Weltklimakonferenz COP27: Was die Schweiz in Ägypten erreichen will

Die Welt ist zu Gast am Roten Meer. Hier in Sharm el-Sheikh, wo sich normalerweise Reisende am Strand räkeln und Schnorchler die spektakuläre Unterwasserwelt erkunden, ist am Sonntag die UN-Weltklimakonferenz COP27 eröffnet worden. Vertreterinnen und Vertreter aus knapp 200 Staaten beraten zwei Wochen lang darüber, wie der Kampf gegen die Erderhitzung verstärkt werden kann. Die Zeit drängt, denn die vergangenen acht Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die weltweite Durchschnittstemperatur lag zuletzt rund 1,15 Grad über dem Durchschnitt der vorindustriellen Zeit, wie die Weltwetterorganisation am Sonntag mitteilte. «Alle Länder müssen mehr fürs Klima machen» Mehr als sieben Jahre sind seit Unterzeichnung des Klimaabkommens von Paris vergangen. Und kaum ein Land ist für das angestrebte 1,5-Grad-Ziel auf dem richtigen Kurs. Dabei gefährdet jedes Zehntelgrad die Stabilität des Ökosystems: Davon zeugten allein in diesem Jahr zahlreiche Naturkatastrophen wie die Flut in Pakistan und Hitzewellen wie in Europa. «Alle Länder müssen mehr machen, um das Klimaziel zu erreichen», sagte Franz Perrez, Leiter der Schweizer Delegation an der COP27, vor Beginn des Gipfeltreffens zur «Handelszeitung». Doch darüber, wie das Ruder herumgerissen werden soll, gibt es international Streit. Im Fokus des Gipfels – der erstmals seit 2016 wieder auf dem afrikanischen Kontinent stattfindet – stehen die von der Klimakrise bereits besonders betroffenen Länder. Auf dem Programm stehen unter anderem Gespräche über ein neues gemeinsames Finanzierungsziel für die Unterstützung von Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländern für die Zeit nach 2025. Die Frage ist, wie Entwicklungsländer in ihren Anpassungsbemühungen gestärkt und im Umgang mit Verlusten und Schäden unterstützt werden, die durch den Klimawandel verursacht werden. Cassis und Sommaruga werben für «Arbeitsprogramm» Die Schweiz, die mit Ignazio Cassis zum Auftakt der ersten Konferenzwoche und Simonetta Sommaruga zu Gesprächen der Umweltministerinnen und -minister in der zweiten Gipfelwoche zwei Bundesräte nach Ägypten schickt, hat eine klare Agenda. Am Montagnachmittag wird Ignazio Cassis in Sharm el-Sheikh eine Rede halten, anschliessend gibt er eine Pressekonferenz. Aus der Rede kann an dieser Stelle noch nicht konkret zitiert werden. Doch klar ist, dass die Schweiz nicht den Forderungen von Entwicklungsländern und westlichen NGO nach einem breiten Klimafonds nachkommen will. Finanzielle Mittel sollen möglichst zweckgebunden eingesetzt werden. Zudem soll auch die Wirtschaft – insbesondere die fossile Energieindustrie – stärker beitragen. (Update 19:00 Uhr: Eine Zusammenfassung der Rede finden Sie unter diesem Artikel) «Wir sind aus unserer Sicht seit dem Pariser Abkommen nicht weit genug gekommen. Aber Geld allein ist nicht die Lösung», sagt der Schweizer Delegationsleiter Perrez. «Wir brauchen ein Arbeitsprogramm, das dazu führt, dass alle Länder mehr machen, vor allem die Länder mit sehr grossem Treibhausgas-Ausstoss.» Schweizer Klima-Bemühungen nicht ausreichend Das Arbeitsprogramm, das dem Bundesrat vorschwebt, soll «zu konkreten Beschlüssen für den Klimaschutz» führen und sich «auf die Länder und Sektoren mit den grössten Emissionen» konzentrieren, heisst es in einer Mitteilung des EDA. Die internationale Klimafinanzierung ist ein Zankapfel der Klimaverhandlungen. 2009 hatten die Industriestaaten zugesagt, ab 2020 insgesamt 100 Milliarden Dollar pro Jahr an Klimafinanzierung bereitzustellen. Die Schweiz beteiligte sich im Jahr 2020 mit insgesamt 659 Millionen Franken aus öffentlich und privat mobilisierten Mitteln zugunsten von Massnahmen für den Klimaschutz und die Klimaanpassung in Entwicklungsländern. Damit habe man das selbstgesteckte Ziel sogar «leicht übertroffen», sagte Perrez. Der Bundesrat habe den Anteil der Schweiz gestützt auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und ihre Emissionen errechnet.Der Climate Action Tracker, eine politisch unabhängige Analyse-Plattform, bewertet die Schweizer Bemühungen jedoch als «höchst unzureichend». Die Schweiz habe sich verpflichtet, ihre Klimafinanzierung zu erhöhen, aber die Beiträge seien bisher sehr gering im Vergleich zu dem gewesen, was im Rahmen ihres gerechten Anteils erforderlich wäre. Handelszeitung-Korrespondentin Fabienne Kinzelmann berichtet von der UN-Weltklimakonferenz aus Sharm El-Sheikh.Cassis unterstreicht die Wichtigkeit der Klimaziele Bundespräsident Ignazio Cassis hat am Montag bei der Eröffnung der Uno-Klimakonferenz COP27 in Scharm el Scheich unterstrichen, wie wichtig das Klimaziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad ist. Die grossen Treibhausgas-Verursacher stünden in der Pflicht. Die Schweiz werde die Unterstützung für die Anstrengungen zum Erreichen des Klimaziels um 38 Millionen Franken aufstocken, kündigte er laut Redetext an. Die Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Ägypten dürfe die angestrebte Beschränkung auf 1,5 Grad nicht aus den Augen verlieren, sondern müsse sie im Gegenteil stärken. Das Ziel lasse sich nicht ohne die Unterstützung der grossen Industrieländer der G20 erreichen, denn diese würden 80 Prozent der weltweiten Treibhausgase ausstossen. Die ärmsten und verletzlichsten Länder, die am wenigsten zum Treibhausgasausstoss beitragen, hätten am meisten unter dem Klimawandel zu leiden. Das könne man nicht akzeptieren. Der Klimawandel lasse sich in den Griff kriegen, wenn der Wille dazu vorhanden sei, sagte Cassis. Die Schweiz sei bereit dazu. Während ihres Einsitzes im Uno-Sicherheitsrat werde die Schweiz die Klimarisiken für Sicherheit und Frieden verstärkt thematisieren. Cassis erinnerte daran, dass die Länder bei der letzten Klimakonferenz im schottischen Glasgow erstmals angekündigt hatten, Subventionen für fossile Energien zu streichen. Die Konferenz in Ägypten müsse nun von jedem Land einen konkreten Fahrplan dafür verlangen. Verursacher sollen bezahlen Zudem verlangte der Bundespräsident eine Vervielfachung der Anstrengungen auf globaler Ebene. Die Massnahmen müssten effizient, und angesichts knapper Mittel bezahlbar sein. Dazu müssten neue Finanzquellen erschlossen werden, etwa nach dem Verursacherprinzip. Cassis kündigte an, die Schweiz werde sich bei der nächsten Finanzierung der Klimapolitik engagieren. Sie werde ihren gerechten Teil an die dafür vorgesehenen 100 Milliarden Dollar beitragen. Bereits aktuell wird die Schweiz demnach ihre Beiträge an mehrere Initiativen und Projekte um 38 Millionen Franken aufstocken. 26 Millionen des Betrags muss das Parlament noch gutheissen. Die Schweiz will etwa durch Projekte in Marokko ihre CO2-Emissionen reduzieren. Dazu unterschrieben Cassis und die Energieministerin von Marokko, Laila Benali, ein entsprechendes Abkommen am Rande der Konferenz, wie Cassis via den Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte.