Die Mitteilung mutet an wie aus dem vorindustriellen Zeitalter: «Der Bundesrat begrüsst die Regelung der Telearbeit.» Das weckt Erinnerungen an die Zeiten, in denen Telefonistinnen Gespräche annahmen und die gewünschten Teilnehmer vermittelten. Nur hat diese jüngste Entscheidung nichts mit der Telefonie im 20. Jahrhundert zu tun. Im Gegenteil, sie handelt von den aktuellen Auswirkungen der Digitalisierung: Es geht um die Regelung der Arbeitszeit im Homeoffice.

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Wieder einmal wagt sich die Wirtschaftskommission des Nationalrats an die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Denn heute ist es verboten, mehr als 45 Stunden pro Woche zu arbeiten. Oder mehr als zwei Stunden Überzeit pro Tag anzuhäufen. Und beim sonntäglichen Versand von E-Mails steht von Gesetzes wegen die HR-Polizei im Haus.

Wer regelmässig im Homeoffice arbeitet, reibt sich die Augen ob solch überholter Regeln. Denn zu Hause im Büro arbeiten viele dann, wenn es am besten in den privaten Alltag passt: spätabends, wenn die Kinder im Bett sind. Am Wochenende, wenn keine Kolleginnen die Konzentration stören. Am frühen Morgen, um den Pendlermassen auszuweichen und den späteren Zug zu nehmen.

Die Politik will der Digitalisierung im Homeoffice nachkommen

Auch die Politik hat diese Entwicklung erkannt und will ihr Rechnung tragen: Erstens soll die Arbeit künftig in einem Zeitraum von 17 statt 14 Stunden erledigt werden können, also zwischen 6 Uhr morgens und 23 Uhr abends. Zweitens minimiert sich die vorgeschriebene Ruhezeit von 11 auf 9 Stunden – im Vierwochenschnitt muss sie aber weiterhin 11 Stunden betragen. Und drittens soll man in Zukunft an sechs Sonntagen pro Jahr höchstens fünf Stunden lang bewilligungsfrei arbeiten dürfen.

Das ist eine Verbesserung – aber noch immer völlig realitätsfern. Weder entspricht diese Regelung dem realen Verhalten der Arbeitnehmenden, noch stellt sie die Arbeitgebenden zufrieden.

Nicht einsehen wollen das die Gewerkschaften. Sie monieren einen «Angriff auf die Gesundheit der Arbeitnehmenden» und warnen vor der Ausbeutung durch das kapitalistische Ungeheuer Arbeitgeber. Es lasse dank der neuen Regelung die Arbeitnehmenden bis zum Umkippen schuften und verwische die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Doch das stimmt nicht.

Eine Flexibilisierung ist keine Erhöhung der Arbeitsstunden

Eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist im Sinne der Arbeitnehmenden. Es geht hier nicht um Fabrikarbeiterinnen oder Migros-Verkäufer, sondern um Menschen, die ihre Arbeit stark gestalten können. Dank Homeoffice haben sie die Autonomie, in den eigenen vier Wänden dann zu arbeiten, wenn es am besten passt. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit bedeutet aber nicht, dass sie grundsätzlich mehr arbeiten oder mitten in der Nacht erreichbar sein müssen.

Dass Arbeitgeber weiterhin gebüsst werden können, wenn Mitarbeitende am Sonntagnachmittag ein E-Mail beantworten oder unter der Woche eine Nachtschicht einlegen, um mit ihrer Arbeit fertig zu werden, ist ein Anachronismus. Die vorgeschlagene Regelung kann nur ein erster Schritt sein, weitere Schritte müssen folgen.