Ueli Maurer hat genug. Der Schweizer Finanzminister tritt Ende des Jahres zurück. «Die Lust, noch etwas anderes zu machen, ist grösser geworden», verkündete der 71-Jährige am Freitag. Der SVP-Mann förderte Frauen und die Digitalisierung, aber ein Aushängeschild für die Schweiz war er nur beschränkt. Eine Einschätzung seines Wirkens:

1. Maurer und das Sparen

Nichts tat Ueli Maurer, der diplomierte Buchhalter, lieber als Erfolgsrechnungen durchstöbern und nach Überflüssigem Ausschau halten. «Wir müssen jeden Stein umdrehen», lautete sein Credo, als er das von ihm wenig geliebte Militärdepartement («Die beste Armee der Welt») abgab und Anfang 2016 ins Finanzministerium wechselte. Sein zweiter Leitspruch als Buchhalter Nötzli: «Schulden machen ist gefährlich.»

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Damit war er in Bern allein auf weiter Flur, weil Politikerinnen und Politiker liebend gerne Geld ausgeben, das andere verdient haben. Und der Anreiz war besonders gross bei tiefen Zinsen und vollen Kassen. Doch Maurer hielt dagegen und senkte 2017, 2018 und 2019 die Ausgaben und die Schuldenlast. Es war eine Vorsehung, denn mit angezogener Schuldenbremse, Entlastungsprogrammen und tieferen Schulden konnte der Staat fit in die Corona-Krise einsteigen, welche die Staatsschulden wieder massiv anschwellen liess.

Sein Kalkül ging auf. Maurer war eine wohltuende Ausnahmeerscheinung: Mass halten – dies im Gegensatz etwa zum freisinnigen Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann, der 2011 die Wirtschaft mit einem 2-Milliarden-Hilfsprogramm unterstützen wollte, um die Frankenstärke abzufedern. Sein Geldverteilplan löste sich in Luft auf, auch weil die Firmen auf das Geld aus Bern gar nicht angewiesen waren.

Seine Leistung: 4 von 5 möglichen Punkten

 

2. Maurer und die Frauen

Obwohl die SVP bei Linken als chronische Macho-Partei gilt, hat Maurer die Frauen in seinem Umfeld stets – ohne grosse Sprüche – gefördert. «Er lebt, was die Linken fordern», lobte ihn dafür gar die frühere SP-Politikerin Chantal Galladé. 

So ernannte er Daniela Stoffel zur Staatssekretärin für internationale Finanzfragen. Auch schlug er die Bündnerin Barbara Janom Steiner als Präsidentin des Bankrates der Schweizerischen Nationalbank vor. Richtig, Janom Steiner, einstige SVP-Präsidentin im Kanton Graubünden, die später ins Lager der SVP-Erzfeindin Eveline Widmer-Schlumpf wechselte und als Vizepräsidentin des Widmer-Schlumpf-Fanclubs BDP agierte.

Bundesrat Ueli Maurer, rechts, diskutiert mit Chantal Gallade, Nationalraetin SP-ZH, waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 16. Maerz 2009 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

«Er lebt, was die Linken fordern», lobte die frühere SP-Politikerin Chantal Galladé einst den scheidenden Finanzminister. 

Quelle: Keystone

Oder er ernannte im Frühling 2021 Rahel von Kaenel, seine ehemalige Generalsekretärin im Finanzdepartement, zur neuen Direktorin des Eidgenössischen Personalamts. Auch hier sprang der frühere SVP-Parteipräsident Maurer über seinen Schatten, denn von Kaenel war vorher die persönliche Mitarbeiterin von Widmer-Schlumpf. Kompetenz war ihm offenkundig wichtiger als parteipolitische Machtkämpfe.

Das galt auch für Serge Gaillard, den langjährigen Direktor seiner Eidgenössischer Finanzverwaltung, der einst als Geschäftsführender Sekretär beim linken Gewerkschaftsbund begann und der seit Jahren nur in höchsten Tönen über den SVP-Mann redet.

Seine Leistung: 3/5

 

3. Maurer und das Marketing

Artig bestieg Maurer die Swiss-Maschinen und tingelte um den Globus. Er war ein beherzter Vertreter des Finanzmarktes und der Exportindustrie, trat in Dubai, Buenos Aires oder Schanghai auf. Er schüttelte viele Hände und verbreitete das Bild der Schweiz als verlässlichen Partner, der Geschäfte, nicht Politik machen will.

Aber so richtig gelandet ist er auf der Weltbühne nie – im Gegensatz etwa zum Konkurrenten Luxemburg, der alljährlich ein globales Marketingprogramm für den Finanzplatz durchzieht. Für eine PR-Offensive war er zu stark der Provinzler: Er hatte zwar stets ein Schweizer Kreuz fast auf Schulterhöhe angeheftet, doch sein Charmefaktor und seine Englischkenntnisse waren kaum Small-Talk- oder gar Street-Fight-tauglich.

In wenig schmeichelhafter Erinnerung bleibt sein Auftritt beim US-Sender CNN, wo er die Fragen der harmlosen Moderatorin nicht verstand und auf die Einflüsterei seiner Entourage angewiesen war. Mit seinen fehlenden Sprachkenntnissen blieb es ihm verwehrt, Softpower in Form von Netzwerken aufzubauen. Da ist und bleibt die frühere Bundesrätin Doris Leuthard das Mass der Dinge. Wie sehr sie international geschätzt war, zeigte sich, als sie an der Seite von Alibaba-Chef Jack Ma und anderen Wirtschaftsgrössen in ein UNO-Digitalgremium berufen wurde.

Maurers wenig schmeichelhafter Auftritt bei CNN:

Es waren Kontakte, die sich in der Corona-Krise auszahlten, als Jack Ma auf Antichambrieren Leuthards seine Alibaba-Logistik der Schweiz beim Einkauf und Transport von Schutzmasken zur Verfügung stellte. Einer solchen Politik der kurzen Wege stand Maurer sein kantiger Charakter und die SVP-Doktrin von der ewigen Neutralität und Unabhängigkeit im Weg.

Seine Leistung: 2/5

 

4. Maurer und die KMU

Zur Bestform lief Maurer in der Corona-Krise auf. Nun zeigte sich, dass sein Sparkurs vor der Pandemie jene Startbahn lieferte, die es nun für ein gezieltes Eingreifen brauchte. Und dieses Eingreifen war eine Kreditvergabe an die KMU-Schweiz, die im Frühling 2020 hinter den Kulissen im Geheimen ausgeheckt wurde.

Es war der Plan vom damaligen CS-Chef Thomas Gottstein, der Maurer im persönlichen Gespräch vorschlug, via das Bankensystem eine rasche unbürokratische Kreditvergabe an Hunderttausende KMU durchzuziehen. Und Maurer drängte auf eine simple Abwicklung, die stark auf Vertrauen setzte: 20 Minuten sollte es bis zur Kreditauszahlung dauern, ein paar Eckdaten und eine Unterschrift mussten genügen, ein einprägsames Zinssystem obendrein (0,5 Prozent).

Es war das weltweit effizienteste Firmen-Rettungsprogramm, welches Mauer mit SNB, Finma und den Banken aufsetzte. Es hat Zehntausende von Mitarbeitenden in Gastgewerbe, Bauindustrie, Eventbranche im Job gehalten.

Seine Leistung: 4/5

 

5. Maurer und Blockchain

Maurer war als Finanzminister der oberste Digitalisierer der Schweiz, ausgerechnet der Mann, der nicht zu den Digital Natives gehörte und sich am Wochenende nicht hinter den Computer setzte oder sich ein VR-Headset aufsetzte, sondern sich am liebsten aufs Militärvelo schwang. Ausgerechnet dieser Maurer setzte in seiner Eidgenössischen Zollverwaltung die Digitalisierung durch, und auch für die Kryptoszene Schweiz war er ein Glücksfall.

Bundespraesident Ueli Maurer, Mitte, posiert mit den Schuelern der Kantonsschule Winterthur anlaesslich des Festaktes zum 200. Geburtstag von Alfred Escher an der ETH in Zuerich, aufgenommen am Mittwoch, 20. Februar 2019. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Auch wenn Ueli Maurer kein Digital Native ist, hat er sich immer für die Digitalisierung starkgemacht.

Quelle: Keystone

Er trat oft in der Blockchain-Community auf, referierte im Crypto Valley in Zug oder an Anlässen von Digitalswitzerland in Genf oder Zürich. Und er bemühte sich, die junge, dynamische Branche sich vorerst austoben zu lassen und erst beim schädlichen Übertreiben einzugreifen. Seine Technologieoffenheit deckte er sich mit dem damaligen Finma-Chef Mark Branson ab, den man vor einem Jahr zur Bafin nach Deutschland lockte.

Seine Leistung: 3/5