Das Weltwirtschaftsforum (WEF) ist ein Projekt zur Verbesserung der Welt. Das drückt sich allein in den ansonsten nicht allzu konkreten Leitsprüchen des nächste Woche in Davos wieder stattfindenden Grossanlasses aus. Das Motto diesmal: «Kooperation in einer fragmentierten Welt». 

Weil es WEF-Gründer Klaus Schwab gelungen ist, über die Jahrzehnte den Anlass zu einem Stelldichein der Mächtigsten der Welt zu machen, könnte man glauben, er selbst und seine Organisation hätten für dieses hehre Ziel auch den nötigen Einfluss. Verschwörungstheoretiker trauen ihm deshalb umgekehrt sogar zu, die Fäden bei vielen düsteren Entwicklungen selbst in der Hand zu haben. 

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Doch die «Leaders and Shapers» zu versammeln – wie die Eliten im WEF-Jargon heissen –, ist nicht das Gleiche, wie selbst «Leader and Shaper», Anführer und Gestalter, der Welt zu sein. Weder das WEF noch Klaus Schwab noch irgendeine Elite ist in der Lage, allzu viel zu gestalten. Bei den Einschätzungen zu den Möglichkeiten des WEF teilen bis zu einem gewissen Grad die Verschwörungstheoretiker und das WEF selbst die Überschätzung der eigentlichen Möglichkeiten.

Weder Klaus Schwab noch sein WEF haben viel Einfluss

Die Entwicklungen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft sind viel zu komplex, zu unvorhersehbar und chaotisch, als dass sie von oben herab gesteuert werden könnten, und deshalb nie und nimmer planbar – von niemandem. 

Seit Jahren verliert überdies das WEF auch mit seinen Idealen an Bedeutung. In der Blütezeit der Globalisierung schien es immerhin noch plausibel, dass die Obrigkeiten der integrierten Weltgemeinschaft zusammensitzen und gemeinsam nach Lösungen suchen. 

«Dank Entwicklungen in der jüngsten Vergangenheit hat das WEF auch seine ideelle Bedeutung für die Eliten weitgehend eingebüsst.»

Tatsächlich hatte der Davos-Erfolg schon damals nur am Rand mit diesem Ideal zu tun. Aber der Anreiz für die Eliten aus allen Ländern war in der damals besonders stark integrierten Welt grösser, sich gegenseitig zu verknüpfen, sich auszutauschen und Geschäfte zu pflegen. Wer in der globalisierten Welt als etwas gelten wollte, musste in Davos dabei sein, «Davos Man» sein. 

Eingebüsste Davos-Ideale

Dank Entwicklungen in der jüngsten Vergangenheit hat das WEF auch seine ideelle Bedeutung für die Eliten weitgehend eingebüsst. Die Finanzkrise, die Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident, der Handelskrieg zwischen den USA und China und dann der Überfall von Russland auf die Ukraine haben schliesslich das Ideal der integrierten und globalisierten Welt untergraben und ersetzt durch das Ideal des nationalen Eigeninteresses oder jenes von Blöcken und eine stärkere Fragmentierung auch der Weltwirtschaft. 

Doch wenn man vom übertriebenen Selbstanspruch abstrahiert, bleibt das WEF eine wertvolle Sache. Orte, wo sich Menschen mit einem gewissen Einfluss austauschen, gibt es ansonsten immer weniger. Daran ist nichts schlecht – im Gegenteil, genauso wenig wie das Geschäftsinteresse. Und der kleinen Schweiz verschafft der Anlass immerhin eine gewisse Bedeutung auf der Weltbühne, die sie ansonsten angesichts der gewachsenen Konflikte zwischen den Grossen zunehmend zu verlieren droht. 

Markus Diem Meier
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