Europa erlebt derzeit die dritte Importwelle auf dem Automobilmarkt. Nach den erfolgreichen Auftritten der japanischen und koreanischen Autoproduzenten folgt nun eine neue Welle aus China. Als vor etlichen Jahren versucht wurde, in Europa chinesische Personenwagen anzubieten, rümpfte die europäische Kundschaft noch die Nase über die wenig attraktiven Modelle. Doch dies hat sich in jüngster Zeit verändert. Mittlerweile bewegen sich die China-Personenwagen bezüglich Technologie und Ausstattung auf Augenhöhe mit den europäischen Herstellern. Experten und Expertinnen der Autobranche vertreten heute die Meinung, dass chinesische Personenwagen in der Elektronik ihren europäischen Konkurrenten nicht nur ebenbürtig, sondern in gewissen Bereichen überlegen sind. Chinas Autohersteller haben in den vergangenen Jahren grosse Fortschritte bezüglich Design, Verarbeitungsqualität und Technik gemacht und sind beim Infotainment und bei der Softwareentwicklung, sowie bei den Assistenzsystemen westlichen Herstellern teilweise überlegen. Auch die Akzeptanz der chinesischen E-Autos hat sich verbessert. Die anfängliche Skepsis gegenüber chinesischen Personenwagen – wie sie in verschiedenen Studien aufgezeigt wurde – hat sich in jüngster Zeit verändert.

 

Batterieentwicklung und Technik sind spitze

Vor allem im Bereich der Elektrofahrzeuge nehmen die chinesischen Hersteller eine dominierende Stellung ein und sind in Sachen Verarbeitung, Sicherheit und Antriebsvarianten auf internationalem Niveau, und dies nicht nur im Land selbst, wo heute bereits jeder vierte Personenwagen elektrisch unterwegs ist. In China vollzieht sich die Mobilitätswende deutlich schneller als beispielsweise in Europa und in den Vereinigten Staaten. Bereits im Jahr 2022 wurden in China mehr als doppelt so viele E-Autos verkauft wie in Europa und den Vereinigten Staaten zusammen.

In China selbst sind heute mehr als die Hälfte aller weltweit im Einsatz stehenden Elektroautos unterwegs. Der Erfolg der chinesischen Hersteller in der Entwicklung und Produktion von Elektrofahrzeugen wird zu einer gewichtigen Bedrohung für die europäischen Hersteller, die sich auf dem chinesischen Personenwagenmarkt anfänglich eine starke Marktposition erarbeiten konnten. Jahrelang machten die europäischen Automobilhersteller gute Geschäfte in China. Doch dies hat sich verändert, die chinesischen Personenwagen – insbesondere solche mit Elektroantrieb – befinden sich umgekehrt in Europa und in den USA im Vormarsch.

 

Aufbau einer Schweizer Präsenz

Europas Hersteller müssen auf dem chinesischen Markt reagieren, denn in jüngster Zeit hat sich gezeigt, dass die Verbraucher in China spezielle Wünsche haben in Bezug auf die Bordsoftware und Entertainment-Funktionen, die bei den einheimischen Anbietern bereits Standard sind. «Das Wettbewerbsumfeld ist deutlich gestiegen, und die Produkte der deutschen Hersteller haben ein Stück weit den Glanz verloren», stellt der bekannte Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer fest.

Bis anhin spielten die chinesischen Personenwagen im Schweizer Markt keine besondere Rolle. Im vergangenen Jahr verkaufte der Hersteller Aiways in der Schweiz 47 Personenwagen, und JAC kam auf 217 Neuwagenverkäufe. Nun aber ist mit dem Eintritt von weiteren chinesischen Herstellern im europäischen und im schweizerischen Personenwagenmarkt zu rechnen. Im Vordergrund stehen in erster Linie die Hersteller BYD, Dongfeng Motor, FAW Group, Geely, Great Wall Motor, Nio, Noyo und Saic. Zu den bereits aktiven Importeuren in der Schweiz zählen Maxomotive Schweiz (Aiways), Noyo Mobility Rotkreuz (Noyo), Nio Switzerland (Nio), Polestar Automotive Switzerland (Marke des Geely-Konzerns) JAC Schweiz (JAC) sowie seit dem 1. März 2024 Astara Mobility Switzerland, die den Import, den Kundendienst und den Vertrieb der Marke MG übernimmt. Die Emil Frey Gruppe vereinbarte eine Partnerschaft mit dem Hersteller BYD für den Vertrieb von deren Elektrofahrzeugen in der Schweiz und in Liechtenstein ab Mitte dieses Jahres. Die Hersteller BYD und MG Motor sowie Lucid und Shenzer nutzten den wiedererweckten Genfer Auto-Salon als Bühne zur Präsentation ihrer Fahrzeuge.

Der Schwerpunkt der Importe aus China dürfte auf den elektrisch angetriebenen Personenwagen liegen. Allerdings müssen die chinesischen Hersteller im Vertrieb, im Service und bei der Ersatzteilversorgung noch zulegen. Diese Aufwendungen sind denn auch der Grund dafür, dass chinesische Personenwagen in Europa im Vergleich zum Reich der Mitte beinahe zum doppelten Preis angeboten werden.

Chinas Hersteller bauen nicht mehr nur auf den bewährten Lithium-Ionen-Batterien auf, sie entwickeln mit Hochdruck alternative Batterietypen. Der grösste Batteriehersteller der Welt Catl (China Amperex Technology) kündigte kürzlich eine «verdichtete Batterie» an, deren Leitmaterial weder flüssig noch fest sei. Spezialisten spekulieren, dass es sich um ein gasförmiges Elektrolyt handelt, welches bei geringem Druck flüssig oder sogar fest wird. Chinesische Modelle werden in den kommenden Jahren den Markt der Elektroautos prägen – eine Herausforderung für die etablierten Hersteller.

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