Das Geschäft schien sehr gut zu sein: Guizhou Chengxiangtai Import & Export Trading Co., ein Lieferant von Elektronikteilen, beantwortete alle Fragen des Auftraggebers zu Lieferzeiten, Stückzahlen und auch den Kalkulationsgrundlagen. Auch die Muster entsprachen den Vorstellungen des Käufers. Man machte eine Anzahlung für 125 000 Dollar, eine Vertrauensperson des Auftraggebers kümmerte sich vor Ort um die Versiegelung der Container und den Transport zum Hafen. Auch bei der Ausstellung des Letter of Credit und der Restzahlung lief alles rund. Die Bill of Lading der Reederei bewies, dass die versiegelten Container verladen worden waren.

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Sprachliche Hürden

In Mumbai, dem Zielhafen, zeigte sich, dass Müll in den Containern war. Alles schien gefälscht zu sein: Hersteller, Ansprechpartner, Siegel für die Verschiffung der Container und die Dokumente.

Gemäss Scott Hao, spezialisiertem Anwalt für solche Vorfälle mit Arbeitsort in Qingdao, einer grossen Hafenstadt nördlich von Schanghai, sind solche Vorfälle alltäglich. Wenn die betrogenen Firmen die vermeintlichen Auftragnehmer vor Gericht ziehen, fangen die Schwierigkeiten erst richtig an: Wenn die Vertragsdokumente nicht in der chinesischen Sprache, sondern lediglich auf Englisch verfasst sind, zeigen sich Richter oft mit dem Hinweis auf die «unverständliche Sprache» unbeeindruckt und lassen das Verfahren erst gar nicht zu. Meistens fehlt auch ein Beleg dafür, dass das verschickte Geld beim Empfänger tatsächlich angekommen ist. Dessen Verteidiger wird aussagen, dass man das Geld nie erhalten habe. Und selbst wenn beim Kläger alles vorhanden ist, kann ein Empfänger immer noch behaupten, dass man kein Geld habe, sondern ganz einfach pleite sei.

Es ist nur ein kleiner Trost, dass sich auch innerhalb Chinas etliche Firmen ständig misstrauen. Lokal entwickelte Zahlungssysteme für Konsumenten wie die von Alipay und Wepay haben deshalb Funktionen integriert, mit denen die Empfänger die Zahlung erst dann freigeben können, wenn sie die bestellte Ware auch tatsächlich in der gewünschten Quantität und Qualität erhalten haben. Als einfachste Massnahme, um Betrug vorzubeugen, gilt deshalb ein Blick auf die Website inklusive der Angaben zu den Besitzverhältnissen. Das Gütesiegel, das Investoren dort suchen, ist Central State-owned Enterprise (SOE). Was der Zentralregierung gehört, so die Logik von Investoren, Analysten und Geschäftspartnern, sollte ausreichend solvent und seriös sein. Und im Falle von Problemen sollte, so hoffen die Investoren, der Staat einspringen.

Die kleinen Unterschiede

Allerdings sind die Besitzverhältnisse längst nicht immer klar, wie Huawei zeigt: Der chinesische Netzwerkausrüster ist den westlichen Geheimdiensten auch deshalb suspekt, weil die Besitzverhältnisse der 99 Prozent, die nicht dem Gründer gehören, opak sind. Konkurrent ZTE hingegen ist an den chinesischen Börsen gelistet – und ist von Sanktionen nicht betroffen, auch weil hier etwas mehr Klarheit besteht.

Die Abkühlung der Wirtschaft in China legte vergangenes Jahr etliche grosse falsche Firmen offen: Hinter der China Nuclear Engineering Construction Group beispielsweise verbarg sich ein Immobilienunternehmen, das auf seiner Website mit dem SOE-Argument warb. Die Firma musste im November notfallmässig ein grosses Portfolio von faulen Krediten verkaufen. Etliche Investoren schrieben böse Briefe an die China Nuclear Engineering and Construction Corporation, die indes tatsächlich ein seriös gemanagtes SOE ist (erkennbar an zwei Unterschieden im Namen). China City Construction beispielsweise hatte 2016 praktisch alle Anteile an einen nicht genannten privaten Investor verkauft, wirbt aber weiterhin mit dem SOE-Siegel. Diese Firma ist mit den Coupon-Zahlungen etlicher Obligationen im Verzug. Auch die China Huayang Economic and Trade Group musste laut einem Bericht des «Economist» im Zuge der Zahlungsunfähigkeit einräumen, dass man kein SOE ist. Die Firma legte eine Milliardenpleite hin. Auch die chinesischen Rating-Firmen hatten sich hier täuschen lassen.

Dabei ist das Vorgehen der Fälscher einigermassen bekannt: Gemäss einem Leitfaden der (tatsächlich existierenden) chinesischen Finanzinformationsfirma Gelonghui suchen die Kriminellen zunächst eine halbwegs vergessene, der Zentralregierung gehörende Einrichtung. Dann suchen sie eine Parteigrösse, die auf dem Weg nach oben stecken geblieben ist, als Aushängeschild. Die kümmert sich mit Strohmännern lediglich um die erforderlichen Einträge in die Geschäftsregister. Im letzten Schritt werden dann unzählige Tochterfirmen gegründet, die dann ihrerseits auf Geldsuche gehen.

Laut Gelonghui gibt es zwei weitere Warnsignale: Gut geführte SOE haben in China kein Problem, Geldgeber zu finden, sei es an den Börsen oder bei den Banken. Undurchsichtige vermeintliche SOE bekommen auch in China kaum Geld von den einheimischen Banken. Und es hapert durchwegs mit der Due Diligence der Firmen. Selbst SOE können in Konkurs gehen, wie das Beispiel China Energy Reserve zeigt. Hier mussten koreanische Gläubiger hohe Verluste hinnehmen. Die Summe der Ausfälle alleine am chinesischen Bond-Markt hatte in den vergangenen beiden Jahren bei umgerechnet je 17 Milliarden Dollar gelegen. Gemäss einem Kommentar der grossen Bonitätsfirma Standard & Poor’s ist die Pleitequote um 1 Prozent die Norm.

Erster grosser Test

Und auch die chinesische Zentralbank betonte in ihrem jüngsten Stabilitätsbericht, den sie Ende November 2019 veröffentlicht hatte, die Zeichen einer zunehmenden Reife des Marktes. Wenn Investoren die Risiken besser beachten, so das Argument, dann lenken sie ihre Gelder eher in Richtung gesunde und florierende Unternehmen, was wiederum die Gesamtwirtschaft stärkt.

Allerdings zeigt ein Bericht der Bonitätsfirma Fitch, dass 89 Prozent der Pleiten in China von Nicht-SOE gekommen waren. Lediglich 0,2 Prozent waren echte Staatsfirmen. Laut Analysten würde es als echtes Zeichen einer Marktreifung gesehen werden, wenn auch einmal eine echte Staatsfirma eine wirklich spektakuläre Pleite hinlegte.

Einen ersten Test gibt es bereits: Der Rohstoffhändler Tewoo Group musste am 22. November 2019 die Gläubiger um einen Abschreiber von 64 Prozent der Guthaben bitten. Wenn die Umschuldung der Tewoo Group, die der chinesischen Hafenstadt Tianjin gehört, scheitert, wäre es die grösste SOE-Pleite der vergangenen zwanzig Jahre. Das Gütesiegel «SOE» würde dann laut Analysten etwas von seinem Stellenwert verlieren – auch bei den Fake-Firmen.