschaffen müssen. Das eine oder andere Netz hat sich die Notlage der Kunden zunutze gemacht. Statt des teuren Ersatztarifs biete man Kunden ohne Vertrag einen leicht günstigeren Übergangsvertrag an, wenn die Kunden anschliessend einen regulären Stromliefervertrag abschliessen, sagt der Sprecher der Basler IWB.