Im schlimmsten Falle wäre das World Economic Forum (WEF) zum ultimativen Superspreader-Event mutiert. Als internationales Gipfeltreffen, das Hunderte Konzernchefs und Staatsführer, kurz die Mächtigsten der Welt, besuchen; ein Horrorszenario, wenn der Coronavirus sich dort und über die Teilnehmenden in aller Herren Länder weiterverbreitet hätte. Darum hiess es ja auch: 2020 – WEF abgesagt, 2021 – WEF nur virtuell und Live-Treffen in Singapur abgesagt, 2022 – WEF zur Sicherheit in den Mai verschoben

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WEF 2022 begrüsst ab dem 22. Mai seine Gäste

Jetzt ist es also so weit: Das WEF hat ab Sonntag, 22. Mai, zum ersten Mal nach zwei Jahren wieder seine Tore geöffnet. Es ist die fünfzigste Ausgabe des Weltwirtschaftsforums, doch dieses Mal ist einiges anders. 

Zum einen prägt die Covid-19-Sorge die Veranstaltung. Teilnehmen darf nur, wer erstens vorab ein Zertifikat mit drei Impfungen – die letzte nach dem 1. Juni 2021 – eingereicht hat, zweitens einen negativen PCR-Test innert weniger als 72 Stunden oder einen negativen Antigen-Test innert weniger als 24 Stunden vor der Anmeldung einreicht. Drittens hat man selbst nach der Anmeldung innert 24 Stunden noch einmal einen PCR-Test zu machen. Wer es nicht tut, dessen Badge wird deaktiviert, was einen Ausschluss von allen Veranstaltungen bedeutet. 

Weltwirtschaftsforum kehrt nach Davos zurück

Anderes natürlich, das Wichtigste, bleibt wie gehabt: Der Netzwerk-Event der Mächtigen findet wie vor der Pandemie in Davos statt und nicht etwa in Singapur, wie es für das Vorjahr angedacht war. Die Schweiz hat das WEF also wieder. 

Der wahre Sinn des WEF

Das Weltwirtschaftsforum findet 2022 unter neuen Vorzeichen statt. Es muss seine Rolle in der neuen Weltordnung finden. Eine Analyse.

In der Folge steigen auch wie vor der Pandemie die Zimmer-Preise für die WEF-Woche in obszöne Höhen – 15’700 Franken kostet eine Ferienwohnung mit 4,5 Zimmern pro Nacht, wie der «Blick» berichtet hat. Zumindest die Hotels halten sich aber an abgemachte Milderungen und haben ihre Zimmerpreise lediglich um 10 Prozent gesteigert gegenüber den Preisen zur Hochsaison. Die meisten Hotels sind natürlich bereits ausgebucht. So weit, so bekannt. 

Ukraine-Krieg steht am Davos-Treffen im Zentrum

Deutlich anders als in früheren Jahren wird dagegen die Gästeliste aussehen (siehe Bildergalerie). Die Ukraine wird im Zentrum des Treffens in Davos stehen. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko ist als Gast vor Ort und Premier Wolodimir Selenski hat per Video die Eröffnungsrede gehalten. 

Anreisen wird der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck und später Bundeskanzler Olaf Scholz. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, wird ebenfalls vor Ort sein. Und Christine Lagarde wird auch als EZB-Chefin in diesem Jahr den Weg nach Davos finden. Auch Firmenchefs haben sich angemeldet – zum Beispiel Ikea-Chef Jesper Brodin, Roche-Präsident Christoph Franz und Jane Fraser, die neue Chefin der Citigroup.

Insgesamt werden laut WEF-Angaben rund 50 Staatschefs oder -chefinnen anwesend sein und 310 Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen und regierungsnahen Behörden wie Notenbanken. Die Gästeliste umfasst wie schon früher rund 2'500 Personen, darunter 1250 Topmanagerinnen und -manager aus der Privatwirtschaft. Dazu kommt ein Heer von Begleiterinnen und Begleitern, Sicherheitsleuten und Medienvertretern.

US-Präsident Joe Biden und der chinesische Premier Xi Jinping fehlen in Davos

Auffällig ist aber zweierlei. Zum einen fehlen bis auf wenige Ausnahmen die ganz grossen Namen. Kein Vertreter der US-Regierung ist anwesend, dafür eine Auswahl Parlamentsvertreterinnen und -vertreter aus den USA. US-Präsident Joe Biden nicht anreisen, anders als sein Vorgänger Donald Trump. Ähnliches gilt für China. Auch von Xi Jinping wüsste man nicht, dass er nach Davos kommt, ebensowenig hochrangige Mitglieder der Regierung.

 

Der chinesische Premier hat bereits im Januar auf dem virtuellen Ersatzevent für das verschobene WEF eine Rede gehalten, die per Video übertragen wurde. Möglich, dass das digitale Event die Motivation gesenkt hat, vor Ort teilzunehmen. 

Wladimir Putin ist am WEF zur Persona non grata geworten

Möglich wäre auch, dass das WEF im Jahr der Zeitenwende nach Beginn des Ukraine-Kriegs ein zu heisses Pflaster für viele Mächtige ist. Denn auch die polarisierte Weltlage schlägt sich deutlich in der Gästeliste des WEF nieder. 

Es spricht Bände, wer nicht mehr Teil der Runde sein wird. Allen voran Russlands Staatschef Wladimir Putin, der noch 2019 Gast und Gesprächspartner von Veranstalter Klaus Schwab war. Und weitere frühere Teilnehmer, die jetzt nicht mehr auf der Gäste-, sondern auf der Sanktionsliste zu finden sind, wie etwa Oligarch Viktor Vekselberg. 

Für die Gäste in Davos wird das Maiwetter mildere Temperaturen bieten als in Vorjahren, politisch aber herrscht Eiszeit. Was dies für das WEF in Zukunft bedeutet, bleibt abzuwarten. Zumindest was die Bereitschaft der Teilnehmer anbelangt, hat Klaus Schwab wohl Grund zu Hoffnung: Der eigentlich Wert des Gipfels der Mächtigen lag in der Vergangenheit ja in der Möglichkeit zu wichtigen Hinterzimmergesprächen. Diese werden sich nicht durchs Virtuelle ersetzen lassen und sind in Zeiten politischer Spannungen relevanter denn je.

Disclaimer: In einer ersten Version des Textes hiess es, dass der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz nicht teilnehmen wird. Das haben wir angepasst.