Der Value-Stil hat in den letzten Jahren relativ schlecht abgeschnitten, was historisch sehr ungewöhnlich ist. Genau genommen haben grosskapitalisierte Wachstumswerte seit 2014 einen besseren Lauf als Value-Aktien. Die Unterschiede in den Bewertungen liegen inzwischen auf Rekordhöhe. Das trifft erst recht auf kleinkapitalisierte Werte zu – genau das Segment, auf das sich Deep-Value-Investoren mehrheitlich konzentrieren. Es macht den Anschein, als ob es sich nicht mehr lohne, Aktien im Wert von 1 Franken für 60 Rappen zu kaufen, in der Erwartung, dass der Markt diese Fehlbewertung irgendwann einmal korrigiert.

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Erkenntnisse des Nobelpreisträgers

Diese Situation ist jedoch temporärer Natur. Ein Vergleich der teuersten und billigsten Aktien zeigt sowohl in den USA als auch in Europa, dass die Bewertungsunterschiede extrem geworden sind. Sie befinden sich auf Niveaus, die man seit dem Jahr 2000 nicht mehr gesehen hat. Zudem zeigen langfristige Vergleichszahlen – beispielsweise Untersuchungen von Kenneth French und Nobelpreisträger Eugene Fama –, dass Value-Aktien es langfristig immer wieder schafften, den Markt deutlich zu schlagen.

Markt ist nicht dauerhaft irrational

Weshalb Value-Investoren darauf vertrauen können, dass ihr Stil auch weiterhin langfristig überlegen ist? Weil langfristig die Gesetze der Mikroökonomie die Kurse bestimmen – allen voran die Regel, dass ein normal geführtes Geschäft branchenübliche Wachstumsraten und Margen erreichen sollte. Sind die Unternehmen an sich gesund und profitabel, werden zwischenzeitlich negative Einschätzungen über kurz oder lang von sachlich begründeten, optimistischeren Beurteilungen abgelöst. Unter anderem aus diesem Grund funktioniert bei längerfristigem Anlagehorizont Value-Investing. Nur ist dafür bisweilen einige Geduld nötig.

Zugegeben, in den letzten fünf Jahren hatten Value-Investoren wenig Anlass zur Zuversicht. Aufgrund der mageren bis negativen Zinsen suchten viele Investoren verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten, für die sich vordergründig die grossen und erfolgreichen Firmen, deren Gewinne in den letzten Jahren gewachsen sind, als vermeintlich sichere Häfen anboten. Entsprechend sind diese Titel aus einer Art Herdentrieb heraus immer weiter gestiegen, obwohl sie schon länger überdurchschnittlich hohe Bewertungen aufweisen. Demgegenüber gibt es in den letzten Wochen erste Zeichen einer neuerlichen Trendumkehr.

Das entspricht der Überzeugung, wonach sich der Markt nicht auf Dauer derart irrational verhalten wird. Denn das hiesse, dass Anleger Gewinnchancen bewusst ignorieren würden. Vielmehr dürfte es so sein, dass Anleger Value-Aktien trotz offensichtlicher Unterbewertung gegenwärtig nicht kaufen, weil sie kurzfristige Kurseinbussen fürchten.

Langfristige Vorteile überwiegen

Immer öfter wird auch die Frage gestellt, ob sich der Value-Stil überlebt hat und ob Anleger in Zukunft nicht nur temporär, sondern dauerhaft Firmen ignorieren, die massiv unterbewertet sind. Und tatsächlich ist es schwer, in einer Phase grosser Underperformance an die langfristigen Vorteile des Value Investing zu glauben. Doch es hilft in solchen Situationen, die historische Perspektive zu berücksichtigen.

Und es hilft, zu bedenken, dass es immer schon solche Schwächephasen gegeben hat, denen Zeiten sehr guter Performance folgten. Früher oder später hat sich das Blatt immer gewendet – oftmals aufgrund einiger weniger guter Nachrichten –, sodass die ersten stark unterbewerteten Titel begannen, eine gute Performance abzuliefern und Value Investing seinem guten Ruf wieder gerecht wurde.

Somit stellt sich für Anleger, die an den grossen, teuren Aktien festhalten, die Frage, ob sie weiter darauf wetten sollen, dass die aktuelle Anomalie für immer anhält – oder ob es nicht logischer wäre, jetzt auf Value-Aktien zu setzen, solange sie noch unbeliebt und unterbewertet sind.

Georg von Wyss, Manager Classic Funds, BWM Value Investing, Wollerau SZ.