Bei der aktuellen Suche nach Alternativen zur USA für Investitionen gewinnt der Nahe Osten zunehmend an Bedeutung. Und globale Schwellenländer-Aktien (Emerging Markets, EMs) sind ein hervorragender Ansatz für die Diversifikation. Investitionen in diese Märkte bieten zahlreiche Chancen, um aktive Manager anzusprechen und diversifizierte Portfolios aufzubauen. Diese vielfältige Gruppe von Ländern repräsentiert 88 Prozent der Weltbevölkerung und 77 Prozent der Landfläche und treibt 70 Prozent des globalen BIP-Wachstums an – sie ist also zu gross, als dass man sie ignorieren dürfte.
Schwellenländer als Alternative
«Wir haben einen deutlichen Anstieg der globalen Investitionsausgaben (Capex) gesehen – historisch ein Vorteil für die Performance von EMs», so Paola Bissoli, verantwortlich für Business-Development bei Aberdeen Investments Switzerland. «Angetrieben wird dies durch Nearshoring, die grüne Transformation und technologische Fortschritte, da Unternehmen in Lieferketten und technologische Fähigkeiten investieren, während Regierungen den Ausbau der Elektrifizierung vorantreiben.» Zudem unterstützt ein schwacher Dollar im Allgemeinen die Schwellenmärkte, indem er die Kosten für Fremdwährungsschulden senkt und die Kaufkraft der Unternehmen verbessert. Von entscheidender Bedeutung ist der gestärkte Konsum der Verbraucher, der durch eine Dollar-Schwäche weiter angekurbelt werden könnte, was langfristig zu Kapitalrückführungen und steigender Liquidität im Heimatmarkt führt.
Innerhalb der Schwellenländer wirken insbesondere der Nahe Osten und die Länder des Golf-Kooperationsrates (GCC) zunehmend interessant. Der Anteil des Nahen Ostens am EM-Index ist in den letzten zehn Jahren von niedrigen einstelligen Werten auf ein ähnliches Gewicht wie Lateinamerika gestiegen. In der gesamten Region findet derzeit ein struktureller Wandel statt, da Volkswirtschaften und Märkte breitflächig liberalisiert werden. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Saudi-Arabien und Kuwait setzen ehrgeizige Visionen um, um ihre Wirtschaft von den Einnahmen aus fossilen Brennstoffen zu diversifizieren. «Diese Veränderungen treiben den Fokus auf Innovation, Technologie und Humankapitalentwicklung», erklärt Paola Bissoli. «Um konkrete Zahlen zu nennen: Zwischen 2019 und 2024 haben die VAE ihren Anteil des Nicht-Öl-BIP um 7,5 Prozent gesteigert, während Saudi-Arabien sogar einen beeindruckenden Anstieg von 15 Prozent verzeichnete.» Prognosen diverser Banken gehen davon aus, dass der Nicht-Öl-Sektor des BIP weiterhin deutlich schneller wachsen wird als der Ölsektor. Trotz gelegentlichen Rückschlägen stellen diese Faktoren zentrale Attraktionen für EM-Investoren dar.
Dividenden stehen im Mittelpunkt
Historische und strukturelle Herausforderungen haben dazu beigetragen, dass der Markt im Nahen Osten oft unterschätzt und unterinvestiert bleibt. «Die meisten Emerging-Market-Investmentmanager halten nur wenige Positionen im Nahen Osten», merkt Paola Bissoli an. Historisch spielte die begrenzte Marktzugänglichkeit eine Rolle, und auch heute besteht möglicherweise noch eine geringere Vertrautheit mit lokalen Unternehmen im Vergleich zu etablierten Benchmark-Ländern. Darüber hinaus wächst das Potenzial durch neue Börsengänge und den strukturellen Wandel in vielen dieser Märkte erheblich. Dies macht den Nahen Osten zu einem spannenden und bislang wenig erforschten Teil des Emerging-Market-Universums – und zu einem neuen Jagdrevier für Bottom-up-Stockpicker. Dividenden sind in Schwellenmärkten wichtig und werden oft übersehen. Rund 85 Prozent der EM-Unternehmen zahlen Dividenden – ein Niveau, das mit den entwickelten Märkten vergleichbar ist. Im Nahen Osten entstehen zunehmend gut geführte Unternehmen, oftmals familiengeführt, mit einem klaren Fokus auf Dividendenausschüttungen.
Die geopolitische Unruhe der letzten Jahre hat die wirtschaftlichen Kanäle, insbesondere die Energiemärkte, Handelsrouten und Investitionsströme, beeinflusst. In den Golfstaaten, Monarchien mit langfristiger strategischer Planung und politischer Kontinuität, liegt ein Vorteil gegenüber vielen Schwellenländern, erklärt Bissoli. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind die liquidesten und investierbarsten Märkte. Saudi-Arabien bietet Chancen durch gesellschaftliche Reformen und demografische Trends, etwa bei Unternehmen, wie der Saudi National Bank oder Alkhorayef Water & Power Technologies, die von der Inlandnachfrage profitieren. Die VAE ziehen aufgrund ihrer liberalen Wirtschaft und globalen Ausrichtung starkes Investoreninteresse an, etwa bei Empower im Bereich Fernkühlung. Katar bietet angesichts der globalen Energiewende Chancen durch die Nachfrage nach verflüssigtem Erdgas in Asien, mit Unternehmen wie Nakilat und Milaha. Oman zeigt erste Dynamiken durch geplante Börsengänge staatseigener Unternehmen, die langfristig attraktiv sein könnten.
«Angesichts des breiten Universums mag passives Investieren wie der logische Weg erscheinen», sagt Bissoli. «Ich widerspreche, denn die dynamische und heterogene Struktur der Schwellenländer macht aktives Management relevanter.» Marktineffizienzen in EMs führen zu Fehlbewertungen, die selektive Positionierungen ermöglichen. Aktives Management ist relevant, da Marktineffizienzen und breite Ausverkäufe selektive Positionierungen erlauben. Informationsasymmetrien, Indizes-Dynamik und Potenzial in Frontier-Markets unterstützen dies. Der Zugang zu Aktien im Nahen Osten hängt vom Ländermarkt und von Regulierungen ab, meist über Börsen, ETFs und Fonds. Schwellenländer-Aktien und Nahost-Allokationen bieten Diversifikation und unterschiedliche Wachstumstreiber. Sie können Anlegern helfen, ein diversifiziertes Portfolio aufzubauen, das ihren Risikobeschränkungen und Renditezielen entspricht.

