Das Emittentenrisiko war nach der Lehman-Pleite 2008 eines der wichtigsten Auswahlkriterien bei Strukis und Derivaten geworden. Allein in der Schweiz waren vor 15 Jahren über achtzig strukturierte Produkte, davon über vierzig mit Kapitalschutz, wertlos geworden. Mit einer anderen Vorgeschichte ist jetzt das Gleiche mit den Gläubigern der Additional-Tier-1-(AT1-)Anleihen der Credit Suisse passiert. Diese vergleichsweise attraktiv verzinsten Instrumente wurden nach der Lehman-Pleite geschaffen; sie sollen im Notfall das Eigenkapital des Emittenten stärken. Was ergibt sich daraus?

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«Der AT1-Totalabschreiber der Credit Suisse liegt aus Forschungsperspektive im Rahmen der Erwartungen», konstatiert Philippe Oster, Dozent an der Hochschule Luzern (HSLU). Diese Bonds waren als «erste Verteidigungslinie» herausgegeben worden. Oster, der viel zum Thema Risikokapital bei Banken geforscht hat, verweist auf die hohen Risikoprämien, die derzeit auch andere global relevante Banken aufweisen. «Wer eine so hohe Risikoprämie vereinnahmt, kann nicht gleichzeitig argumentieren, dass er von einem im Prospekt vordefinierten Fall eines Abschreibers bei staatlicher Unterstützung nichts gewusst hatte.»

Ähnliche europäische Fälle, bei denen diese Bonds «getestet», aber nicht abgeschrieben wurden, sind keine brauchbaren Anhaltspunkte. «Am Fall CS ist speziell, dass man in der Schweiz nicht der Verlust-Absorptionsregelung der European Securities and Markets Authority (Esma) folgen muss, wonach ‹AT1-Bonds erst nach Aktien abzuschreiben sind›», so Oster. In der Schweiz wollte man keine starren Regeln und zog es vor, im Einzelfall den vollen Entscheidungsspielraum zu haben.

Was folgt daraus für Investoren? «Aktuell schätze ich die AT1-Märkte als fairer bewertet ein als in den vergangenen Jahren, als es viel billiges Geld und kaum Ausfälle gegeben hatte», sagt Oster. Es sei zwar verhältnismässig einfach, ein seltenes, aber gravierendes Ereignis modellmässig zu preisen, aber die Anpassung zur Praxis ist seit jeher schwierig. Als Stressindikator gelten die Credit Default Swaps. Diese waren bei der Credit Suisse bereits im ersten Quartal 2022 signifikant teuer geworden und hatten sich danach auch nie mehr beruhigt.

Investoren waren also gewarnt gewesen. «Anleger, die sich des Risikos eines Couponausfalls und eines Totalabschreibers bewusst sind, können AT1-Risiken weiterhin diversifiziert eingehen», so Oster. Der hohe Coupon ist kein Geschenk – sondern ein Risikohinweis.