Die Finanzminister und Notenbankchefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) fürchten erhebliche Risiken für die Weltwirtschaft. Der deutsche Finanzminister Christian Lindner sagte am Freitag in Berlin, dazu gehörten die hohe Inflation und Lieferkettenprobleme in vielen Branchen. Grund zur Sorge gebe es aber auch wegen geopolitischer Risiken wie dem Ukraine-Konflikt.

Der Westen wirft Russland vor, einen Angriff auf die Ukraine vorzubereiten. Es habe dazu einen sehr offenen Austausch gegeben, so Lindner. Der Konflikt müsse dringend entschärft werden.

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G7 hatten mit Sanktionen gegen Russland gedroht

Indonesien als Gastgeberland des G20-Treffens in Jakarta veröffentlichte zunächst kein Abschlussdokument. Insidern zufolge gab es bis zuletzt noch Gesprächsbedarf. Einem aktualisierten Entwurf zufolge wurde eine zuvor in Erwägung gezogene Formulierung zu «aktuellen geopolitischen Spannungen» abgeschwächt - Insidern zufolge auf Druck von Russland und China.

Die sieben führenden Industrienationen (G7) hatten dagegen Anfang der Woche Russland noch mit scharfen Sanktionen gedroht, sollte der Konflikt eskalieren.

«Das globale Umfeld ist herausfordernd», sagte Lindner, der erstmals an G20-Beratungen teilnahm. Zumindest schienen die meisten Ursachen der Inflation temporärer Natur zu sein. Im Entwurf zur Abschlusserklärung heisst es, die konjunkturelle Erholung gehe voran, wegen neuer Infektionswellen in der Pandemie aber mit weniger Tempo.

Die G20-Staaten wollen weiter alle Möglichkeiten nutzen, um die Folgen der Corona-Krise abzufedern. Die Spielräume würden aber wahrscheinlich enger. Ausserdem warnen die G20 vor einer sehr unterschiedlichen Erholung von Land zu Land, was unter anderem am Zugang zu Corona-Impfstoffen und Medikamenten liegt.

Globale Steuerreform soll schnell kommen

Frankreich und Deutschland drängten zudem auf eine schnelle Umsetzung der globalen Steuerreform - planmässig ab Anfang 2023. «Es ist fraglos ein ambitionierter Zeitplan», sagte Lindner. Die Bundesregierung stehe aber dazu. Es sei ein wichtiges Vorhaben für mehr Steuergerechtigkeit. Ähnlich äusserte sich Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire: Es gebe kein Zurück. «Wir müssen vorangehen.»

Der deutsche Industrieverband BDI hatte diese Woche betont, 2024 wäre sinnvoller, um genug Zeit für Vorbereitungen zu haben. Knapp 140 Staaten haben sich unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD auf die Steuerreform geeinigt. Kernstück ist eine Mindeststeuer für internationale Konzerne in Höhe von 15 Prozent.

Dies soll die Verlagerung von Aktivitäten in Steueroasen zumindest eingrenzen. Die neuen Regeln sehen auch eine Besserstellung von Schwellenländern vor. Sie sollen deutlich mehr Steuereinnahmen von den grössten Konzernen der Welt abbekommen. Allerdings ist offen, ob die US-Regierung von Präsident Joe Biden die Regeln durch den Kongress bringt.

Zinswende fordert verschuldete Staaten heraus

Besonders umstritten war Lindner zufolge das Thema Entschuldung von Staaten. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) sind rund 60 Prozent der Entwicklungsländer - vor allem aus Afrika - bereits wegen ihrer Schulden in einer Notlage oder davon akut bedroht.

Nach Berechnungen der Weltbank müssen 74 Entwicklungsländer dieses Jahr zusammen 35 Milliarden Dollar an ihre Gläubiger zurückzahlen – in einer Zeit, in der die Zinsen wieder steigen und die Finanzierungskosten besonders für riskantere Anlagen teurer werden.

In den ersten beiden Corona-Krisenjahren 2020 und 2021 wurden den ärmsten Ländern alle Zins- und Tilgungszahlungen noch gestundet, damit sie Geld haben, gegen die Pandemie anzukämpfen. Diese Hilfen sind mittlerweile ausgelaufen, weswegen der Druck jetzt steigt. Die G20-Länder hatten sich in der Krise auf einen Rahmen (Common Framework) verständigt, wie künftig mit Fällen umgegangen werden soll, wenn ganze Länder vor der Pleite stehen.

Insidern zufolge funktionieren die Pläne nicht, weil China als grösster Gläubiger vieler Staaten in der Praxis keine Schulden erlassen will. Länder wie Sambia, Äthiopien oder der Tschad warten trotz Anträgen beim Common Framework noch auf Hilfen. Der IWF will, dass Entscheidungen dort schneller gefällt und Zinszahlungen während der Verhandlungen eingefroren werden.

Lindner sagte, der Common Framework müsse attraktiver für überschuldete Länder werde. Es brauche zudem mehr Schuldentransparenz. «Hier sind weitere Gespräche nötig.»

(reuters/ske/me)