Vor mehr als sechzig Jahren entstand ein neues Karosseriekonzept für luxuriöse Automobile, wohl angeregt durch die Fantasie autobegeisterter Jäger und jagender Lords. Mit dem Shooting Brake sollten die flache Silhouette eines Sportcoupés und die Ladekapazität einer Kombilimousine vereint werden. Nicht ganz selbsterklärend ist die Bezeichnung für dieses Karosseriekonzept. «Brake» nannte man in der vorautomobilen Welt ein von Pferden gezogenes Chassis mit starker Bremse, mit dem Jungtiere zum Kutschenantrieb ausgebildet wurden. Ähnliche Fuhrwerke dienten damals auch als Begleiter auf Jagdausflügen, womit sich für die Karosseriebauer «Shooting» als Vorname ergab. Dass ein solches Coupé mit Steilheck und Heckklappe nicht nur als Shooting Brake, sondern manchmal auch als Shooting Break bezeichnet wird, hängt wohl damit zusammen, dass man Kombis in Frankreich «Breaks» nennt. Erste motorisierte Shooting Brakes kamen in den 1960er-Jahren auf die Strasse – selbstverständlich in England, wo sich seit den Anfängen des Automobilzeitalters die Liebe zu sportlichen Fahrzeugen und das Flair für Skurriles vereinen. So zählen zu den beliebtesten Vorzeigemodellen dieser Bauart der 1963 von Aston-Martin-Besitzer David Brown zum Shooting Brake umgemodelte DB5, der vergleichsweise volkstümliche Reliant Scimitar GTE und die von der spezialisierten Firma Albion Motors gebauten Versionen der Modelle Bentley S2, Mercedes 300S und Ferrari 400.

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Markenzeichen: Zweitürig

Auffällige Produkte dieser Bauart im kontinentalen Europa sind die Shooting Brakes Peugeot Riviera (1971), Fiat Maremma (1974) und Lancia Gamma Olgiata (1982) – alle drei entworfen in den Designstudios von Sergio Pininfarina. Und natürlich reden beim Thema Lifestyle-Kombis die USA – das Autoland schlechthin – ebenfalls ein Wörtchen mit. Als 1954 der Chevrolet Nomad als Studie auf Corvette-Basis gezeigt wurde und ein Jahr später als Belair Kombi auf die Strasse kam, war die Kategorie der Shooting Brakes allerdings noch gar nicht erfunden. Für Puristen muss ein Shooting Brake zum einen von einem Sportcoupé abgeleitet und zum anderen unbedingt zweitürig sein – die Heckklappe ist keine Tür, denn höchstens der Jagdhund steigt hinten ein und aus. Im Gegensatz zum kommunen Kombi ist das Steilheckcoupé also sportlicher und eleganter zugleich – manchmal auch skurriler wie im Fall des zum Leichenwagen umgebauten Jaguar E-Type, den der jugendliche Protagonist Harold im Kultfilm «Harold and Maude» am Ende über die Klippen stürzen lässt. Kaum weniger abenteuerlich ist das Äussere des Jaguar XK150 Foxbat. Dem supersportlichen Zweisitzer wurde kurzerhand ein Kombiheck in bekannter Woody-Tradition aufgesetzt. Aus Schweden rollte dann im Sommer 1971 der Volvo P1800 ES mit Schrägheck und gläserner Heckklappe auf die Strasse, auch bekannt als «Schneewittchensarg». Das Quasi-Nachfolgemodell Volvo 480 kam ebenfalls im Shooting-Brake-Format. Ähnliche Baumuster wiesen der Lancia Beta HPE und etwas später der «Turnschuh», der BMW Z3 Coupé, sowie der Alfa Romeo Brera auf.

Auch wenn die klassischen Shooting Brakes ausgestorben sind, bleibt das Segment nach der Jahrtausendwende weiter am Leben und hat immer noch eine Fangemeinde. Ein prominenter Vertreter der jüngeren Vergangenheit ist der Ferrari FF, der am Genfer Autosalon 2011 präsentiert wurde. Exotisch wirkten damals nicht nur seine kombiähnliche viersitzige Karosserie, sondern auch der mit dem 6,3-Liter-Zwölfzylinder kombinierte zusätzliche Vorderradantrieb. Für die Maranello-Kundschaft folgten erstaunlicherweise später weitere eher gewöhnungsbedürftige Modelle. Sowohl bezüglich GTC4 Lusso als auch – weil in SUV-Nähe gerückt – in Sachen Purosangue scheiden sich die Geister.
Ebenfalls in der obersten Fahrzeugklasse angesiedelt war der 2018er-Porsche Panamera Sport Turismo, gefolgt vom Taycan Cross Turismo, und auch den Arteon Kombi bezeichnete Volkswagen als Shooting Brake. Weitere nachfolgende Modelle wie der Kia Proceed oder der Mercedes CLA Kombi wurden in ähnlicher Neuauslegung präsentiert. Eines der jüngsten Modelle stammt aus Korea – von der Hyundai-Nobelmarke Genesis: der G70 Shooting Brake. Heute kaum mehr störend bei all den neuen Shooting Brakes ist die Tatsache, dass sie mit vier Seitentüren ausgestattet sind.