„Kurz vor meiner Abreise nach Spanien ging alles ganz schnell, ich hatte kaum Zeit mich auf den Jakobsweg vorzubereiten, weil ich noch ein Board of Directors Meeting leiten musste. Kein Wunder also, dass ich viel zu viel Gepäck dabei hatte. Und so habe ich gleich zu Beginn meiner Wanderung damit begonnen, unnötigen Ballast loszuwerden. Das Gleiche ist mir dann auch mental passiert - jeden Tag hatte ich das Gefühl, unnötige emotionale Lasten abzuwerfen“, erinnert sich Benjamin Lakatos, Chairman und CEO von MET Group, daran, wie er die fünf Wochen auf dem Jakobsweg erlebt hat.
Es war nicht das erste Mal, dass er den berühmten Pilgerweg beschritt. Sein Vater, für den die Religion eine wichtige Rolle spielt, hatte den Jakobsweg schon seit langem auf seiner Wunschliste. Als der Vater vergangenes Jahr Geburtstag hatte, sagte Benjamin Lakatos zu ihm: Lass uns den Jakobsweg zusammen gehen, nur du und ich. Im Oktober 2022 machten sie sich auf den Weg und legten gemeinsam rund 200 Kilometer auf dem epischen Wanderweg zurück.
Diese Erfahrung zeigte Wirkung - dem CEO des international tätigen Energieunternehmens aus dem Kanton Zug wurde klar, wie nachhaltig der Jakobsweg die Sicht- und Denkweise eines Menschen verändern kann. „Ich habe sofort gemerkt, dass mir der Jakobsweg dabei helfen würde, endlich einige grundlegende Fragen zu stellen. Darum habe ich Ende 2022 beschlossen, eine längere Wanderung zu unternehmen, um die Antworten auf meine Fragen zu finden“, sagt er.
Kurz bevor es losgehen sollte, wurde Benjamin Lakatos von einem tragischen Ereignis erschüttert – im August verlor er seine Mutter. „Das war eine sehr schwierige Zeit für mich, aber ihr Tod war nicht der Grund für meine Entscheidung den Jakobsweg zu gehen. Ich hatte es ja sowieso geplant. Der schmerzliche Verlust hat mich aber auf jeden Fall in vielerlei Hinsicht aus meiner Komfortzone herausgeholt.“
Im September 2023 ging es schliesslich los, in einem emotionalen Ausnahmezustand startete Benjamin Lakatos auf der spanischen Seite der Pyrenäen in die ersten Etappen – und kam nach 33 Tagen glücklich zurück. Auf seinem LinkedIn-Profil liess er seine Follower wissen: „I walked back to happiness.“ Dieser Satz, so bestätigt er, fasse für ihn die ganze Erfahrung zusammen. „Für mich war das die wahre Essenz dieses Monats. Ich habe meine Worte auf LinkedIn sorgfältig gewählt, ich habe es wirklich so gemeint.“
Dem Gründer von MET Group war dabei klar, dass er seine Trauer in irgendeiner Form würde überwinden müssen, um seinen Job als CEO auch in Zukunft weiter angemessen ausführen zu können. Nun sagt er: „Die Trauer um meine Mutter wird nie vergehen, aber ich habe es geschafft eine gewisse Ausgeglichenheit zu finden.“
Nicht auf alle Fragen, die er sich unterwegs stellen wollte, fand er indes auch tatsächlich Antworten. Das war aber absolut kein Beinbruch für ihn, sondern ein elementarer Teil seiner Erkenntnisse aus der langen Wanderung. „Man merkt, dass man auf manche Fragen vielleicht nie eine Antwort bekommen wird, und macht einfach weiter. Einige Themen konnte ich gewissermassen wegzoomen. Ich habe einen Weg gefunden, ein effizientes und glückliches Leben zu führen, ohne alle Fragen zu beantworten.“
Jetzt, wo er aus Spanien zurückgekehrt ist, fühlt sich der CEO von MET Group im Gleichgewicht. Das letzte Mal, dass er dieses Gefühl hatte, sei an der Universität gewesen, als er noch kein Unternehmen führte. „Ich bin innerlich sehr ausgeglichen, aber ich erlebe es nicht als grosse Veränderung. Ich habe eher den Eindruck, dass ich wieder zu der Person geworden bin, die ich vorher war. Wenn man wieder an die Arbeit geht, nimmt sie einen natürlich in Beschlag, aber dieses Gefühl bleibt erst einmal.“
Die Erfahrung auf dem Jakobsweg hat ihn zudem dazu inspiriert, sich selbst neue Ziele zu setzen. Dazu gehört etwa ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben - etwas, bei dem er bisher gefühlt immer versagt hatte. „Meine Familie kann das bestätigen“, gibt er zu. „Das bedeutet nicht unbedingt weniger Arbeit - wenn man geistig entspannt ist, kann man viel effizienter und schneller über Themen nachdenken und Entscheidungen treffen.“ Ausserdem fügt er hinzu: „Ich habe auf meiner Reise gelernt, bestimmte Dinge loszuwerden. Also versuche ich jetzt, dasselbe bei der Arbeit zu tun - mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.“
Gab es irgendwann den Punkt, an dem er darüber nachgedacht hat, überhaupt nicht mehr in seinen Job als CEO zurückzukehren? Ja, den Moment gab es tatsächlich, aber diese Gedanken waren nur von kurzer Dauer. „Im weiteren Verlauf meiner Wanderung ist das völlig aus meinem Kopf verschwunden“, so Benjamin Lakatos.
Glücklich zu sein, so der CEO, sei ein tolles Gefühl – wenn es aber in eine Form von überglücklich münde, sei das eher ein schwieriger Zustand für den Chef eines Unternehmens, das weiter wachsen will. Daher versucht er seit seiner Rückkehr, klare Trennlinien zwischen Privatleben und Job zu ziehen – denn das persönliche Glücksgefühl passe nicht immer zu seiner Rolle im Unternehmen.
Ebenfalls entscheidend war für Benjamin Lakatos die Erkenntnis, dass er die Geschäftsstrategie von MET Group nicht ändern möchte: „Ich hatte viel Zeit darüber nachzudenken. Dabei ist mir klar geworden, dass ich nicht an meinen Arbeitsplatz zurückkehren würde, wenn ich nicht sicher wäre, dass die derzeitige Strategie gut für MET ist, dass sie realistisch umsetzbar ist und dass die Marktbedingungen gegeben sind“, betont der Mehrheitseigentümer des Unternehmens.
Für diese grundsätzlichen Gedanken und Überlegungen hatte Lakatos viel Zeit. In den ersten 22 Tagen war er ganz allein unterwegs, von der Welt abgeschnitten, sah kaum jemanden und sprach manchmal einen ganzen Tag lang mit niemandem. In den letzten elf Tagen schlossen sich ihm dann sein Vater und später einige enge Freunde an. Als er unterwegs sporadisch Kontakt zu ihnen hatte, sagte er: „Ich kann euch nicht erklären, was ich hier erlebe. Kommt her, begleitet mich und probiert es selbst aus.“
In den ersten zwei Wochen hatten sich alle seine Sorgen noch um ihn selbst gedreht. Schmerzt das Bein? Wo würde er heute essen, wo schlafen? Dies sei eine völlig neue Erfahrung für ihn gewesen. „Ich habe ständig über mich selbst nachgedacht, das war wirklich lustig. Normalerweise habe ich dafür überhaupt keine Zeit. Als mir das klar geworden ist, bin ich drei Tage lang mit einem Lächeln auf den Lippen unterwegs gewesen.“
Der CEO von MET Group sagt, er habe sich selbst schon immer gut gekannt. „Während meiner Zeit auf dem Jakobsweg habe ich es aber geschafft, dass der körperliche und geistige Zustand, in dem ich mich gerade befinde, mich nicht mehr so sehr von meinem Fokus ablenken kann. Ich kann jetzt eine Menge Dinge um mich herum beiseite schieben, die meinen inneren Kern beeinträchtigen“, erklärt er. Er fühle sich frei und habe festgestellt, dass Freiheit und Glück sehr eng miteinander verbunden sind.
Auch wenn Benjamin Lakatos insgesamt mehr als 900 Kilometer zu Fuss unterwegs war, davon 755 Kilometer auf dem offiziellen Jakobsweg, ist er davon überzeugt, dass der gesamte Weg eher eine mentale als eine physische Herausforderung darstellt. „Man muss jeden Tag aufstehen und loslaufen, auch wenn man hier und da Wehwechen hat. Interessanterweise ist dieses Gefühl nicht mit dem Arbeitsalltag zu vergleichen, auch wenn ich in meinem Job an vielen Tagen ebenfalls früh aufstehen muss.“
Eine weitere erfreuliche Erkenntnis in diesen 33 Tagen war für Benjamin Lakatos die Tatsache, dass das Unternehmen bei normalem Geschäftsverlauf auch ohne ihn einwandfrei funktioniert. Er wusste, was bei MET Group vor sich ging, las die wichtigsten Unterlagen für das Executive Board, schickte ein paar E-Mails – aber mehr auch nicht. „Ich hatte wirklich das Gefühl, dass MET in guten Händen ist. Meine Kolleginnen und Kollegen haben während meiner Abwesenheit einen grossartigen Job gemacht und alle meine Aufgaben und Verantwortlichkeiten übernommen. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.“
Ob er den Jakobsweg noch einmal absolvieren würde? Der CEO lässt keinen Zweifel offen: „Es war eine brillante Idee und längst überfällig, dass ich mir diese Auszeit genommen habe - aber ganz allein möchte ich diese Strecke nicht noch einmal zurücklegen.“