Die Finanzwelt befindet sich in einer technologischen Transformation. Ein Begriff, der in diesem Wandel zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist «Tokenisierung». Dabei werden Real World Assets (RWA), also reale Vermögenswerte wie zum Beispiel immaterielle Finanzanlagen wie Patente oder materielle wie Immobilien, auf einer Blockchain repräsentiert. Auch Fondsanteile können so repräsentiert werden. Dies eröffnet Chancen für neue Geldanlagen.
Nicolas Lehmann, Sales Director bei Fidelity International
Tokenisierung eines Fonds
Bei der Tokenisierung werden Fondsanteile in digitale Einheiten, Tokens, auf einer Blockchain ausgegeben. Jeder Token repräsentiert einen Bruchteil des Fondsvermögens. Während die Blockchain die Rolle des digitalen Registers übernimmt, regeln Smart Contracts die Rechte und Pflichten des digitalen Tokens und sorgen für die Automatisierung von Prozessen wie Ausschüttungen, Stimmrechte und Eigentumsübertragungen. Transaktionen werden fälschungssicher gespeichert und die Besitzverhältnisse lassen sich transparent nachvollziehen. Die digitalen Tokens sind rund um die Uhr handelbar, ohne die Notwendigkeit klassischer Intermediäre wie Banken oder Broker.
Die Tokenisierung von Fonds ist längst Realität. Aktuell sind Anlagen im Wert von über 30 Milliarden Dollar tokenisiert. Auch in der Schweiz schreitet die digitale Abbildung voran. Ein Beispiel ist die Tokenisierung von Anteilen im Wert von rund 50 Millionen Dollar eines institutionellen Geldmarktfonds auf der Ethereum-Blockchain in Zusammenarbeit mit Fidelity International und der Schweizer Kryptobank Sygnum. Solche Meilensteine zeigen, dass klassische Assetmanager, Banken und Technologieanbieter zunehmend kooperieren, um die Brücke zwischen traditioneller Finanzwelt und Blockchain-System zu schlagen.
Chancen und Herausforderungen
Die Vorteile der Tokenisierung sind vielfältig. Beispielsweise bietet sie Zugang und Demokratisierung. Fondsanteile lassen sich in kleinste Einheiten zerlegen, sodass auch Kleinanleger Zugang zu Anlageklassen erhalten, die bisher institutionellen Investoren vorbehalten waren (etwa Privatmarktanlagen oder Immobilien). Ausserdem können Transaktionen in Sekundenschnelle abgewickelt werden. Die Abwicklung in Echtzeit verringert Gegenparteirisiken und steigert die Effizienz. Dabei werden weniger Intermediäre benötigt und Smart Contracts automatisieren die Prozesse, was zu tieferen Gebühren und Verwaltungskosten führt. Und schlussendlich sind alle Transaktionen auf der Blockchain sichtbar gespeichert. Das stärkt Vertrauen und erleichtert die Nachvollziehbarkeit. So öffnet Tokenisierung Raum für Innovation, von tokenisierten Indexfonds bis hin zu neuen Formen von Asset-Backed-Lending.
Doch natürlich gibt es auch Herausforderungen. In der Schweiz ist die Regulation durch das Blockchain-Gesetz von 2021 relativ weit fortgeschritten. In vielen Märkten ist die rechtliche Einordnung der Tokenisierung aber noch unklar definiert, was den internationalen Handel erschwert. Zu den technischen Risiken gehören Fehler im Smart Contract, Cyberangriffe oder mangelnde Interoperabilität verschiedener Blockchains. Zudem ist noch unklar, wie liquide die Märkte sein werden. Zwar haben 52 Prozent der institutionellen Investoren in einer Studie von 2023 Interesse an der Tokenisierung bekundet, gleichzeitig bestehen aber Vorbehalte, vor allem in Bezug auf Regulierung, Sicherheit und Verwahrung.
Innovationen der kommenden Jahre
Die Tokenisierung ist weit mehr als ein technisches Experiment. Sie könnte die Praxis, wie Fonds aufgelegt, gehandelt und verwahrt werden, grundlegend verändern. Prognosen der Beratungsfirma Roland Berger gehen davon aus, dass bis 2030 Vermögenswerte im Wert von bis zu 11 Billionen Dollar tokenisiert sein könnten. Besonders spannend ist die Vision eines global vernetzten Finanzsystems, in dem Kapital schneller, günstiger und flexibler fliesst, und in dem neue Anlegergruppen Zugang zu komplexen Produkten erhalten. Das Potenzial ist offensichtlich. Noch sind aber weitere regulatorische Klärungen, technologische Standards und Bildungsarbeit erforderlich. Die Umsetzung braucht Zeit, Kooperationen und Vertrauen, um mehr Marktakzeptanz zu erlangen.
In den nächsten Monaten werden vermehrt Neulancierungen im Bereich der Tokenized Funds erwartet. Anlegerinnen und Anleger sollten also die Entwicklungen mit wachem Blick verfolgen. Hier schreitet eine der spannendsten Innovationen der kommenden Jahre voran.
